Die Gerüchteküche brodelt in der Kernel-Community

Linus Torvalds

Am Wochenende hat Greg Kroah-Hartman mit Linux 4.19-rc5 erstmals in Eigenregie einen der wöchentlichen ReleaseKandidaten für den Linux-Kernel freigegeben. Der Grund dafür ist die zeitweise Abwesenheit von Linus Torvalds. Dieser hatte vor einer Woche erklärt, er nehme eine Auszeit und werde sich professionelle Hilfe suchen, um sein über die Jahre kultiviertes Verhalten von teils persönlich verletzenden Tiraden gegenüber den Kernel-Entwicklern auf der Mailingliste LKML zu ändern.

Zudem entschuldigte er sich bei seinen Kollegen. Bereits Tage zuvor akzeptierte Torvalds einen verbindlichen Verhaltenscodex, was er bisher, genauso wie eine Änderung seiner rethorischen Entgleisungen, immer kategorisch abgelehnt hatte.

Gerüchteküche brodelt

Kaum war die Nachricht veröffentlicht, begannen in der Linux-Community Gerüchte zu sprießen. Anlass dazu lieferte unter anderem das Empfinden, dass die 180-Grad Kehrtwende, die Torvalds mit seiner Mail vollzogen hatte, nicht ohne Druck von außen geschehen sein könne. Hinzu kamen weitere Indizien, die Anlass gaben, mehr dahinter zu vermuten als dass Torvalds endlich einsichtig seinen Kritikern recht gegeben habe und Besserung gelobe.

So veröffentlichte das wöchentlich erscheinende US-Kult-Magazin The New Yorker zwei Tage nach der Mail einen Artikel über Torvalds und seinen Sinneswandel, an dem dieser offenbar mitgewirkt hatte. So erweckte die eigentlich eher normale Erklärung, eine Auszeit nehmen zu wollen, einen größeren, konzertiert wirkenden Zusammenhang.

 Neuer Code of Conduct

Die meisten Befürchtungen, dies sei mehr als eine Auszeit zur Selbstbespiegelung erweckte aber die Herkunft des neuen Code of Conduct, den in gleicher Form bereits andere Projekte einsetzen. Er ist von einem Contributor Covenant abgeleitet, der von  der nicht unumstrittenen Coraline Ada Ehmke stammt, die sich selbst als »Notorious Social Justice Warrior« bezeichnet.

Diese Gruppierung, die in den USA gängig als SJW bezeichnet wird, setzt sich aus Aktivisten für soziale Gerechtigkeit, Feminismus, Geschlechtergleichheit und Bürgerrechte zusammen, hat nicht gerade den besten Ruf, hält sich oft nicht an die eigenen Prämissen und ist als populistisch verschrien.

Umstrittene Social Justice Warriors

Aktivisten aus den dort versammelten Communities versuchten seit 2015, Linux unter das Contributor Covenant zu zwingen. Dabei geht es ihnen darum, den vermeintlich vorherrschenden Typus des »männlichen weißen heterosexuellen Entwicklers« vom Thron zu stoßen und mehr Vielfalt einzuführen. Das wird von Kritikern vielfach als Wichtigtuerei abgetan.

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Torvalds über die Jahre angeblich mehrfach mit vermeintlichen sexuellen Übergriffen kompromittiert werden sollte. Er soll nie darüber gesprochen haben, aber seitdem immer vermieden haben, auf Konferenzen alleine mit weiblichen Teilnehmenr zu sein. Darüber berichtete der über Verschwörungstheorien erhabene Eric Raymond 2015 in einem Blog.

Gefahr für den Kernel?

Jetzt antwortet Raymond direkt auf LKML auf eine weitere Entwicklung der letzten Tage, die Anlass zur Sorge gíbt. Es geht um die Behauptung, dass einige Kernel-Entwickler drohen, die Lizenz an ihrem gesamten Code zu entziehen, was großen Schaden für den Kernel bedeuten könnte. Verschiedene Leute bezogen hierzu Position, was die gerichtliche Durchsetzbarkeit eines solchen Handelns anbelangt. Die Entwicklung der letzten Tage wurde auf lulz.com zusammengefasst.

Raymond, der die Open-Source-Szene seit 25 Jahren begleitet und oft genug analysiert hat, ist der Meinung, dass zumindest in den USA diese Drohung durchaus vor Gericht durchsetzbar sei. Er plädiert zu Ruhe und Besonnenheit. Torvalds bleibt vorerst unsichtbar, viele Leute glauben auch nicht, dass er in seine Position zurückkehrt, sondern vielleicht künftig einen Beraterposten einnimmt.

Pistole auf der Brust?

Die Spekulationen, wer Torvalds die Pistole auf die Brust gesetzt haben könnte, um ihn in die Rolle des politisch korrekten Anführers zu zwingen, schießen ins Kraut. An vorderster Front steht hier die Linux Foundation im Verdacht, die in den letzten Jahren viel Zuwachs aus der Industrie und viel Verlust an Kredibilität in der Szene hatte.

Weiterhin im Verdacht stehen große Unternehmen, die Kernel-Entwickler beschäftigen. Die Social Justice Warriors werden hier als instrumentalisierte Gruppe gesehen, die aus ihrer Geltungssucht und Mediengeilheit heraus den Job derjenigen erledigen, die Linux Übernahme-reif schießen wollen.

