Schlechte Aussichten für den X.org-Server

 X.org-Server
Abandonware Logo | Quelle: abandonware.org | Lizenz: CC BY-SA 2.5

Der Umstieg auf das nun schon nicht mehr so neue Display-Server-Protokoll Wayland dauert an und wird je nach Desktop-Umgebung auch noch eine ganze Weile brauchen, bevor die Parität der Funktionen zu X.org erklärt werden kann. So wird etwa das in Kürze erwartete Xfce 4.16 immer noch keine Wayland-Sitzung bieten. Auch bei Cinnamon sind bisher keine Entwicklungen zur Unterstützung von Wayland erkennbar.

Als Abandonware bezeichnet

Gleichzeitig lässt aber die Unterstützung für X.org von Entwicklerseite so stark nach, dass Intels Kernel-Entwickler und DRM-Co-Maintainer Daniel Vetter X.org kürzlich gar als Abandonware, also als vernachlässigte Software bezeichnet hat, die keine angemessene technische Unterstützung mehr erhält. Das ist eine harte Kritik, die aber laut eines Berichts auf der Plattform Phoronix nicht unangemessen erscheint.

Entwicklungszyklus außer Kraft

Demzufolge fand die letzte große Veröffentlichung des X.org-Server in Form von Version 1.20 im May 2018 statt. Dabei unterliegt die Entwicklung eigentlich einem halbjährlichen Veröffentlichungszyklus. Die Git-Commits sind in den letzten beiden Jahren auf dem niedrigsten Stand der letzten 20 Jahren angelangt. Gab es im Jahr 2008 noch 2.114 Commits, so waren es 2019 lediglich noch 316 Einreichungen.

Red Hat vorne

Obwohl Red Hat hauptsächlich Ressourcen in Wayland steckt, führt der dort beschäftigte Entwickler Adam Jackson mit 66 Commits die Liste für 2019 an, gefolgt von weiteren Red Hat Mitarbeitern. Dabei strebt Red Hat schon seit geraumer Zeit an, die Entwicklungstätigkeit einzustellen, X.org in den Wartungsmodus zu versetzen und lediglich die vorhandene Codebasis zu pflegen.

Keine Veröffentlichung in Sicht

Derzeit scheint keine Firma, Organisation oder Community bereit, die Veröffentlichung von X.Org-Server 1.21 vorzubereiten und zu übernehmen. Neben Red Hat ist Intel das einzige andere große Unternehmen, das überhaupt noch Ressourcen in X.org investiert. Bleibt nur zu hoffen, das Wayland bald alle gewünschte Funktionalität von X.org abbilden kann und die Entwicklung hin zu Wayland bei den Desktop-Umgebungen vorangeht.

Kommentare

18 Antworten zu „Schlechte Aussichten für den X.org-Server“

  1. Avatar von Hans K
    Hans K

    Die Linux Desktop Umgebungen nutzen Fenstermanager, wie openbox oder kwin, für die Kommunikation mit dem X.org Server. Einige Desktop Umgebungen nutzen Fenstermanager, die nicht Wayland fähig sind. Diese Fenstermanager müssten zuerst umgebaut werden oder die Umgebungen nutzen einen anderen Fenstermanager. Dürfte ein komplexes Problem sein, was Manpower kosten wird. Vielleicht wollen einige, dass die Desktop Umgebungen X.org aufgeben und sich nur noch auf Wayland konzentrieren.

  2. Avatar von anonym
    anonym

    Als „harte Kritik“ würde ich das eher nicht bezeichnen, schließlich war das angekündigt und absehbar. Es ist eher die Erkenntnis, dass es mit X.org jetzt so langsam wirklich zu Ende geht und sich die Desktop-Umgebungen verstärkt um Wayland-Unterstützung bemühen müssen. RedHat wird mehr oder weniger nur noch tun, was sie für RHEL8 brauchen.

  3. Avatar von tuxnix
    tuxnix

    Dass X.org irgendwann nicht mehr weiterentwickelt wird war abzusehen. Dass die Unterstützung für das Wayland Protokoll derart fragmentiert stattfindet ist auch der Politik Canonicals zu verdanken. Damals haben einige Leute genau diese Entwicklung vorausgesagt. Durch „Mir“ wurde das ganze Ökosystem vom Grafikkartenhersteller bis zu den Entwicklern von Anwendungen gespalten. So etwas ist schwer wieder aufzuholen.

    1. Avatar von Hans K
      Hans K

      Mit Mit wollte Canonical vor Jahren ein ähnliches Linux für PCs und Mobile Geräte wie Smartphones entwickeln. Irgendwann wurde das Vorhaben aufgegeben und damit hat man auch die arbeiten an Mir eingestellt. Mir sollte mehr werden, als ein Wayland Konkurrent.

