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Vor rund einer Woche erschien hier ein Bericht über Bestrebungen des russischen Geheimdienstes und der Telekommunikationsbehörde Roskomnadsor, verschiedene ausländische Mail-Provider in Russland zu sperren, darunter auch den Berliner Dienstleister mailbox.org.
ProtonMail gesperrt
Dieses Schicksal ereilte Ende Januar bereits den Anbieter ProtonMail. Als Begründung im Fall des Sperrantrags gegen mailbox.org wurde bereits im September 2019 der Vorwurf erhoben, der Provider habe auf eine Auskunftsanfrage im 2. Quartal 2019 nicht reagiert und sei nicht im russischen Telekommunikationsverzeichnis »ARI« eingetragen. Direkter Anlass sollen über mailbox.org und andere Provider versandte E-Mails mit Bombendrohungen gewesen sein.
Sperrantrag zurückgezogen
Ende letzten Jahres hatte Roskomnadsor vor einem Gericht in Moskau die Sperrverfügung beantragt, der Prozess fand am gestrigen 5. Februar in Moskau statt. Wie mailbox.org im Firmenblog mitteilt, zog die Aufsichtsbehörde vor Gericht ihren Sperrantrag zurück.
Im Vorfeld hat sich mailbox.org mit seinen russischen Anwälten dazu entschieden, die eigenen Kontaktdaten in das russische Telekommunikationsverzeichnis aufnehmen zu lassen, da es sich dabei lediglich um Daten handelt, die auch dem Impressum der Firmenwebseite zu entnehmen sind.
Klares Dementi
Einer gestrigen Meldung (russ. Originaltext) der Nachrichtenagentur Interfax zufolge soll sich mailbox.org auch zur Speicherung von Nutzerdaten in Russland bereit erklärt haben. Das dementiert der Mail-Provider ausdrücklich und betont, dass mailbox.org niemals Daten seiner Nutzer in Russland speichern würde.
Auch soziale Netzwerke betroffen
Auch Facebook und Twitter sehen sich in Russland von Strafen und Sperrung bedroht, da die Dienste sich weigern, Nutzerdaten von lokalen Anwendern auf Servern in Russland zu speichern. Die russischen Behörden entsprechen mit diesem Verlangen einem Gesetz, dass die Speicherung solcher Daten auf russischem Hoheitsgebiet vorschreibt.
Lobenswerte Entwicklung
Diese Vorgänge sind im Licht der Bestrebungen Russlands zu sehen, den Einfluss proprietärer ausländischer Software im eigenen Land zurückzutreiben. Um die Macht von Android zu brechen, steckten bereits 2015 damals nicht näher benannte russische Finanziers eine ungenannte Summe in das leckgeschlagene finnische Unternehmen Jolla, um aus deren mobilem Betriebssystem Sailfish OS eine russische Alternative zu Android zu machen.
Ein neues Gesetz schrieb 2016 dem öffentlichen Sektor Russlands vor, freie Software einzusetzen und mit der globalen freien Software-Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. Proprietäre Software ist demnach nur noch in gut begründeten Fällen erlaubt.
Begründete Sorge
Die Bestrebungen der russischen Führung, die Kontrolle über die im Land verwendete Software zurückzugewinnen ist bestimmt lobenswert. Aktionen wie die hier beschriebenen geplanten Sperrungen hinterlassen dagegen leider einen säuerlichen Geschmack von Zensur und Kontrolle der eigenen Bevölkerung.