Viel Spekulation, wenig Klarheit – so muss das bisherige Fazit lauten. Dass Torvalds Auszeit die Szene eine Weile beschäftigen würde, war abzusehen. Das Ausmaß ist allerdings erschreckend, besonders wenn sich die Gerüchte ganz oder teilweise bestätigen sollten.

Kommentare

6 Antworten zu „Die Gerüchteküche brodelt in der Kernel-Community“

  1. Avatar von bullgard
    bullgard

    Ich wart’s ab.

  2. Avatar von Fryboyter

    >Das Ausmaß ist allerdings erschreckend

    Und beschämend.

    „Linus has a piece of crap SJW PC Snowflake loser daughter that used an emotional Jihad to blackmail the Lord Commander of Linux to get cucked“

    Solche Kommentare zu dem Thema sind die letzten Tage leider keine Ausnahme.

  3. Avatar von Anonymous
    Anonymous

    Ehmkes eigentlicher (“Deadname”) Name ist Corey Dale Ehmke. Anfang der 90er hat er bereits diverse Blogs zum Thema Technik und ESOTERIK betrieben. Hier ist ein Archiv seines alten Livejournals: archive.fo/q0qKX Beachte dabei die Erwähnung seines Servers Idolhands.com

    Was wird da so gehostet? Nunja… archive.fo/NsPmk Ehmke nannte sich wohl “Reverend Doctor Corey Bantik” und schrieb dort über “moderne ägyptische Magie”. Hat sich wohl stark mit den Kulten von Crowley und ähnlichen Esoterikern beschäftigt. Tätig im Umfeld von Satanisten (Nicht die Sorte die Kinder frisst, die “harmlose” Variante um LaVey).

    Nichts davon findet man natürlich im direkten Zusammenhang mit dem Namen Coraline Ada. Wäre nicht das erste Mal, dass Leute eine neue Identität und gleich ein neues Geschlecht annehmen um ihre Vergangenheit zu verdunkeln.

    Im selben Zusammenhang steht wohl auch “Opalgate”, ein früherer Fall bei dem Ehmke den Maintainer der Opal Software von GitHub entfernt haben wollte: archive.li/olSA1
    Hat nur damals leider nicht geklappt. Ein Indiz für ein tiefer sitzendes persönliches Problem mit GitHub?

    Ein Beweis dafür, dass Ehmke aus höheren Quellen gesteuert wird ist das jetzt nicht aber es lässt diese Person noch verrückter erscheinen als sie ohnehin schon ist.

  4. Avatar von oliver

    muss es denn tatsaechlich menschen geben, die aber auch absolut keinen respekt haben?

  5. Avatar von Nick
    Nick

    Mir wird hier zuviel spekuliert. Ein typisches Problem vieler Menschen, anstatt auf Fakten zu warten und erst dann den Mund aufzumachen. Zumindest wäre ich aktuell mit meiner Hardware, locker für über 10 Jahre abgesichert, wo man bei Bedarf auch selbst Hand anlegen könnte. Und sollte allen Ernstes der Worst-Case eintreten, dass Linux nicht länger frei wäre, dann wäre ein Wechsel zu FreeBSD unumgänglich.

  6. Avatar von tuxnix
    tuxnix

    @Anonymous
    Das gemeinsame an SJW, Esoterik, Software programmieren, Magie und Satanismus ist wohl das Bestreben Macht über andere Menschen aus zu üben. Jedenfalls ist das meine Assoziation wenn jemand alle diese Themen auf sich vereint. Wenn man diese These fundiert bestätigen kann, dann kann durchaus auch das Transgendern Teil einer pathologischen Persönlichkeit sein.

    Zurück zu Linus und Linux:
    Wenn kämpfen nicht weiterhilft, sollte man der Gefahr ausweichen und sie ins Leere laufen lassen.
    Es ist klug von Linus sich aus der Schusslinie zu bringen. Mit seinem Eingeständnis, dem bekundeten Willen zur Besserung und seinem Pausieren ist er nicht mehr angreifbar.
    Zudem kann die Community jetzt zeigen wie wichtig ihnen ein unabhängiges Linux ist.

    Der CoC ist der miserabelste Code der jemals in den Linux Kernel aufgenommen wurde.
    Es ist ein trojanisches Pferd, dass sich auf jede Gemeinschaft zerstörerisch auswirken muss.
    Unter dem Deckmantel von Vielfalt, Respekt und Toleranz, stellt es ein Machtinstrument dar, dass mit den Mitteln der Inquisition arbeitet und nichts außer Denunziation fördert.

    Sein wir also alle nett zu einander. Und wer dagegen ist, landet in den Folterkammern sozialen Medien und wird auf einem Scheiterhaufen der öffentlichen Anklage verbrannt.

    Ich hoffe, dass er möglichst bald wieder aus dem Kernel gestrichen wird. Die Androhung einiger Entwickler, ansonsten den eigenen Beitrag zurückzuziehen, wird hoffentlich eine Diskussion in diese Richtung fördern.

    Es bleibt wohl noch einige Zeit sehr spannend, aber nichts weniger als ein unabhängiges Linux steht dabei auf dem Spiel.

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