Mozillas Sprachforschung vor dem Ende?

Mozilla Berlin
Dunkle Wolken über Mozillas Berliner Bürogebäude | Quelle: Mozilla Blog

Vor zwei Wochen kündigte Mozilla die Entlassung von rund 250 Mitarbeitern und eine umfassende Umstrukturierung des Unternehmens an. Zurzeit ist noch unklar, welche Teile der vielfältigen Projekte der Stiftung davon betroffen sein werden.

Neue Einnahmequellen

Von vornherein war klar, dass Firefox im Gegenteil davon profitieren soll. Schließlich bringt der Browser über die Suchmaschinen über 90 Prozent der Einnahmen in die Kasse. Da dies aber bei schwindendem Marktanteil auf Dauer keine zuverlässige Einnahmequelle ist, soll der weitere Abstieg des Browsers aufgehalten und umgekehrt werden. Gleichzeitig sollen alternative Einnahmequellen erweitert und neue gefunden werden. Der Später-Lesen Dienst Pocket soll mehr Einnahmen generieren, hinzu kommt das gerade erst gestartete Mozilla VPN.

Da dies mit weniger Angestellten realisiert werden soll, müssen einige Bereiche zurückstecken oder werden gänzlich verschwinden. So wurde das Büro von Mozilla in Taipeh komplett geschlossen. Schnell war auch klar, dass die bei Mozilla vorangetriebene Programmiersprache Rust nicht darunter leiden soll. Allerdings will das Projekt zur Absicherung die Gründung einer eigenen Stiftung nun beschleunigt vorantreiben. Auch der mittlerweile fast gänzlich abgenabelte E-Mail-Client Thunderbird scheint nicht betroffen.

Sprachforschung gefährdet

Stark gefährdet ist derzeit aber die Sparte der Sprachforschung mit ihren Teilbereichen DeepSpeech, Common Voice und Mozilla TTS und dem in Entwicklung befindlichen Firefox Voice. Kelly David, der Entwickler, der als Manager der Machine Learning Group bei Mozilla in Berlin diese Projekte leitete, verlässt wegen einer erwarteten starken Einschränkung dieses Bereichs das Unternehmen.

Einzige freie Lösung

Damit ist der Versuch, den proprietären Lösungen zur Spracherkennung eine Open-Source-Alternative entgegenzusetzen, stark gefährdet. Deep Speech steht kurz vor einer stabilen Version 1.0 und nun ist unklar, ob diese im Projektrahmen veröffentlicht werden wird. Noch hat Mozilla keine offizielle Stellungnahme zur Zukunft der wichtigen Sprachprojekte abgegeben.

Richtige Entscheidung?

Sollte es zur Einstellung der Entwicklung in diesem Bereich kommen, so stellt sich die Frage, ob es trotzt der Notwendigkeit, neue Einnahmequellen zu generieren, richtig ist, solche Projekte, die kein freies Pendant haben, einzustellen und andererseits Projekte wie Mozilla VPN zu forcieren, die es ähnlich bereits ausreichend gibt.

Kommentare

13 Antworten zu „Mozillas Sprachforschung vor dem Ende?“

  1. Avatar von anonym
    anonym

    Das im Zweifelsfall einzustellen, halte ich schon für richtig. Auch wenn der Google-Suchmaschinen-Deal vorläufig verlängert wurde, muss Mozialla in erster Linie die (langfristig Google-unabhängige) Finanzierung des Unternehmens und damit auch die Entwicklung von Firefox sicherstellen. Alles andere ist sekundär.
    Dass das dann zum Verlusst solcher Projekte führt, ist schade, womöglich aber unvermeidlich. Der VPN-Dienst soll dagegen letztendlich Geld erwirtschaften und wenn er das tut, muss man ihn erhalten, und dann frisst er auch keine Ressourcen.

  2. Avatar von tux.

    „Weggang“.

  3. Avatar von tuxnix
    tuxnix

    Noch vor 8 Jahren war der FF der Browser mit dem grössten Marktanteil. Leider hat man sich gegen Chrom auf der mobilen Plattform nicht so positioniert wie man es früher beim IE auf dem Desktop getan hat. Ganz im Gegenteil. Anstatt Google zu verklagen um zu erreichen, dass alternative Browser zur Installation auf Android bei der Erst-Einrichtung angeboten werden, hat man fast komplett darauf verzichtet mobil präsent zu sein. (Das geht ja auch schlecht, wenn man hauptsächlich von Google alimentiert wird.)
    Mit Pocket schadet man dann noch zusätzlich seinem Ruf als unabhängiger und transparenter Browser, da niemand so recht klar ist, was Pocket denn macht und mit wem (Burda?) hier Geschäfte generiert werden.
    Mozilla benötigt unabhängige Einnahmen. Dagegen spricht auch gar nichts, solange diese Dienste nicht automatisch im Browser inkludiert werden.
    Besser als einen eigenen VPN Dienst zu schaffen, wäre es, wenn Mozilla lediglich als unabhängiger Mittler zwischen User und den jeweiligen Dienstanbietern auftreten würde. Das wäre eine gute Position als unabhängiger Browser. Wieso lässt sich Mozilla nicht dafür bezahlen, Wächter für Sicherheit und Privacy zu sein?

