Betriebssysteme für Linux-Phones in unterschiedlichen Stadien der Nutzbarkeit gibt es mittlerweile eine ganze Menge und ab und an kommen neue hinzu. Eine Chance auf viele dauerhafte Nutzer haben dabei vermutlich die wenigsten.
postmarketOS als Vorbild
Eine Ausnahme ist sicher das auf dem minimalen Alpine Linux basierende postmarketOS (pmOS) mit seinem etwas anderen Ansatz, der neben ausgewiesenen Linux-Phones wie PinePhone und Librem 5 unter anderem auch Geräte aus der Samsung Galaxy-Reihe sowie das Wileysoft Swift, das Nokia N99 und das Motorola Moto G4 Play aktiv unterstützt. Auch bei den Oberflächen stehen mit Phosh, Plasma Mobile und Sxmo mehrere Optionen zur Auswahl.
Abgekupfert
Diesem Vorgehen ahmt nun ein drei Monate junger Neuzugang namens Kupfer nach, den ich auf linuxphones.com entdeckt habe. Kupfer setzt auf Arch Linux auf und wird auf GitLab entwickelt. Das Ziel ist nicht, ein fertiges Arch Linux mit einigen zusätzlichen mobilen Paketen zu ergänzen, sondern in Anlehnung an pmOS vielmehr Tools zu erstellen, um neue Geräte einfach portieren und bestehende warten zu können.
Dazu wurde das Docker-basierte kupferbootstrap entworfen, das mittlerweile Geräte wie das OnePlus 6T und das Poco F1 unterstützt, die mit dem Snapdragon 845 SoC ausgestattet sind sowie das BQ Aquaris X5. Das PinePhone und das Librem 5 sind derzeit noch außen vor. Wer ein mobiles Betriebssystem auf Arch-Basis für sein PinePhone sucht, ist mit dem Arch-ARM-Spin von Danct12 besser aufgehoben.
Android-Game unter Anbox-Halium | Video: calebccff
Linux Phones sind eine noch relativ junge Nische und naturgemäß fehlt es an entsprechend angepassten Apps. Anwendungen wie Anbox versuchen das abzumildern, indem sie Android in einem Container ausführen und so Android-Apps auf Linux Phones und Geräten mit anderen alternativen Betriebssystemen wie Ubuntu Touch ermöglichen. So erhielt beispielsweise postmarketOS im März 2020 Unterstützung für Anbox. Allerdings war die Performance mit Anbox bisher alles andere als berauschend.
Lineage OS im Container
Hoffnung macht die neue App WayDroid, die, basierend auf dem gleichen Prinzip, eine bessere Leistung bei der Ausführung von Android-Apps bieten will. Das berichtete am Wochenende die Webseite Linux Smartphones. WayDroid installiert das Android-basierte Lineage OS in einem Container und stellt damit eine Android-Benutzerumgebung zur Verfügung, von der aus Android-Apps ausgeführt werden können.
WayDroid, ein Kofferwort aus Wayland und Android hieß zu Beginn der Entwicklung Anbox-Halium, bevor es umbenannt wurde, denn das auf GitHub entwickelte WayDroid läuft nicht nur auf Geräten mit Halium, sondern auch auf Linux Phones wie dem PinePhone oder Librem 5, die anstatt einem Android-Kernel einen aktuellen Mainline-Kernel verwenden. Allerdings ist, wie der Name vermuten lässt, Wayland eine Grundvoraussetzung.
Noch am Anfang
WayDroid steht noch am Anfang seiner Entwicklung, Ziel ist es, Android-Apps so laufen zu lassen als seien sie native Linux Apps, also ohne die Elemente der Android-Benutzerumgebung und mit den Gesten des Host-Betriebssystems. Derzeit fehlt noch ein Installer, was das Aufsetzen etwas aufwendig macht. Trotzdem benötigt das Projekt Tester. Wer helfen möchte und im Besitz eines unterstützten Phones ist, kann im Telegram-Kanal des Projekts Hilfe beim Aufsetzen erhalten.
