Fedoras Vision für den Linux-Desktop

Christian Schaller ist bei Red Hat Senior Manager für den Desktop und arbeitet bei Fedora unter anderem an Flatpak, PipeWire, GStreamer und GNOME. In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht er Essays zum Zustand von Fedora Workstation. Gestern veröffentlichte er einen Blogpost mit dem Titel Fedora Workstation: Our Vision for Linux Desktop.

Red Hats Hexenküche

Fedora ist, alimentiert durch den Support von Red Hat, zweifelsohne derzeit die innovativste Distribution auf dem Markt. Dahinter steht eine Vision für die Zukunft von Fedora und von Linux-Distributionen allgemein. Dabei soll Fedora Workstation als Hauptprodukt aber nicht nur Experimentierstube sein, sondern Entwicklern wie fortgeschrittenen Anwendern gleichermaßen als verlässliche Distribution für den Alltag dienen. Projektleiter Matthew Miller bezeichnete das Entwicklungsmodell einmal als »Leading Edge, not Bleeding Edge«.

Neben Wayland sind die Säulen von Fedora Flatpak, PipeWire, Toolbox sowie Varianten der Workstation wie Fedora Silverblue und Kinoite, die einen guten Eindruck von der Vision von Fedora vermitteln. Flatpak ist auf gutem Weg, PipeWire desgleichen, zumindest für Audio, Video wird folgen. Anwendungsentwicklern kommt Flatpak natürlich entgegen, denn für sie ist es ein erheblicher Aufwand mit dem schnellen herkömmlichen Entwicklungsprozess und der Fragmentierung bei der Paketierung Schritt zu halten.

Die Erkenntnis daraus war, dass ein System gebraucht wird, das es erlaubt, die Anwendung vom Host-Betriebssystem zu entkoppeln, damit die Anwendungsentwickler ihre Plattform in einem Tempo ihrer Wahl aktualisieren können und gleichzeitig die Plattform in dem Sinne vereinheitlichen, dass die Anwendung ohne Probleme auf den neuesten Fedora-Versionen, den neuesten RHEL-Versionen oder den neuesten Versionen jeder anderen Distribution läuft.

Viele Bausteine werden zum Ganzen

So wurde mit Docker im Sinn Flatpak konzipiert, während zufällig zu gleicher Zeit OSTree entwickelt wurde. Schaller bezeichnet den hybriden Paketmanager als »Git für Binärpakete«, da es eine einfache Möglichkeit bietet, Binäranwendungen mit wenig Aufwand zu pflegen und zu aktualisieren. Derzeit wird die Flatpak-Erstellung in die hauseigenen Werkzeuge bei Red Hat integriert, mit denen RHEL zusammengestellt wird. Das Ziel ist, auf Flatpaks als primäre Anwendungsbereitstellungsmethode für Desktop-Anwendungen in RHEL umzusteigen.

Diese Entwicklungen werden bei Fedora derzeit mit Silverblue und Kinoite ausgelotet. Beide Varianten setzen auf Flatpak, erlauben aber auch die Installation von Anwendungen per RPM-OSTree aus den normalen Fedora-Repositories. Die Bedürfnisse der Entwickler nach CLI-Werkzeugen wird über das Container-basierte Fedora Toolbox gelöst.

PipeWire behebt Wayland-Probleme

Wayland und Flatpak versprachen zwar mehr Sicherheit, vor allem auch im Grafik-Stack, brachten aber gleichzeitig durch die Abkehr von X11 mit seinem Client-Server-Modell neue Probleme mit sich. So wurden bestimmte Dinge wie Desktop-Capturing, Remote- und Webcam-Zugriff erschwert. Wim Taymans, Entwickler von GStreamer, arbeitete zu der Zeit an PulseVideo. Das Modell erwies sich als flexibel genug, um auch den Anforderderungen von Audio zu genügen, sowohl als Ersatz von PulseAudio für Consumer-Zwecke als auch für die Real-Time-Ansprüche professioneller Musiker, die sich bisher bei Jack bedienten. So entstand PipeWire, dass gleichzeitig half. die erwähnten, durch Wayland entstandenen Probleme im grafischen Bereich zu beheben.

