Qt und KDE am Scheideweg?

Qt-Logo |Lizenz: Public Domain

Gestern hat The Qt Company, die an der Börse als Qt Group notiert ist, ihre Roadmap für das Qt-Framework 2020 bekannt gegeben. Dort gibt die Tochtergesellschaft von Digia ihre Pläne einschließlich der Einführung von Qt 6 bekannt. Was dort nicht steht ist, dass sich The Qt Company in letzter Zeit zunehmend von KDE und seiner Community distanziert.

Schrittweise Distanzierung

Bereits im Januar gab The Qt Company erste Einschränkungen des mehrfach lizenzierten Frameworks bekannt. Demnach sind ab Qt 5.15 langfristig unterstützte Versionen (LTS) und das Offline-Installationsprogramm von Qt nur noch für kommerzielle Lizenznehmer verfügbar. Zudem benötigen jetzt auch Open-Source-Anwender einen Qt-Account, um Qt-Binärpakete herunterladen zu können. Quellpakete sind weiterhin auch ohne Qt-Account zugänglich.

Generell gutes Verhältnis

In einer neuen Ankündigung wird die Distanzierung von KDE und anderen freien Gemeinschaften, die Qt einsetzen noch deutlicher. Das geht aus einem Eintrag auf der Mailingliste von KDE-Entwickler Olaf Schmidt-Wischhöfer hervor. Darin beschreibt er das Verhältnis von Qt Company, dem freien Qt-Project und der KDE Free Qt Foundation als über die Jahre durchaus fruchtbar und zum Vorteil aller Beteiligter.

Diese für alle positive Ausgangssituation sei jedoch durch die Einschränkungen vom Januar gefährdet. Auf einem persönlichen Treffen im März sei dann aber das Grundgerüst für eine weitere Zusammenarbeit gelegt worden.

Corona als Vorwand?

Dem widersprechen die neuesten Informationen, nach denen KDE e. V. und KDE Free QT Foundation informiert wurden, The Qt Company sehe sich angesichts der Corona-Krise gezwungen, kurzfristig mehr Umsatz zu generieren und deshalb künftig alle Qt-Veröffentlichungen für 12 Monate nur kommerziellen Lizenznehmern zugänglich zu machen.

Strategien für den Ernstfall

Auch wenn diese Ankündigung noch nicht festgeklopft ist, sieht sich die KDE-Community veranlasst, Strategien zu entwickeln, falls Qt Company dies durchsetzt. Einen Mittelweg scheint es hier nicht zu geben, ein Fork scheint in diesem Fall unabwendbar, die Entwicklung von KDE auf der Basis von Qt zu schützen.

KDAB bietet wichtige Unterstützung

Alle Beteiligten sind sich der Tragweite einer solchen Entscheidung angesichts der Komplexität des Qt-Frameworks bewusst. Die KDE-Gemeinschaft wird bei diesem Unterfangen von dem einflussreichen Qt-Consulting-Unternehmen KDAB unterstützt, dessen Berliner Statthalter sich dahin gehend auf der Mailingliste äußerte.

Viele Projekte betroffen

Neben KDE gibt es viele weitere Projekte, die auf dem freien Software-Repository von Qt basieren und durch diese Entscheidung, wenn sie sich manifestiert, in ihrer Entwicklung beschnitten werden. Zu nennen sind hier VLC, Spotify, VirtualBox, Kolab, Mathematica, Mumble, Skype, TeamSpeak, Google Earth, Telegram und andere.

Eine lange Geschichte

KDE und Qt verbindet eine lange Geschichte, die anfangs dazu führte, dass GNOME die Oberhand bei den Desktop-Umgebungen für sich beanspruchen konnte. Mit der Veröffentlichung von KDE 1.0 im Jahr 1998 kam nämlich Kritik an der Verwendung des damals unfreien Qt-Frameworks als der Basis von KDE auf.

Qt-Entwickler Trolltech reagierte und stellte Qt in einer speziellen, freieren Version unter der QPL-Lizenz zur Verfügung. Da hatte GNOME aber bereits einen Vorsprung und wurde im frisch gegründeten Unternehmen Red Hat zum Standard-Desktop. Jahre später wurde Qt dann der GPL unterstellt.

Von Trolltech zu Nokia zu Digia

Durch die Nutzung von Qt als Basis für KDE-Software bildeten sich schnell engere Beziehungen zur mittlerweile von Nokia übernommenen Firma Trolltech. Im Juni 1998 gründeten KDE e. V. und Trolltech gemeinsam die KDE Free Qt Foundation, um den Fortbestand von Qt als freie Software sicherzustellen. Trolltech begann zudem damit, KDE-Entwickler einzustellen. Die Qt-Entwicklungsabteilung von Nokia wurde 2012 vom finnischen Software-Unternehmen Digia übernommen, die die Qt-Entwicklung dann 2016 in die Tochtergesellschaft The Qt Company auslagerte.

Abschließend bleibt zu sagen, dass, auch wenn diese Maßnahmen im Endeffekt nicht Realität werden, ist schon durch die Ankündigung klar, dass The Qt Company das KDE-Projekt als größten Nutzer des freien Qt-Frameworks nicht wertschätzt und glaubt, auf die Qt-Community verzichten zu können. Der Schaden ist entstanden und beabsichtigt.

Update: Mittlerweile gibt es ein knappes Dementi.

Kommentare

7 Antworten zu „Qt und KDE am Scheideweg?“

  1. Avatar von Bodiro
    Bodiro

    War ein solches Verhalten nicht schon immer der Anfang vom Ende solcher Firmen?

    1. Avatar von Ferdinand

      Vielleicht will Digia Qt auch loswerden und will es für einen Verkauf besser positionieren. Ansonsten sehe ich das nur als ein Schuss in’s eigene Knie.

  2. Avatar von krutor
    krutor

    Was ich alles nicht weiß. Das Qt gar nicht klassisches Opensource ist (wobei bei GPL ist es das doch?). Die ganzen strukuren hinter Linux sind schon interessant. Danke mal wieder für den Artikel.

    1. Avatar von Ferdinand

      Qt ist kommerziell gestartet, wurde dann zunächst mit der von Trolltech erstellten QPL-Lizenz versehen, um später unter GPL und LGPL gestellt zu werden. Siehe auch https://www.qt.io/licensing/

  3. Avatar von Beobachter

    Lohnt es sich jetzt noch Zeit zu investieren um Qt zu lernen?

    1. Avatar von Ferdinand

      Auf jeden Fall, denn Qt wird ja nicht verschwinden.

  4. Avatar von tuxnix
    tuxnix

    Denke auch, das hat irgend so ein Banker oder BWL’er seine Hände im Spiel. Kompetenzen outsourcen, Firmen kreieren, Markwert steigern. Anteile verscherbeln. Provisionen kassieren.
    Mit Sachkompetenz hat so etwas meist wenig zu tun.

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