Schlagwort: Bundestagswahl

  • Open Source in den Wahlprogrammen

    Eine Analyse hat einen Blick in die Wahlprogramme rund um die Digitalisierung geworfen

    Allzu lange dauert es nicht mehr bis zur Bundestagswahl. Keine zwei Wochen mehr haben noch all jene, die nicht schon per Briefwahl gewählt haben, sich zu entscheiden. Auch über die Digitalisierung wird gestritten – sollte man meinen. Aber viel mehr als Buzzwords auf Wahlplakaten konnte man kaum entdecken. Aktuelle Sonntagsfragen scheinen wichtiger zu sein und auch im ersten »Triell« wurde keine Frage zur Digitalisierung gestellt.

    Das soll hier auf Linuxnews nachgeholt werden. Dafür wurden zunächst alle großen Parteien angefragt, uns ein Interview rund um das Thema Digitalpolitik zu vermitteln. Herausgekommen sind schließlich zwei Interviews mit zwei jungen Gesichtern: Tim Klüssendorf von der SPD und Dennis Pucher von der FDP stellten sich unseren Fragen. Es ist schade, dass die anderen Parteien sich entweder nicht adäquat oder gar nicht meldeten.

    Analyse der Stiftung Neue Verantwortung

    Dafür soll nun ein Blick in eine Analyse der Wahlprogramme geworfen werden. Diese wurde im August von der Stiftung Neue Verantwortung veröffentlicht. Als Kernthemen in der Digitalpolitik dienen dabei die Verwaltungsdigitalisierung und die Breitbandinfrastruktur. Die Autoren haben aus den jeweils letzten beiden Wahlprogrammen der Parteien die digitalpolitschen Versprechen diesen Themen zugeordnet und dann nach auch deren Relevanz analysiert: Taucht das Thema gar nicht auf, wird lediglich in wenigen Sätzen auf das Thema eingegangen, umfangreich oder gar konkrete Umsetzungsmaßnahmen skizziert?

    Dieser Methodik muss sich der Leser natürlich bewusst sein. Wahlprogramme zu lesen ist oftmals eine unbefriedigende Angelegenheit. Vieles wird meist ohnehin vage gehalten, damit das Programm noch lesbar bleibt, was am Ende Koalitionsverhandlungen (so man überhaupt regieren möchte) übersteht und dann auch noch umgesetzt wird, kann keiner absehen.

    Alle wollen Open Source

    Zumindest erfreulich ist es, dass alle Parteien das Thema »Open Source« für sich entdecken konnten. 2017 spielte das nur in den Papieren von SPD, Linkspartei und den Grünen eine Rolle, nun ziehen CDU und FDP sogar mit hoher Relevanz nach und selbst die AfD, der die Autoren sonst bescheinigen, dass »sich schlicht zu wenig Substanz zu den von uns untersuchten Themen [findet]«, spricht sich für mehr freie Software aus.

    Diese Übereinstimmung in den Zielen ist im Übrigen nicht nur bei dem Thema »Open Source« so, sondern wird von den Autoren über nahezu alle Themen hinweg betrachtet. Allerdings bleiben die Formulierungen vage und konkrete Ziele fehlen zumeist. Ähnliches haben ja bereits einige Leser unter den Interviews festgestellt. Letztlich muss man konstatieren: Hilfreich für die Wahlentscheidung wird das, was in den Wahlprogrammen steht, kaum sein, wenn es um Digitalisierung und »Open Source Software, Open Standards« geht.

    Und so fürchtet auch die Stiftung Neue Verantwortung, dass es trotz des parteiübergreifenden Konsens wieder mal bei der Umsetzung haken wird. Deswegen hat sie vor kurzem noch einen »Aufruf an alle Parteien und politischen Entscheidungsträger:innen« zu den zentralen Fragestellungen der Digitalpolitik verfasst.

    Hess J, Heumann S. Das Fundament erfolgreicher Digitalpolitik. Stiftung Neue Verantwortung. 2021. Verfügbar unter: https://www.stiftung-nv.de/sites/default/files/snv_fundament-der-digitalpolitik.pdf (CC BY-SA 4.0)

  • Interview mit Dennis Pucher, FDP, Kandidat für den Bundestag

    Da soll es hingehen. Aber welche Rolle spielt freie Software? Photo by Fionn Große on Unsplash

    Die Briefwahl für die Bundestagswahl hat begonnen. Ein nicht ganz unwichtiges Thema stellt dieses Jahr die Digitalisierung dar. Nach unserem ersten Interview freuen wir uns mit Dennis Pucher von der FDP einen zweiten Kandidaten, der frisch und mit Ideen zu dem Thema Digitalisierung in den Bundestag möchte, für ein Interview zu gewinnen.