      Das Problem dürfte mehr sein, dass alle noch X.org unterstützen müssen, wo die Unterstützung von Wayland mehr eine Option ist. Voll auf Wayland dürfte erst gesetzt werden, wenn alle Relevanten Desktop Umgebungen Wayland fähig sind.

      1. Avatar von kamome
        kamome

        > wenn alle Relevanten Desktop Umgebungen Wayland fähig sind.
        Und alle (für X relevanten) Betriebssysteme!

      2. Avatar von Wolfgang
        Wolfgang

        Mir wirde nicht eingestellt. Es benutzt jetzt wayland, aber es wirn noch immer von canonical weiterentwickelt

      3. Avatar von Jochen Geyer
        Jochen Geyer

        Fürchterlich, diese Canonical/*buntu Fanboys, die unreflektiert jeden noch so doofen Einfall und noch so überflüssiges Canonical Inselprojekt verteidigen.
        Obwohl Canonical genau mit dieser Politik der Linux Entwicklung mehr schadet, als jeder noch so laute Linuxhater.

        1. Avatar von Hans K
          Hans K

          Canonical wollte sicher mit einen Mobilen Ubuntu OS sein Geschäftsmodell verbreitern. Ein Großteil der Linux Entwicklung wird von Kommerziellen Firmen, wie Intel oder IBM bezahlt. Die Linux Entwicklung soll sicher auch deren Produkte besser machen. Intel dürfte sicherlich auch ein nutzen haben, wenn die Wayland Verbreitung stärker steigt.

          1. Avatar von Jochen Geyer
            Jochen Geyer

            Canonical wollte sicher mit einen Mobilen Ubuntu OS sein Geschäftsmodell verbreitern.

            Ich bemesse erfolgreiche Projekte immer danach, in wie weit sich diese in der gesamten Linux Community durchsetzen, und nicht nur einzelnen Akteuren dienen.

            Und da muss man konstatieren, dass Canonical mit seinen Inselprojekten alles andere, als erfolgreich ist.

            Weiterhin ist ein wichtiger Punkt die Softwarequalität der einzelnen Projekte.
            Auch hier kann Canonical nur wenig überzeugen.

            Ein Großteil der Linux Entwicklung wird von Kommerziellen Firmen, wie Intel oder IBM bezahlt.

            Und du denkst ernsthaft, dass diese Global Player dann zu Canonical kommen und entwickeln lassen?

            Die Linux Entwicklung soll sicher auch deren Produkte besser machen.

            Dann will ich diesen – in seiner Gesamtheit von Canonical Marketingsprech durchsetzten Satz etwas sezieren.

            Fakt ist, Canonical bedient sich vorrangig bei anderen Projekten (Debian, Gnome, KDE, um nur einige zu nennen) ohne viel an genaudiese Projekte zurpückfließen zu lassen.

            Auf der anderen Seite schafft es Canonical aber auch nicht, seine ach so tollen Inselprojekte dauerhaft mit anderen Distributionen zu teilen, weil diese Inselprojekte auch wegen schlechter Softwarequalität nicht bestehen können.

            Nun konkret zu MIR (und allen anderen Canonical Versagerprojekten).

            MIR war spätestens 4 Wochen nach Bekanntgabe des Projekts durch Canonical zum Scheitern verurteilt, als Intel ankündigte, sich mit Treibern ausschließlich auf Wayland zu konzentrieren und MIR nicht zu supporten.

            Kleiner Exkurs zu Canonical Projekt“lösungen“:

            Jeder strategische Distributor hätte in einem solchen Moment das Projekt für gescheitert und damit beendet erklärt, aber nein, Canonical reitet dieses tote Pferd unbeirrt bis heute.

            Canonical wiederum entschied sich gegen jede Logik den fehlenden Intel Treibersupport mit kaputten Android Bibliotheken zu »gewährleisten«, was nur mässig gelingt und immer wieder zu massiven Sicherheitslücken führt.

            Kein anderer Distributor zeigt auch nur das geringste Interesse an MIR oder anderen Canonical Fehlschlägen, denn alle anderen setzen auf Wayland, was von den meisten Distributoren getragen und verbessert wird.
            Ein typischer Weg von Canonical Fehlschlägen, die lediglich – aber nicht unwidersprochen – den eigenen Distributionzweig bedienen.

            Welchen Nutzen hat nun Canonical für die Linux Community, abseits von großen Ankündigen und einer gewissen, aber erfolglosen Ironie?

            Das ist einer der vielen Gründe, warum ich Canonical vorwerfe, den Communitygedanken einzig, einseitig auszulegen, oder besser noch, nicht verstanden zu haben.