Ein essenzieller Faktor in der Vision für Fedora sind unveränderliche Systeme, wie sie Silverblue und Kinoite darstellen. Bei diesen immutable operating systems ist das Root-FS nur lesbar, geschrieben wird auf einer Ebene darüber. Updates werden als Image eingespielt und können zurückgerollt werden. Systemd-Entwickler Lennart Poettering hat bereits 2014 viele dieser Ideen formuliert, obwohl damals noch viele Grundlagen fehlten.

Noch nicht am Ziel

Zusammenzufassend sieht Schaller die Vision noch nicht über die Ziellinie gekommen. Angekommen sei man erst, wenn Silverblue zur offiziellen Version von Fedora Workstation wird. Neben technischen Ursachen will man zunächst den Anwendern und Entwicklern mehr Zeit geben, sich mit den neuen Techniken zu befassen und eine höhere Akzeptanz zu erreichen. Dass diese Vision für Fedora und Red Hat Wirklichkeit wird, scheint klar. In anderen Distributionen nimmt die Akzeptanz für Wayland, Flatpak und PipeWire zu. Werden sie aber auch bereit sein, den endgültigen Schritt zu gehen und das althergebrachte Paketsystem aufzugeben, bei dem die Maintainer der Distributionen regulierend zwischen Entwicklern und Anwendern stehen?

Wer zieht mit?

Schallers Vision von Fedora und ähnliche Ansätze haben viele Vorteile, aber sie werfen auch gewachsene, Vertrauen stiftende Systeme über den Haufen. Vermutlich werden einige innovative Distributionen Varianten ihrer Distribution mit diesen Merkmalen ausstatten, ich sehe aber nicht, dass Debian, openSUSE oder Arch Linux dieses Modell komplett aufgreifen und umsetzen. Was denkt ihr?

Kommentare

17 Antworten zu „Fedoras Vision für den Linux-Desktop“

  1. Avatar von GNOME-Fan
    GNOME-Fan

    Danke für diesen tollen Artikel.
    Ich nutze Fedora aktuell und bin mehr als zufrieden.
    Flatpak wird meiner Meinung nach das alte Paketsystem irgendwann für Anwendungen komplett ablösen.
    Wayland und Pipewire sind meiner Meinung nach auch sehr gute Projekte.
    Wir werden sehen wohin uns die Reise führt. 😁

  2. Avatar von no one
    no one

    openSUSE verfolgt mit seinen MicroOS-Varianten ein ähnliches Konzept wie Fedora mit den rpm-ostree basierten, allerdings setzt man da statt klar definierter Images auf btrfs-snapshots: https://get.opensuse.org/microos/

    1. Avatar von Ferdinand

      Finde ich in Verbindung mit Snapper auch ganz gut.

      1. Avatar von no one
        no one

        Wobei das weiter geht als die normalen openSuse-Installationen mit Snapper. Updates bzw. die Installation von Paketen macht man da mit transactional-update. Dabei wird ein Snapshot des aktuellen Systems erstellt, dann wird die Änderung an diesem Snapshot durchgeführt und zuletzt muss man den neuen Snapshot dann booten.

        Das ist dann immer noch flexibler als rpm-ostree, aber man kann immer nur zu alten Snapshots zurück und nicht mehr zu einem von der Distribution definierten Image.

        1. Avatar von Ferdinand

          Ich hätte das in der Form schon des Öfteren gerne genutzt, aber SUSE ist einfach nicht meins. Ich hab sogar Snapper unter Debian versucht, aber das war nicht komplett umgesetzt und damit Murks. Ist aber bereits 5 oder 6 Jahre her.

          1. Avatar von 8bit
            8bit

            Manjaro erstellt mittlerweile vor dem Update Btrfs Snapshots die man im Grub booten kann.

  3. Avatar von Egon
    Egon

    Ich weiß nicht warum, aber mit dieser „App-isierung“, wie sie im mobilen Bereich vorherrscht, kann ich mich am Desktop einfach nicht anfreunden. Die Vorteile liegen auf der Hand und sind unbestreitbar, aber es ist mir zutiefst zuwider, Flatpak, Snaps oder dergleichen zu verwenden. Das AppImage verliert jeden Performancevergleich. Und um ehrlich zu sein, das mag aber an mir selbst liegen, finde ich Softwareupdates nach wie vor über die althergebrachten Paketquellen bedeutend einfacher.