    Dennis Pucher, stelle Dich gerne einmal kurz vor.

    Mein Name ist Dennis Pucher, bin 41 Jahre alt, verheiratet und wohnhaft im wunderschönen Lich im Herzen von Mittelhessen, wo ich als FDP-Spitzenkandidat zur bevorstehenden Bundestagswahl antrete. Von Beruf bin ich seit mittlerweile über 10 Jahren unternehmerisch in den Bereichen Digitalisierung und Fördermittel tätig. Im Rahmen meiner Arbeit begleite ich tagtäglich Unternehmen, aber auch Kommunen, Landkreise und Ministerien rund um das Thema Digitalisierung, mit einem Schwerpunkt auf digitalen Infrastrukturen.

    Eines Deiner zentralen politischen und auch beruflichen Themen ist die Digitalisierung, was heißt das für Dich?

    Eine ganze Menge: Arbeits- und Lebensweisen werden neu gedacht, Prozesse verändern sich, Strukturen werden angepasst und die Wege, wie wir kommunizieren, uns kennenlernen oder auch informieren werden revolutioniert. Es gibt praktisch keinen Bereich, der nicht durch die Digitalisierung berührt wird. Kurzum: Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch über kurz oder lang digitalisiert. Das alles erfolgt in atemberaubender Geschwindigkeit und wir müssen aufpassen, nicht den Anschluss, aber auch nicht die Kontrolle zu verlieren. Entscheidend ist dabei, dass wir ein breites Verständnis für die digitale Revolution als eine der größten Chancen und Herausforderungen unserer Zeit wecken. Und da muss die Politik ran! Wir brauchen mehr Verständnis, mehr Koordination, mehr Expertise, mehr Impulse und mehr Tempo.

    Dabei müssen wir uns aber auch immer wieder in Erinnerung rufen, dass die Technik dem Menschen dient und nicht umgekehrt. Wir brauchen Kontrollinstanzen, die auf die Wahrung der unverhandelbaren und grundlegenden Bürgerrechte achten. Ebenso bin ich sicher, dass wir in naher Zukunft auch eine breite gesellschaftliche Debatte über die ethisch-moralischen Grenzen der Digitalisierung, beispielsweise in der Pflege, führen werden.

    Was haben die Freien Demokraten zu den Themen freie Software und digitale Souveränität im Programm?

    Digitale Souveränität ist ein sehr komplexer Begriff und berührt eine Vielzahl an Themen aus dem digitalen Spektrum, die sowohl für Einzelpersonen, aber auch den Staat als Ganzes von Relevanz sind – gerade in puncto der Gewährleistung von Sicherheit im Netz. Die Handlungsfelder sind dabei recht eindeutig: Neben der generellen Awareness und dem Kompetenzgewinn brauchen wir Technik- und Datensouveränität, ergänzt durch geeignete staatliche Rahmenbedingungen. Hier ist die Politik in der Pflicht.

    Fakt ist, dass Deutsche und Europäer in ihrer täglichen Digitalroutine in der Mehrzahl Produkte asiatischer oder nordamerikanischer Anbieter nutzen. Dort werden unsere Standards an Persönlichkeitsrechten, Selbstbestimmung und Datensicherheit häufig wenig bis gar nicht geachtet. Wir haben es noch nicht geschafft, eine überzeugende europäische Antwort zu liefern. Wenn wir Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte in einer zunehmend digitalisierten Welt verteidigen wollen, müssen wir uns eben bewusst machen, dass nicht alle Länder unsere Werte teilen. Im Gegenteil: Manche Technologie wurde sogar bewusst mit dem Ziel entwickelt, die eigene Bevölkerung zu überwachen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir dieser Technologie vertrauen können und dadurch diese Systeme unterstützen wollen oder ob wir nicht besser in eigene Konzepte und Lösungen investieren. Beispielsweise hätte Gaia-X durchaus das Potential, eine universelle europäische Dienste-Plattform werden zu können. Unter anderem deshalb fordern wir in unserem Programm auch eine konsistente Cybersicherheitsstrategie, die das Recht auf Verschlüsselung beinhaltet und die Einführung des „Deutschlandportals“ als einheitlich geregelte Plattform, die den Menschen Einblick in alle sie betreffenden, personenbezogenen Daten gewährt. Über einen externen Kontroll-Server werden alle Zugriffe auf die Daten geloggt und jeder Zugriff einer Behörde löst eine Benachrichtigung aus. Die Bürgerinnen und Bürger haben auf Nachfrage ein Recht, den Grund für den Datenzugriff zu erfahren.