        2. Avatar von anonym
          anonym

          Sicherlich hat das nicht geholfen, allerdings hat sich Canonical vor 3,5 Jahren (!) wieder von Mir auf dem Desktop verabschiedet. Nur daran liegt das also nicht. Die Faktoren „viel Arbeit“ und „X tut doch“ würde ich daher nicht unterschätzen.

          1. Avatar von Jochen Geyer
            Jochen Geyer

            Sicherlich hat das nicht geholfen, allerdings hat sich Canonical vor 3,5 Jahren (!) wieder von Mir auf dem Desktop verabschiedet.

            Nicht ganz, Canonical pfuscht immer noch an MIR herum.
            Offiziell nicht unter eigener Flagge, sondern via UBPorts, UBPorts befindet sich allerdings zu 100% in Canonicals Besitz.

            Nur daran liegt das also nicht.

            Nein, es liegt auch auch den schlechten Arbeitsbedingungen, Insider (die die nach der großen Kündigungswelle übrig geblieben sind) bezeichnen das Firmenklima als vergiftet.

            Weil sich dieser Umstand mittlerweile in der Linux Community herumgesprochen hat, bewerben sich nur noch Leute bei Canonical die bei anderen Distributoren keine Chance haben bzw. wechseln die guten Mitarbeiter zu anderen Distributoren.

            Die Faktoren “viel Arbeit” und “X tut doch” würde ich daher nicht unterschätzen.

            Das X(Server) technologisch ausgereizt ist, ist nun keine neue Erkenntnis, aber das es MIR nicht gebraucht hätte, auch nicht.

          2. Avatar von Ferdinand

            UBPorts befindet sich allerdings zu 100% in Canonicals Besitz.

            UBPorts ist eine deutsche gemeinnützige rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst, die seien mit Canonical verbandelt.

          3. Avatar von Jochen Geyer
            Jochen Geyer

            Danke für die Berichtigung, in diesem Punkt habe ich mich tatsächlich auf Hörensagen verlassen, anstatt diesen Punkt noch einmal zu recherchieren.

  4. Avatar von tzui
    tzui

    Die Entwicklung von Mir hat die Entwicklung von Wayland nicht wesentlich beeinlusst und ist auch nicht and dessen Fragmentierung schuld. Das liegt eher an der Architektur von Wayland, bei der jeder Compositor nun alle Aufgaben des X-Servers übernehmen muss. Da Mir inzwischen ein universeller Wayland-Compositor geworden ist, kann Mir sogar helfen. So planen z.B. die Leute von Mate zukünftig Mir zu verwenden.

    1. Avatar von tuxnix
      tuxnix

      inzwischen

      Dazwischen liegen Jahre der Fraktionierung.

  5. Avatar von Audi666
    Audi666

    Was bedeutet der ganze Spaß für die BSDs?

    1. Avatar von kamome
      kamome

      Vermutlich Wayland oder Xenocara …

  6. Avatar von Nick
    Nick

    Wenn man mal in Richtung Gnome schaut, dann ist Wayland schon lange produktiv nutzbar, und funktional alles andere als hinter Xorg. Wobei Xorg ohnehin das Gegenteil von einer vorbildlichen Software ist, deren Eigenschaften gerade in sicherheitstechnischer Hinsicht doch sehr fragwürdig sind, noch im Sinne einer soliden Zukunft wert sind repliziert zu werden. Daher muss hier praktisch funktional überhaupt kein Gleichstand herrschen. Unter Wayland sind je nach DE gänzlich andere Herausforderungen zu meistern. Allein KDE mit schier unendlichen Möglichkeiten ist da problematisch, zumal Wayland wesentlich mehr einschränkt und für viele extravagante Funktionen erst sichere APIs realisiert werden müssen, was dann via Wayland-Compositor entsprechend umgesetzt wird. Dazu kommt die elendige Abhängigkeit an Qt, samt lizenzrechtlichem Wirrwarr, und das Qt laufend mehr Entwicklungsressourcen an sich bindet, womit insbesondere traditionell stabile Linux-Distributionen zu kämpfen haben, die im Gegensatz zu Bleeding-Edge Distributionen nicht jegliche Stabilität/Kompatibilität aufs Spiel setzen. Problematisch für KDE ist ebenfalls, dass einige Funktionalitäten rund um Wayland nur nativ in Qt implementiert umsetzbar sind, womit vieles an Entwicklung permanent an Qt hängt und wertvolle Zeit kostet. Auch ein Grund warum ich KDE nicht länger nutze. Und was die anderen DE betrifft, so schaffen sich diese auf Raten ab wenn weiterhin Xorg priorisiert wird. Wobei sich ohnehin die Frage stellt, inwiefern kleine DE überhaupt noch zukunftsfähig sind.

Schreibe einen Kommentar zu Hans K Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert