
Kürzlich konstatierte ein Artikel im Netz die Tatsache, dass Wayland nach zehn Jahren Entwicklung immer noch nicht Standard sei. Dabei war eine schnelle und abrupte Umstellung nie das Ziel der Entwickler und ist technisch auch nicht möglich.
Nur bei Fedora
Die Entwicklung zum Display-Server-Protokoll Wayland wurde 2008 unter Federführung des damals bei Red Hat beschäftigten Kristian Høgsberg begonnen. Ziel war und ist die langsame Ablösung des in die Jahre gekommenen X-Servers. Seit Fedora 25 im Oktober 2016 wird Wayland dort als Standard eingesetzt. Aber das war’s auch schon, die erwartete kontinuierliche Ablösung des herkömmlichen X-Window-System (X11) durch Wayland scheint fürs Erste etwas ins Stocken geraten zu sein.
Dabei ist Wayland selbst ziemlich ausentwickelt, wie es in der Release-Ankündigung zu Version 1.16 heißt. Da sich Wayland und X11 aber im Funktionsumfang erheblich unterscheiden, bleibt drumherum noch einiges zu tun.
Aufgabe gleich – verschiedene Wege
Sowohl X11 als auch Wayland haben vorwiegend die Aufgabe, Programmen die Möglichkeit zu bieten, Grafiken auf Displays zu zeichnen. Sie tun dies auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Während X11 als Netzwerkprotokoll nach dem Client-Server-Modell arbeitet und sich dabei vom Zeichnen und Bewegen von Bildern bis zu Benutzereingaben von Maus und Tastatur um alles kümmert, hat Wayland viel weniger zu tun.
Es sitzt als Protokoll zwischen einem Compositor und seinen Clients. Der Compositor sendet Eingabe-Events an die Clients. Die Clients rendern diese lokal und kommunizieren dann Videospeicherpuffer und Informationen über Updates dieser Puffer an den Compositor zurück.
Gefährliche Altlasten
X11 ist mittlerweile weit über 30 Jahre alt und schleppt Altlasten aus seiner Frühzeit mit, die heutzutage nicht mehr gebraucht werden, die aber zum Teil auch nicht entfernt werden können, weil sie zu tief im System verwurzelt sind. Fähigkeiten wie etwa das Zeichnen von Kreisen und Rechtecken oder das Verschieben von Fenstern regeln moderne Grafikbibliotheken heute wesentlich effizienter ohne dafür auf einen X-Server zurückgreifen zu müssen.
Moderne Clients erwarten vom Display-Server heute hauptsächlich die Zuteilung eines Bereiches, in den sie schreiben können und die Darstellung dieser Inhalte. Das entspricht der Arbeitsweise von Wayland. Allerdings müssen einige etablierte Funktionen, die das Client-Server-Modell von X11 ermöglichte, außerhalb von Wayland neu implementiert werden.
Einiges fehlt
So kann Wayland von Hause aus seinen Desktop nicht teilen, wie es Anwendungen wie WebRTC, Google Hangouts oder TeamViewer erwarten. Auch Remote-Desktop-Sitzungen per VNC oder RDP fallen in diese Kategorie. Diese Funktionalität muss bei Wayland von den Clients oder den Compositoren übernommen werden, da Wayland keine Rendering-API beinhaltet.
Probleme gibt es auch noch mit proprietären Grafiktreibern wie denen von Nvidia. GNOME und auch Plasma arbeiten am Nachrüsten, um die verbleibenden Defizite gegenüber X11 auszugleichen. Beim MATE-Desktop und bei Xfce ist Wayland-Integration geplant, bei Cinnamon zumindest in der Diskussion. Schon lange unterstützt wird Wayland bei Enlightenment. Auch bei den Browsern geht die Integration voran.
Ubuntu will nachziehen
Neben Fedora hatte auch Canonical den Schritt zu Wayland als Standard mit Ubuntu 17.10 »Artful Aardvark« vollzogen, ging aber mit dem langzeitunterstützten Ubuntu 18.04 »Bionic Beaver« wieder einen Schritt zurück und lieferte X11 als Standard aus und stellte Wayland alternativ als technische Vorschau bereit. Damals ging Mark Shuttleworth davon aus, dass Ubuntu 20.04 LTS voraussichtlich die erste langzeitunterstützte Version mit Wayland am Ruder sein werde.
Langsame Ablösung
Die Adaption von Wayland in den Distributionen wird nicht über Nacht voranschreiten, aber es bewegt sich was. So wird das im Sommer 2019 erwartete Debian 10 »Buster« in der Standard-Version mit GNOME vermutlich Wayland als Standard setzen. Von anderen Distributionen sind mir keine konkreten Pläne für Wayland als Standard bekannt. X11 wird uns also noch eine Weile begleiten.
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