    Hier kommt auch Open Source Software in Spiel. Häufig scheiden sich an ihr die Geister. Die Befürworter sehen ein Mehr an Sicherheit durch Schwarmintelligenz, die Gegner ein weniger an Sicherheit durch Transparenz. Vorweg sei gesagt: Sowohl Open Source als auch Closed Source Software haben ihre Berechtigung. Es ist immer eine Frage, welche Lösung für welchen Zweck gesucht wird und ob ausreichend Vertrauen in die Software vorhanden ist. Dazu müssen beispielsweise die Schwachstellen identifiziert werden, die Datenströme analysiert, die Komponenten bekannt und auf dem neuesten Stand sein.

    Gerade in der öffentlichen Verwaltung arbeiten jedoch enorm viele Nutzerinnen und Nutzer mit einer Vielzahl unterschiedlicher Software. Häufig werden sogar individuell entwickelte Programme eingesetzt, um die einzelnen Prozesse möglichst passgenau abzubilden. Es kommt dabei nicht selten vor, dass Steuergeld mehrfach für die Lösung einer identischen Aufgabe eingesetzt wird. Schlicht aus Unkenntnis einer bereits bestehenden Solution an anderer Stelle. Auf Länderebene fordern wir daher schon länger, dass Software, die in öffentlichem Auftrag entwickelt wird, auch als Open Source bereitgestellt sowie unter entsprechenden Lizenzen veröffentlicht werden. Wir wollen schrittweise den Einsatz von Open Source Software zum Regelfall machen und deren Einsatz in jedem entsprechenden Vergabeverfahren geprüft wissen.

    Bist Du der Meinung, dass digitale Souveränität auch mit proprietärer Software möglich ist?

    Digitale Souveränität ist ja ein strategisches Ziel, während die Art der eingesetzten Software eher ein – wenn auch wesentliches – Modul der Umsetzung darstellt. Beispielsweise zeigt der Blick auf die in öffentlichen Verwaltungen eingesetzten Arten von proprietärer Software, dass dort eine Abhängigkeit von einzelnen Anbietern bereits heute deutlich erkennbar ist. Das ist nicht nur auch aus Sicherheitsaspekten heraus problematisch. Der Einsatz von Open Source kann hier deutliche Abhilfe schaffen. Völlig verbannen wird sich Closed Source allerdings nicht lassen.

    Entscheidend für eine umfassende digitale Souveränität ist aus meiner Sicht eher, dass das Bewusstsein für die eingesetzte Lösung vorhanden ist. Ich kann mich auch ganz gezielt in eine Abhängigkeit begeben, wenn ich mir denn dessen bewusst bin und in der Risikoabwägung positiv beschieden habe. Grundsätzlich werden wir jedoch ein Mehr an freier Software und Community brauchen, um einen Schritt zu mehr Souveränität zu gehen.

    Wie planen Sie nach der Bundestagswahl diese Punkte umzusetzen? 

    Machen wir uns nichts vor: Das sind dicke Bretter und ein riesiges Betätigungsfeld. Daher fordern wir als Kernelement unserer Umsetzungsstrategie ein Ministerium für digitale Transformation. Um Synergieeffekte zu nutzen und eine schlankere und effizientere Regierung zu gestalten, wollen wir Kompetenzen in einem Ministerium bündeln und es eng mit den anderen Regierungsressorts verknüpfen. Hier spielt auch der IT-Planungsrat eine wichtige Rolle. Nur ein Beispiel: Für den verstärkten Einsatz von Open Source müssen Vergabevorschriften angepasst und Expertise aufgebaut werden. Wir brauchen kompetente Ansprechpartner für die Verwaltungen, die die Chancen und Risiken einer Software-Lösung auch tatsächlich beurteilen können. In den Leistungsbeschreibungen zur Vergabe eines Auftrags wollen wir weg vom reinen Preiswettbewerb und ein stärkeres Gewicht auf Kriterien wie Effizienz und Qualität legen.