    1. Avatar von Ferdinand

      Ich sehe das ähnlich, nutze aber einige Anwendungen als Flatpak, wobei ich mit Flatseal die Berechtigungen anpasse. Wenn ich etwas nur kurz brauche, kommt auch schon mal AppImage zum Einsatz. Der Wegfall der Maintainer in den Distributionen als vermittelnde Instanz halte ich für problematisch. Aber die Entwicklung schreitet voran und ich finde Distributionen wie Fedora Silverblue für bestimmte Einsatzzwecke gut geeignet. Der gemeine Surfer/Mailer/Gamer gehört aber nicht dazu. Und die stellen nun mal die Mehrheit der Anwender auch unter Linux.

    2. Avatar von MaximilianMustermann
      MaximilianMustermann

      Althergebracht oder neue Wege ist natürlich immer Diskussionswürdig.

      Das eigentliche NoGo ist für mich, dass es ggf. auch (zuletzt bei Ubuntu) an der Qualitätssicherung der Distribution vorbeigeht.

      https://linuxnews.de/2021/09/ubuntu-21-10-mit-firefox-als-snap/

      1. Avatar von Juchtel
        Juchtel

        Im Prinzip hast du recht, allerdings klingt es so, als ob z.B. das Qualitätsmanagement von Firefox/Mozilla schlechter wäre als das von Debian /Fedora/OpenSuse etc.
        Das kann ich nicht beurteilen, aber glaube es erstmal nicht…
        Es wird natürlich immer Ausreißer geben, aber das auch innerhalb einer Distri.

        1. Avatar von MaximilianMustermann
          MaximilianMustermann

          Firefox baut schon mal fix Telemetrie ein, schreibt es dann ins Changelog sagt aber sonst nichts. Schwupps ist es auf dem Rechner.

          1. Avatar von Juchtel
            Juchtel

            Es kommt ja auch drauf an, was an Daten übermittelt werden.
            So etwas ganz auszubauen, sorgt nicht unbedingt für gute Software, nur dafür, dass Fehler ggfs unentdeckt bleiben….
            Es hat jede Münze 2 Seiten, aber ohne geht es auch nicht….

        2. Avatar von tuxnix
          tuxnix

          Ganz abgesehen von der Form in der Firefox ausgeliefet wird hat natürlich Mozilla ein eigenes Qualitääsmanagemment.
          Was aber unersetzlich ist, das sind unabhängige Augen die noch einmal düber schauen bevor dann etwas zum User ausgeliefert wird.
          Diese Unabängigkeit ist bei snap nicht gegeben. Ohne canonical hier etwas unterstellen zu wollen, aber alle Erfahrung lehrt, dass Dinge korrumpieren wenn sie nicht mehr transparent gehandhabt werden.

    3. Avatar von Abbc
      Abbc

      Ich schätze das diese Probleme auch unter Flatpacks und Co. irgendwann zufriedenstellend gelöst werden.

  4. Avatar von Gyges
    Gyges

    Für mich wäre entscheidend, dass das Gros der Pakete weiterhin von der Distro kommt (trust by default und so), nicht von einem unbekannten Snapcrafter oder Flatpak-Schnürer. Das Format ist für mich zweitrangig.

  5. Avatar von Klaus Behringer
    Klaus Behringer

    Werden sie aber auch bereit sein, den endgültigen Schritt zu gehen und das althergebrachte Paketsystem aufzugeben, bei dem die Maintainer der Distributionen regulierend zwischen Entwicklern und Anwendern stehen?

    Ich bin nicht bereit, diesen Weg mitzugehen.
    Denn schaut man sich die Geschäftsstrategie der einzelnen Distributoren an, ist bei Einzelnen ein Weg zur Öffnung gegenüber (kommerzieller) proprietärer Software zu erkennen.
    Wenn diese dann auch noch proprietäre Software im Backend einsetzen, ist der Schritt bis zu den Problemen proprietärer Systeme nicht mehr weit.

  6. Avatar von Atalanttore
    Atalanttore

    Was ist ein schläfrigen Maintainern, die Pakete über Monate und Jahre nicht aktualisieren, vertrauensstiftend?

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