    Insgesamt wird es aber sehr schwer werden unabhängig vom Internetmonopolisten Google finanzielle Mittel in der benötigten Höhe aufzutreiben. Die fetten Jahre scheinen leider vorbei zu sein. Ich drücke Mozilla alle Daumen, dass hier eine Neupositionierung gelingt.

    1. Avatar von Atalanttore
      Atalanttore

      In manchen Bereichen (z.B. Werbeblocker) wird Google Chrome von Google absichtlich in der Funktionalität gering gehalten. Hier könnte Mozilla punkten.

  4. Avatar von Atalanttore
    Atalanttore

    Schade wäre es schon, aber selbst nach Einstellung von Mozillas Sprachforschung würde der dabei entstandene Quellcode ja erhalten bleiben.

    Nichtsdestotrotz gibt es meiner Meinung nach unter Linux wichtigere Bereiche für die es gar kein Linux-Programm gibt. Beispielsweise die Anzeige von PDFs, die den PDF-Standard (Formulare, 3D-Inhalte, usw.) voll ausreizen.

    1. Avatar von Falk
      Falk

      Für PDF gibt es heute sogar schon Javascript-Bibliotheken. Selbst wenn da irgendwas fehlt, dann ist das zwar ärgerlich, aber bis auf einige wenige Formulare fehlt da wohl nichts.

      https://de.wikipedia.org/wiki/Portable_Document_Format#Normen_und_Standards
      und z.B.
      https://code.tutsplus.com/tutorials/how-to-create-a-pdf-viewer-in-javascript–cms-32505
      (übrigens danke an Mozilla)
      https://github.com/mozilla/pdf.js?utm_source=cdnjs&utm_medium=cdnjs_link&utm_campaign=cdnjs_library

      Spracheingabe ist aber eine Zukunftstechnologie, die man nicht nur Konzernen überlassen sollte, die das normalerweise intransparent auf ihren Servern verarbeiten. Das halte ich auch für viel wichtiger, als eine VPN-Infrastruktur, herausgegeben von Mozilla.

      Das Problem ist, dass das ein so zentrales Thema ist, was eigentlich nicht nur von Mozilla gestemmt werden sollte. Denk an Alexa, Siri, Google Voice und Hey Mercedes, aber auch an Raumschiff Enterprise. Möchtest du, dass nur Konzerne dazu in der Lage sind oder sollte es möglich sein, auch eine Spracherkennung konform zur DSGVO zu betreiben?

      Mozilla sind wohl nicht die einzigsten, die da was entwickeln. Es gibt wohl auch Konkurrenzsysteme. Auch gibt es einige Verlage, die dazu viel gemacht haben (z.B. Manning manning.com ). Die verwendeten Technologien sind mir allerdings unbekannt. Das heißt, welche Bibliotheken Manning verwendet oder ob das KNN direkt in Python programmiert wird. Spracherkennung und Sprachsynthese sind etwas, was eigentlich auch gut an Unis passt. Schade, wenn das bei Mozilla komplett eingestampft wird.

      1. Avatar von tuxnix
        tuxnix

        Da hast du unbezweifelbar recht. Mozilla könnte aber auch diesen Bereich in eine eigene Foundation ausgliedern und so breitere Unterstützung erhalten.

      2. Avatar von Atalanttore
        Atalanttore

        PDF.js scheitert bei mir schon an etwas umfangreicheren Formularen …

        Konntest du mit PDF.js ein PDF mit 3D-Inhalten anzeigen?

        1. Avatar von Falk
          Falk

          Du hast recht. Für PDF/E (also 3D) habe ich auch nichts gefunden.
          Beispiele gibts hier:
          https://tetra4d.com/pdf-samples/

          Lässt sich auch mit Open-Source-Tools erstellen. Aber anzeigen?

          Das habe ich weder mit Okular, noch mit Evince hinbekommen. Auch andere Tools beißen sich da die Zähne aus.

          Ganz ehrlich – bis gestern habe ich gar nicht gewusst, dass es so was gibt:
          https://www.youtube.com/watch?v=VRtWicrYthY

          Allerdings – das kann im Web praktisch niemand. Alle Browser haben inzwischen eigene PDF-Anzeigen. Eventuell genau weil Acrobat solches Zeugs kann und damit recht groß geworden ist? Aber du hast natürlich recht, wünschenswert wäre es, dass auch dieser standardisierte Teil von PDF implementiert wird (PDF/E). Und Formulare ebenso vollständig.

          Auch wenn ich nochmal betonen möchte – ich persönlich brauchte das bisher nicht. Echte Darstellungsfehler in normalen PDFs sind mir schon länger nicht mehr aufgefallen.

          1. Avatar von Atalanttore
            Atalanttore

            Wegen diesem Mangel an Software ist Linux in manchen Bereichen keine Alternative zu Windows.

  5. Avatar von Bigsby
    Bigsby

    Oh, das sind schlechte Neuigkeiten, denn eine OpenSource Sprachkiste wäre wünschenswert und nötig am Markt.

  6. Avatar von 0byte
    0byte

    Man sieht überall die Folgen der Weltwirtschaftskrise. Vielleicht wäre Opensource Geld die Rettung? 🙂

    1. Avatar von kamome
      kamome

      Ja (oder so ähnlich): gradido.net

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