    Du bist schon länger kommunalpolitisch aktiv. Stand da freie Software schon mal auf der Tagesordnung?

    Ehrlicherweise so gut wie gar nicht. Ich lebe in Hessen und bin seit 2012 Kreistagsabgeordneter und seit sechs Jahren Stadtverordneter. Einzelne Beschaffungsvorgänge sind in der Regel keine Angelegenheit des Parlaments, sondern werden entweder unmittelbar durch die Verwaltung oder durch die leitenden Verwaltungsorgane: Kreisausschuss, Magistrat oder Gemeindevorstand bearbeitet. Das Parlament gibt üblicherweise finanzielle Ressourcen frei, auf deren Grundlage die Verwaltungsleitung mit der Umsetzung effizienter und digitaler Maßnahmen beauftragt wird. Die Gemeinde- bzw. Landkreisordnung ist da in den verschiedenen Bundesländern durchaus mit deutlichen Unterschieden ausgestaltet. Hinzu kommt, dass die hessischen Kommunen häufig auf das Angebot des kommunalen IT-Dienstleistungsunternehmens ekom21 zurückgreifen, vielfach sogar mit durchaus brauchbaren Open Source Anwendungen und -Ansätzen.

    Wir bedanken uns bei Dennis Pucher für das Interview.

  • Interview: Tim Klüssendorf, Bundestagskandidat, über Digitalisierung und freie Software

    Da soll es hingehen. Aber welche Rolle spielt freie Software? Photo by Fionn Große on Unsplash

    Politik gehört nicht zu den Kernthemen dieses Blogs. Und trotzdem spielt die Digitalpolitik auf linuxnews.de gelegentlich mal eine Rolle und es wird über Positives wie Negatives berichtet. Das soll auch für die anstehende Bundestagswahl gelten. Deswegen freue ich mich, als Auftakt einen ersten Kandidaten für die Bundestagswahl für ein Interview gewonnen zu haben.

    Tim Klüssendorf, stelle dich gerne einmal kurz vor.

    Mein Name ist Tim Klüssendorf, ich bin gerade 30 Jahre alt geworden und komme aus der Hansestadt Lübeck. Nachdem ich an der Universität Hamburg Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre studiert und mit dem Master abgeschlossen habe, bin ich von der ehrenamtlichen Kommunalpolitik in der Lübecker Bürgerschaft in die hauptamtliche Verwaltung ins Rathaus gewechselt und nun seit knapp 3,5 Jahren die rechte Hand des Lübecker Bürgermeisters. Mit vielen kommunalpolitischen Erfahrungen im Gepäck und viel Engagement und Zuversicht kandidiere ich jetzt für die SPD in Lübeck als Direktkandidat zur Bundestagswahl im September.

    Zu deinen politischen Schwerpunkten zählt die Digitalisierung. Was heißt das für dich?

    Grundsätzlich bedeutet Digitalisierung für mich erstmal – vielleicht etwas nüchtern formuliert – der grundlegende Wandel von physischen bzw. analogen Informationen, Tätigkeiten, Prozessen und Strukturen in virtuelle bzw. digitale Daten und Systeme. Dahinter steht aber, etwas deutlicher gesagt, nicht weniger als der fundamentale Wandel unserer gesamten Gesellschaft in nahezu allen Lebensbereichen: wie wir leben, wie wir arbeiten, wie wir miteinander kommunizieren, wie wir uns informieren oder wie wir uns fortbewegen. Und wir stecken mittendrin in dieser digitalen Transformation, die all das umfasst. Wenn sich solch elementare Veränderungen vollziehen, müssen diese von einer demokratischen Gesellschaft diskutiert und aktiv gestaltet werden. Denn im Mittelpunkt all dieser Entwicklungen müssen immer die Interessen und Rechte der Menschen stehen.

    Welche Rolle spielt bei deiner Arbeit im Lübecker Rathaus die Digitalisierung?

