
Meine 22 Jahre mit Linux
Es wird wohl so um das Jahr 1997/ 98 gewesen sein, als ich einen Artikel in einer Computerzeitschrift über Linux las. Es war ein Artikel über Linux mit beigefügter Installationsanleitung, um eine startfähige Diskette zu erstellen. Im Artikel gab es einen Link, um sich die dafür erforderlichen Dateien herunterzuladen. Welche Distribution das war, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls lief dieser erste Versuch Linux zu installieren bzw. auszuprobieren gründlich schief.
Mehrere Stunden verbrachte ich mit dem Download der Dateien und dem Formatieren der Diskette, begleitet von der Angst, gleichzeitig meinen Rechner platt zu machen. Am Ende starteten die Disketten nicht. Das empfand ich aber eher als Herausforderung im Sinne von: „Ich kann mich doch gar nicht so doof anstellen, dass es nur bei mir nicht klappt.“ Das war der Zeitpunkt, als ich begann mich zu informieren – im Internet und auch im damals neu
erschienenen Linux-Magazin. Ich wollte dieses Linux ausprobieren!
Meine erste Distribution war SUSE. Ich nutzte sie ungefähr ein Jahr. Meine damalige Oberfläche war fvwm. Die Aktivierung der Soundkarte war ein Akt und ich war ziemlich stolz, als mein Linuxrechner dann auch Laute von sich gab: Das Ergebnis von wochenlangem „basteln“ und lesen von Howtos und Usergroups. Im Übrigen lief damals mein Linux als Parallelsystem neben Windows. Mit dem Durchforsten der Anleitungen im Netz begannen auch meine Probleme mit SUSE. Das Konfigurationstool Yast veränderte den Ort der Konfigurationsdateien, wie ich sie aus den Anleitungen im Netz entnahm bzw. ignorierte diese, weil Yast eigene erstellte. Ebenfalls konnte ich einige Programme nicht installieren, weil die entsprechenden RPM-Pakete für „Red Hat“ waren und nicht für SUSE.
Der Wechsel von SUSE auf „Red Hat“ war für mich deshalb eine Option. Mit „Red Hat“ wurde ich nicht warm und SUSE mit Yast war für mich nicht brauchbar. Zufällig las ich dann einen Beitrag über Debian, und testete es prompt. Was soll ich sagen, es war genau das, was ich suchte. Die Konfigurationsdateien waren dort, wo die Hilfedateien sie verorteten, der Paketmanager war bedeutend geschmeidiger und es gab keine Konfigurationstools, die sich in den Vordergrund schoben. Also war ich kurz vor der Jahrtausendwende begeisterter Debian-Nutzer. Meine grafische Oberfläche wechselte in dieser Zeit von fvwm zu Enlightenment. Übrigens, meine Mails und die Mailing-Groups bewältigte ich damals mit Xemacs.
Spätestens gegen 2001, also mit Ende von Windows 98, gab ich das Parallelsystem auf und nutzte nur noch Debian. Das zwang mich dazu, Alternativen für Aufgaben unter Linux zu finden, was ich im Grunde nicht weiter als kompliziert empfand. Die Oberfläche Enlightenment faszinierte mich, jedoch gab es keine weitere Entwicklung. Ich las über KDE und Gnome als Oberflächen und die mit Lösungen kamen, die ich unter Enlightenment nicht fand. Da mich KDE zu sehr an Windows erinnerte, wechselte ich zu Gnome als grafische Oberfläche für mein System.
Um 2004 wechselte ich von Debian auf Ubuntu, vor allem weil es leichter zu handeln war als Debian. Ubuntu begleitete mich mindestens die nächsten 10 Jahre. Ubuntu gab mir das Gefühl ein professionelles System zu nutzen, ich empfand, dass der Name Ubuntu auch Programm ist. Das Endete mit der Einführung der Unity – Oberfläche in Ubuntu und der fehlenden Möglichkeit zwischen Unity und Gnome 3.0 zu wählen. Ich begann nach einer neuen Distribution zu suchen um weiterhin mit Gnome arbeiten zu können.
