Kürzlich traute sich ein von Windows umgestiegener Linux-Neueinsteiger auf die Debian-Entwicklerliste und eröffnete einen Thread mit der Bitte, die Debian-Installation für Anwender seines Wissensstands zu erleichtern.
Kein WLAN
Was war passiert? Der Neueinsteiger wollte Debian auf seinem Notebook installieren. Mit dem offiziell auf der Webseite des Projekts angebotenen Image gelang es aber nicht, die Installation ans Netz zu bekommen, da die Firmware des WLAN-Chips nicht auf dem Abbild war.
Das ist eine Situation, in die fast alle Debian-Neueinsteiger, die auf einem Notebook installieren möchten, geraten werden, denn Debian liefert auf seinen offiziellen Images nur freie Software aus dem Main-Zweig aus. Die proprietäre Firmware, die fast alle WLAN-Chips benötigen liegt allerdings im Non-Free-Zweig, dessen Auslieferung die Debian-Richtlinien verbieten.
Absurde Situation
Debian baut zwar auch regelmäßig Images, die unfreie Firmware ausliefern, hostet sie auf seinen Servern, erwähnt auf der offiziellen Downloadseite Get Debian aber weder das Problem noch die alternativen Abbilder. Einzig auf der Seite des Debian-Installers gibt es einen Warnhinweis, der auf das Problem und seine Lösung aufmerksam macht. Da dies aber nicht die Seite ist, auf die man geführt wird, wenn man Debian im Browser eingibt, führt dies dazu, dass Neueinsteiger, die mit der Situation nicht vertraut sind, unter Umständen lange suchen müssen, um die Images zu finden. Vermutlich werden viele davon frustriert zu Ubuntu greifen, das diese Probleme nicht hat.
Bereits häufiger diskutiert
Aus dieser Ausgangssituation entspann sich auf der Liste eine anhaltende Diskussion darüber, ob Debian seine bisherige Handhabung der Situation überdenken sollte oder nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass eine Diskussion versucht, diese leicht absurde Situation zu klären, ohne Debians Richtlinien bezüglich freier Software aufzuweichen.
Ein Teilnehmer stellte die Absurdität heraus, als er schreibt:
Wir bemühen uns aktiv, zwei verschiedene Arten von Installationsmedien zu produzieren: eine, die für alle Benutzer funktioniert, und eine, die für die meisten Laptops kaputt ist … Dann veröffentlichen wir die kaputte Version auf der Titelseite, und verstecken sehr sorgfältig die Version, die funktioniert. Das schadet den Anwendern auf absurde Weise, ohne den Zustand der Freien Software in irgendeiner Weise zu verbessern, während Ubuntu die Firmware zurück in die Images packt und mit Recht behaupten kann, einfacher installierbar zu sein.
Emanuele Rocca | https://lists.debian.org/debian-devel/2021/01/msg00177.html
Dieser Meinung schlossen sich nicht alle Entwickler an. Von der Seite der Traditionalisten wurde ins Feld geführt, eine Änderung des derzeitigen Status quo kompromittiere die Ideale Debians. Man solle auf dieser Ebene nicht mit Ubuntu konkurrieren. Ein stichhaltiges Argument gegen eine offizielle Unterstützung von Non-Free-Firmware ist, dass Debian bei Problemen nichts tun kann, als darauf zu warten, dass der Hersteller das Problem behebt, was erfahrungsgemäß lange dauern kann.
Erste Schritte
Ob aus dieser noch anhaltenden Diskussion eine Änderung der Richtlinien oder auch nur die Erwähnung von Abbildern mit Firmware auf der offiziellen Download-Seite folgt, bleibt abzuwarten. Debian-Entwickler Thomas Lange hat für seinen Dienst FAI bereits Konsequenzen gezogen und erlaubt in FAI.me das Erstellen von Images mit Firmware. Wie denkt ihr, sollte Debian das Problem, falls ihr es als solches seht, lösen?
Virtual Richard M. Stallman
Bei siduction sind wir das Problem bereits vor Jahren angegangen und integrieren entsprechende Firmware auf unseren Abbildern. Die Anwender erfahren darüber in den Release Notes und haben die Möglichkeit, über ein Script im Live-Betrieb oder nach der Installation sämtliche Anteile aus den Zweigen contrib
und non-free
auf einmal zu entfernen. Grundlage des Scripts ist das Paket vrms (Virtual Richard M. Stallman), das sämtliche Pakete einer Installation aus diesen Zweigen auflistet.
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