    Die Digitalisierung betrifft alle Menschen und Organisationen in der Kommune, ob städtische Bedienstete oder Bürger:innen, das Ehrenamt oder Unternehmen. In der täglichen Arbeit stelle ich immer wieder fest, dass wir noch erhebliche Herausforderungen im Rahmen unserer Zuständigkeiten zu bewältigen haben. Beispielsweise stoßen wir allein schon innerhalb der Stadtverwaltung immer wieder auf Prozesse, die heute teilweise ganz umständlich ablaufen und bei denen digitale Möglichkeiten entweder nur stückweise oder noch gar nicht genutzt werden. Aus diesem Grund wollen wir in der Hansestadt Lübeck Prozesse ganzheitlich neu denken, das heißt konkret: vom Eingang eines Antrages bis zum finalen Bescheid. Hier packen wir aktuell mit viel Engagement an und beziehen auf dem Weg zu den notwendigen Veränderungen eine Vielzahl von Beteiligten wie zum Beispiel die städtischen Beteiligungsgesellschaften oder die Landesbehörden mit ein.

    In diesem Zusammenhang ist auch das Onlinezugangsgesetz (OZG) anzusprechen, welches Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. Leider ist dieses Gesetz für uns in den Kommunen nicht immer so leicht umzusetzen, denn teilweise wird versucht, einen bisher analogen Prozess einfach 1 zu 1 in einen digitalen Prozess zu übersetzen. So funktioniert Digitalisierung aus meiner Sicht aber nicht. Es kann nicht das Ziel sein, dass alles getan wird, um nach außen zwar modern zu wirken, sich aber intern wenig verändert oder sogar noch zusätzliche Tätigkeiten anfallen. Wir wollen Prozesse und Strukturen neu denken, um die zu erledigenden Aufgaben intern besser und schneller abarbeiten zu können und den Bürger:innen den besten Service zu bieten.

    Ein letzter Punkt, welcher mich besonders begeistert, ist der gesamte Smart City Bereich mit vielen Ideen und Initiativen zu intelligenter Stadtentwicklung. Ob Füllstandsensorik in den Mülltonnen, smarte Parklenkung oder die sensorgestützte Untersuchung von Brückenbauwerken – der Kreativität für digitale Lösungen mithilfe von LoRaWAN und einer intelligent vernetzten Stadt sind kaum Grenzen gesetzt. Die Chancen sind groß: die Einsparung von Ressourcen, die Bewältigung der Mobilitätswende und die Erhöhung der Aufenthaltsqualität in unseren Städten sind nur einige Beispiele dafür. Und auch hier gilt es unbedingt den Nutzen der Menschen zu fokussieren und insbesondere datenschutzrechtliche Belange jederzeit streng zu berücksichtigen.

    Grundlage aller Vorhaben ist außerdem eine funktionierende digitale Infrastruktur mit flächendeckendem Glasfaserausbau. Ein Zustand, von dem wir in Deutschland leider noch meilenweit entfernt sind und ein dringender Auftrag an die Politik, hier mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für einen schnellen Ausbau zu sorgen. Auch dafür will ich mich einsetzen.

    Spielt freie Software auf kommunaler Ebene überhaupt eine große Rolle?

    Freie Software ist ohne jeden Zweifel ein wichtiger Bestandteil der Software-Landschaft. Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist der Einsatz auf kommunaler Ebene jedoch mit Schwierigkeiten verbunden. Die bayrische Landeshauptstadt München versucht zum Beispiel seit knapp 20 Jahren grundsätzlich auf Open-Source-Software umzusteigen und ist dabei bisher leider nicht erfolgreich gewesen. Für die Hansestadt Lübeck sind bei der Anschaffung von Softwaren stets die Benutzerfreundlichkeit, sowie die Stabilität und Zuverlässigkeit jene wesentlichen Faktoren, welche nach Einschätzung unserer IT-Expert:innen verfügbare Open-Source-Software leider nicht immer bieten. Persönlich glaube ich keinesfalls, dass freie Software qualitativ schlechter ist als proprietäre Software. Ein großes Problem an freier Software ist jedoch, dass sie oft nicht benutzerfreundlich genug gestaltet ist und erhebliches technisches Vorwissen zur Anwendung benötigt wird. Im Gegensatz zu proprietärer Software ist man bei Open-Source-Projekten darüber hinaus meist auf eine funktionierende Community angewiesen. Löst sich diese Community auf, weil sich führende Entwickler:innen für andere Projekte interessieren, kann beispielsweise die Entwicklung dringend benötigter Sicherheitspatches mitunter vernachlässigt oder verlangsamt werden. Trotz dieser Herausforderungen ist es uns aber wichtig, dass bei der Softwareauswahl immer geprüft wird, ob freie Software eingesetzt werden kann.