Ein YouTube vom Mai zeigt die App im Alpha-Stadium. Auf Twitter zeigt ein kurzes Video den derzeitigen Stand der Entwicklung.
Vor nicht ganz zwei Wochen wurde bekannt, dass das Open-Source-Unternehmen Purism ein Smartphone mit offener Hard- und Software plant. Purism ist in San Francisco beheimatet und hatte bisher einigen Erfolg in der Open-Source-Szene mit der Entwicklung der freien Notebooks Librem 11, 13 und 15. Das Librem 13 wird in seiner zweiten Auflage mit Coreboot anstatt geschlossenem BIOS ausgeliefert. Die Firma entwickelt dafür auf Debian-Basis PureOS, ein mit GNOME-Desktop versehenes Betriebssytem.
Freie Hardware
Eine Crowdfunding-Kampagne auf der Webseite von Purism soll das Interesse an dem fünf Zoll großen Librem 5 getauften Smartphone testen und die Entwicklung im Erfolgsfall finanzieren. Purism wünscht sich dafür ein auf GNOME basierendes mobiles Betriebssystem. Die geplante Hardware basiert auf einem SoC vom Typ i.MX6 oder i.MX8 von NXP Semiconductor mit integrierter GPU von Vivante. Darauf soll der freie Etnativ-Treiber laufen. Diese Ausstattung ist noch nicht festgeschrieben, zeigt aber die Richtung an. Drei GByte Hauptspeicher und 32 GByte eMMC-Speicher sollen von einem microSD-Slot, zwei Kameras, 3,5-mm-Anschlüssen für Mikrofon und Kopfhörer, WLAN, Bluetooth 4 und USB über USB Typ C komplettiert werden.
GNOME Mobile oder KDE Plasma Mobile?
Während die Hardware lediglich zusammengestellt und angepasst werden muss, fehlen dem geplanten Betriebssystem auf GNOME-Basis derzeit noch jegliche Grundlagen. Klar ist lediglich, dass zur verschlüsselten Kommunikation das Projekt Matrix eingebunden werden soll. Debian-Entwickler Matthias Klumpp, der derzeit für Purism an PureOS arbeitet, hatte das Smartphone-Projekt im August auf G+ vorgestellt und sowohl Plasma Mobile des KDE-Projekts als auch eine Neuentwicklung auf der Basis von GNOME zur Diskussion gestellt. Während bei Plasma Mobile das Grundgerüst bereits steht und das OS experimentell benutzbar ist, sieht Klumpp für ein GNOME-basiertes System einen Bedarf von rund zehn hochklassige GNOME-Entwickler, die von einigen GNOME-Design-Spezialisten unterstützt werden sollten, um in 1 – 2 Jahren GNOME Mobile zu entwickeln.
GNOME-Entwickler sind gefragt
Jetzt hat Klumpp auf der GNOME-Entwicklerliste einen weiteren Diskussionsfaden gestartet, um zu ergründen, wie GNOME-Entwickler und die Community zu diesem Projekt stehen. Die Idee wurde schnell von den Entwicklern Alberto Ruiz von Red Hat, Sriram Ramkrishna von der GNOME-Foundation und Emmanuelle Bassi von Endless OS aufgegriffen und in strukturierte Bahnen gelenkt. Zunächst gilt es abzuklopfen wie, ausreichend Interesse vorausgesetzt, eine Infrastruktur für solch ein Projekt aussehen müsste und ob das Projekt öffentlich im GNOME-Wiki oder in-House bei Purism beheimatet sein soll. Grundlage ist aber zunächst eine Kommunikationsplattform, auf der dann technische Grundlagen diskutiert werden können.
Es wird spannend sein, die Ergebnisse dieser Diskussion zu verfolgen und zu sehen, ob sich Purism und GNOME der Aufgabe stellen, ein neues mobiles Betriebssystem zu entwickeln oder ob Purism sich doch lieber bei Plasma Mobile einbringt.