Durch Zufall kam ich bei einem Linuxtag an den Stand von Gentoo. Ich kam ins Gespräch mit den Leuten dort und ich fand die Idee hinter Gentoo spannend: Rolling Release gegenüber festen halbjährigen Distributionsupdates. Ebenso die Möglichkeit das System von Grund auf nach eigenen Vorstellungen zu konzipieren. Also selbst zu entscheiden, mit welchen Protokollen und Bibliotheken die verwendeten Programme kompiliert werden. Der Vorteil ist, dass ich als Nutzer immer weiß, was ich mit welchen Eigenschaften installiert habe. Der Nachteil dabei ist, dass ein Update von Firefox beispielsweise, je nach Rechenleistung, durchaus einige Stunden dauern kann.
Von ungefähr 2013 bis 2016 nutzte ich Gentoo. Das Prinzip des Rolling Release überzeugte
mich nachhaltig, nur die ewig langen Installationszeiten waren lästig. Ein Update musste genau geplant werden. Nicht selten startete ich ein Update abends und wenn ich früh auf Arbeit ging, kompilierte mein Rechner immer noch. 2016 wechselte ich deshalb von Gentoo nach „Arch Linux“. Arch lernte ich über die Hilfedateien von Gentoo kennen. Viele Anleitungen unter Gentoo verwiesen auf Arch. Im Grunde sind sich beide Distributionen sehr ähnlich, was ja schon die teilweise selben Hilfedateien bzw. Anleitungen im Netz zeigen: beide setzen auf Rolling Release, beide lassen den Nutzern alle Freiheiten das eigene System zu gestalten. Der Vorteil für mich von Arch gegenüber Gentoo ist, dass alle Pakete kompiliert sind und deshalb Updates in Minuten vollzogen sind.
Ein weiterer Vorteil von Arch gegenüber Gentoo war für mich, dass die Distribution sehraktuell ist. In der Regel sind Aktualisierungen von Projekten schon nach einem Monat im stabilen Zweig von Arch. Bei Gentoo kommen sie nach ca. einem Jahr dahin. Pakete die nicht in den offiziellen Zweigen zu finden sind, konnte ich über AUR selbst kompilieren und diese blieben damit Bestandteil des Paketmangers. Mit dem Wechsel von Gentoo auf „Arch Linux“ wechselte ich auch die Oberfläche von Gnome auf Plasma (KDE).
Bei Gnome empfand ich zwar die Möglichkeit über Tastenkombinationen den Desktop zu steuern immer angenehm, jedoch wurde die Oberfläche immer weniger anpassbar. Im Grunde legen die Programmierer fest, wie mein Desktop auszusehen hat. Da Plasma nun überhaupt keine Ähnlichkeit mit Windows mehr hat und ich die Möglichkeit habe diese Oberfläche an meine Bedürfnisse anzupassen, war dieser Wechsel für mich
zwangsläufig. Mein bis jetzt letzter Distributionswechsel war 2019, von „Arch Linux“ zu Manjaro. Manjaro
setzt auf Arch auf, was die Paketverwaltung und das Prinzip Rolling Release anbelangt, erleichtert aber in vielen Teilen die Konfiguration des Systems deutlich gegenüber Arch.
Und was war dann mit Windows in der ganzen Zeit? Nun, auf Arbeit habe ich natürlich alle Versionen von Windows mitbekommen. Auf meinem eigenen Rechner lief Windows nur noch als Virtuelles System in einer Box. Im Grunde habe ich Windows nur noch, um bestimmte Einstellungen zu testen, aber meine Daten, meine Arbeiten vertraue ich diesem System nicht an.
Was mich Linux lernen ließ, ist, ein Bewusstsein für informelle Selbstbestimmung zu entwickeln, Datenschutz ernst zu nehmen, zu lernen, was digitale Privatsphäre und Sicherheit heißt. Ich habe die Bedeutung von freier Software gegenüber proprietären Systemen kennengelernt. Ich habe gelernt, wie Computer funktionieren, auch wenn ich selbst nicht programmieren kann. Ich lernte was Digitalisierung bedeutet, welche Möglichkeiten es gibt und das ich Probleme immer als Herausforderung annehme.
Meine Mails verwalte ich schon lange nicht mehr mit Xemacs, da ist Thunderbird deutlich komfortabler. Aber ich glaube nicht, dass ich ohne Linux L A T E X kennengelernt hätte und was für typographisch saubere Briefe, Aufsätze und Präsentationen ich damit erstellen kann. Was mir persönlich bleibt, ist Danke zu sagen, an die vielen Entwickler, die ein gutes Systemprogrammieren mit phantastischen Programmen und an dem ich die letzten 22 Jahre als Nutzer teilhaben konnte.
Schreibe einen Kommentar