Die IT- und Technik-Newsplattform iTWire veröffentlichte kürzlich ein Interview mit Linus Torvalds. bei dem es unter anderem um seine Nachfolge, die Auswirkungen von Corona, den Code of Conduct und um die bevorstehende US-Wahl geht.
Corona ohne Einfluss auf den Kernel
Auf die Frage nach Auswirkungen der Corona-Pandemie auf seine Arbeit verneinte Torvalds dies, da er seit 20 Jahren im Homeoffice arbeite und es von daher für ihn keine Umstellung bei der direkten Arbeit am Kernel gebe. Die Konferenzen, die er üblicherweise übers Jahr besuche, seien alle online abgehalten worden. Da er aber kein großer Fan dieses Formats sei, habe er sich wenig beteiligt. Darüber hinaus ist er mit drei Kindern natürlich genauso betroffen wie viele Menschen weltweit.
Natürliche Nachfolge
Interviewer Sam Varghese wollte angesichts der Tatsache, dass Torvalds das Alter von 50 überschritten habe wissen, ob ihn die Benennung eines Nachfolgers beschäftige oder ob er den Dingen seinen Lauf lasse. Torvalds bekennt sich zu Letzterem, da es derzeit ohnehin ziemlich klar sei, wer das sein werde. Ein Nachfolger sollte niemand sein, der gewählt oder ernannt wird, die Nachfolge sollte sich natürlich aus der Arbeit ergeben.
Einige jahrelange Wegbegleiter haben sich sowohl sein Vertrauen als auch das der Öffentlichkeit erarbeitet. Sie erledigen ihre Aufgaben zuverlässig und verantwortungsvoll und sind grundsätzlich ständig verfügbar. Dass man nebenher auch gut auf seinem Gebiet sein sollte, sei dabei selbstverständlich, ergebe sich aber aus der langjährigen Beschäftigung mit der Materie.
Annäherung an Windows ein gutes Zeichen
Ob er denn Befriedigung aus der Tatsache ziehe, dass Microsoft beim Umsatz stark auf Linux angewiesen sei, antwortete Torvalds, der Umsatz von Microsoft sei ihm egal, und ergänzte scherzhaft, der Fakt, dass Linux dank WSL nun innerhalb von Windows laufe, sei natürlich Teil seines Plans zur Erringung der Weltherrschaft. Ernsthaft fährt er fort, Software solle in erster Linie nützlich sein, Dinge wie Design sollten immer zweitrangig sein.
Und aus diesem Grund finde er Projekte wie WSL und Linux on Azure als sehr gute Zeichen. Nicht nur, weil er denke, dass es viel gesünder ist als die Beziehung, die vor über 10 Jahren zu Microsoft bestand, sondern weil er glaube, dass Linux in vielen verschiedenen Bereichen zu einem besseren Kernel wird.
An die Kette gelegt
Dann schwenkt das Interview zur Frage des Code of Conduct. Hat der CoC nach zwei Jahren Einfluss auf Torvalds außerhalb der Kommunikation mit den Entwicklern auf LKML? Kurz nach dem selbst auferlegten Maulkorb 2018 sagte Torvalds, niemand sei wirklich glücklich damit, man könne aber damit leben. Druck von Außen, auch über einen Artikel in der Zeitschrift New Yorker hatte Torvalds damals bewogen, in sich zu gehen und seine Art der Kommunikation zu überdenken.
Abgesehen davon, dass sein damaliger Rückzug eine schwierige Zeit gewesen sei, ergebe sich in der Rückschau ein positives Erlebnis. Seine Wortwahl sei auch heute nicht immer die Feinste, aber er habe mehr Kontrolle als früher. Ansonsten habe der CoC keinen erkennbaren Einfluss auf sein Leben.
Kernel-Tools in der Kritik
Im Anschluss antwortete Torvalds auf die Frage, ob der Kernel mehr Entwickler haben könnte, wenn die Kommunikation nicht ausschließlich per E-Mail stattfinden würde, dass dieser Vorschlag, der vor einiger Zeit die Runde machte, ziemlich aufgebauscht worden sei. Sarah Novotny aus dem Vorstand der Linux Foundation hatte unter anderem die Kommunikation per Mailing-Liste als Hemmschuh für junge Entwickler beschrieben.
Die Kritik bezog sich unter anderem auf die Tatsache, dass HTML-Mails auf LKML verboten seien. Torvalds begründete das damit, dass viele Mailing-Listen HTML untersagen, um dem allgegenwärtigen Spam zu begegnen. Ansonsten würden Kernel-Entwickler nicht ausschließlich über LKML, sondern auch im IRC, auf Discord oder Telegram diskutieren. Das alles verbindende Element sei allerdings die Liste.
Glasklare Ansage
Die letzte Frage bezieht sich auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl in den USA. Varghese wollte wissen, wie Torvalds die Lage der Nation in den USA sehe. Torvalds antwortet darauf sehr freimütig, er finde die Entwicklung der USA in den letzten vier Jahren als äußerst deprimierend. Er wisse persönlich ernsthaft nicht, was er tun werde, sollte Trump eine zweite Amtszeit gewinnen.
In seiner Einschätzung der Person von Donald Trump wird er sehr deutlich, wenn er sagt, Trump sei ein »narzisstisches, rassistisches, der Vetternwirtschaft verhaftetes Desaster, und völlig unfähig, nicht ständig zu lügen. Er ist ein Schandfleck auf dem Angesicht der Menschheit und hat sich mit anderen Menschen umgeben, die genauso schlecht sind.« Abschließend hat einen Rat für seine Landsleute, die noch nicht gewählt haben: »Gehen Sie hinaus und stimmen Sie gegen dieses korrupte und ekelhafte Stück menschlichen Abfalls und gegen all die Menschen, die ihn umarmt und ermächtigt haben.«
Das ist für Torvalds eine der seltenen Anlässe, bei denen er sich öffentlich zu politischen Themen äußert, die nichts mit Technik zu tun haben. Ich frage mich, ob diese Äußerungen wohl gut bei seinem Arbeitgeber, der Linux Foundation und deren Mitgliedern ankommen.
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