    Welche Angebote macht deine Partei, was das Thema digitale Souveränität und freie Software anbelangt?

    Wir stehen für die digitale Souveränität von Bürger:innen und Verbraucher:innen ein. Wo globale Plattformkonzerne zu Monopolisten werden, bedrohen sie digitale Vielfalt und neigen dazu, nationalstaatliche Regeln zu umgehen. Es muss daher dringend Alternativen zu den großen Plattformen geben – mit echten Chancen für lokale Anbieter. Nutzerdaten müssen geschützt sein und die Nutzer:innen müssen darüber bestimmen können, was mit ihren Daten geschieht.

    Weiterhin soll jede:r Bürger:in ohne Zusatzkosten und Extrageräte die Möglichkeit haben, Leistungen des Staates freiwillig und datenschutzkonform mit einer digitalen Identität zu nutzen. Wer Anspruch auf eine Leistung hat, muss diese – wenn möglich – automatisch, ohne Antrag erhalten oder in einfacher Form ‘mit einem Klick’ beantragen können. Wir haben oben bereits darüber gesprochen, welche Herausforderungen dabei in der Praxis entstehen, aber das Ziel muss klar und ambitioniert sein und mutig verfolgt werden. Bürger:innen sollen perspektivisch, nach dem Modell einer digitalen Life-Chain, Berechtigungen selbst vergeben und auch wieder löschen können und somit kontrollieren, wer wann auf ihre Daten zugreift.

    Im SPD-Zukunftsprogramm zur anstehenden Bundestagswahl ist uns außerdem besonders wichtig, dass öffentlich finanzierte Software grundsätzlich und überall wo möglich als Open-Source transparent entwickelt und öffentlich zugänglich gemacht wird. So verlässt die Öffentlichkeit die isolierte Rolle als Kunde von Software-Lösungen und trägt selbst zur Entwicklung freier Software maßgeblich bei.

    Ein weiterer thematischer Schwerpunkt von dir ist die Wirtschaft. Wie lässt sich das in deinen Augen mit freier Software vereinen?

    Da aus meiner Sicht nicht wirklich zur Diskussion stehen kann, dass die zurzeit parallele Existenz von freier und proprietärer Software auch in Zukunft weiterhin gegeben sein wird, lässt sich hier aus wirtschaftspolitischer Perspektive kein zwingender Gegensatz ausmachen. Vielmehr profitieren aus meiner Sicht sogar beide Systeme voneinander, da der bestehende Wettbewerb nicht nur ganz allgemein Innovationen fördert, sondern auch mit den jeweils eigenen Stärken nachwachsende Entwickler:innen anzieht, die sich an der Softwareentwicklung auf die ein oder andere Weise beteiligen. Eine wichtige Feststellung ist in diesem Zusammenhang, dass auch freie Software kommerziell sein kann und von Unternehmen angeboten wird, welche wiederum eine wirtschaftliche Bedeutung für den Standort entfalten und gute Arbeitsplätze schaffen. Zu guter Letzt geht es aber auch um die Kunden, die sich ja entweder für freie oder proprietäre Software entscheiden – in jedem Fall aber von guten Softwarelösungen wirtschaftlich profitieren und unser Land nach vorne bringen.

    Und wie wirst du an der Umsetzung daran arbeiten?

    Je nachdem, in welchem Ausschuss ich im Falle eines Einzuges in den Deutschen Bundestag mitarbeiten darf, werde ich die vielen angesprochenen Themen und Herausforderungen von der Modernisierung der Verwaltung und der Digitalisierung von öffentlichen Leistungen über die Entwicklung von IoT-Projekten im Rahmen der Smart City-Initiativen bis hin zur überfälligen Schaffung einer funktionierenden und zukunftsfähigen digitalen Infrastruktur politisch vorantreiben und Veränderungsprozesse gemeinsam mit den Menschen, Organisationen und Institutionen in meinem Wahlkreis aktiv begleiten. Digitale Politik geht uns alle an und muss von uns allen mitgestaltet werden – dafür will ich mich einsetzen.

    Wir bedanken uns bei Tim Klüssendorf für das Interview.