Debian 10 »Buster« und Wayland

Debian Swirl
Debian 10 Buster und Wayland
Debian 10 Artwork

Die Veröffentlichung von Debian 10 »Buster« steht in den nächsten Wochen oder Monaten bevor. Als Standard-Desktop kommt wie gehabt GNOME 3 zum Zug. Anders als bei Debian 9 »Stretch« soll dabei Wayland anstatt Xorg als Voreinstellung für das Display-Protokoll dienen.

Red Hat liefert Wayland als Standard aus

Das Wayland-Protokoll wird seit über 10 Jahren entwickelt und schon genauso lange als Ablösung für das überalterte Xorg gehandelt. Aber bisher liefern lediglich Fedora und seit einigen Tagen Red Hat Enterprise Linux 8 (RHEL) Wayland als Standard aus. Bereits im Februar habe ich mich gefragt, wann Wayland generell zum Standard wird.

Ubuntu weiß es noch nicht

Debian entschied sich für das derzeit stabile »Stretch« gegen Wayland als Standard. Canonical stellte mit Ubuntu 17.10 »Artful Aardvark« auf Wayland um, revidierte die Entscheidung jedoch für Ubuntu 18.04 LTS »Bionic Beaver« wieder und kehrte für die langzeitunterstützte Version zu Xorg als Standard zurück. Laut Canonicals Mastermind Mark Shuttleworth soll Ubuntu 20.04 LTS voraussichtlich die erste langzeitunterstützte Version mit Wayland am Steuer sein.

Debian Testing seit 2017

Anwender, die Debian Testing oder Unstable mit Gnome 3 als Desktopumgebung verwenden nutzen bereits seit August 2017 Wayland, sofern sie bei der Installation nicht bewusst Xorg ausgewählt haben. Zu diesen Anwendern zählt auch der Debian-Entwickler Jonathan Dowland, der vor einem Monat auf der Entwicklerliste die Frage stellte, ob Wayland bereit sei, als Standard für Debian 10 zu dienen. In seinem Blog plädiert er nun dafür, Debian 10 mit Xorg als Standard auszuliefern und den Wechsel auf Wayland erst mit dem Nachfolger zu vollziehen.

Kritik an Debians Entscheidung

Dowland wundert sich zunächst, dass es für die Entscheidung zu Wayland nicht die bei Debian übliche ausdauernde Diskussion gab, wie es etwa bei der Entscheidung für Systemd der Fall war. Als Argumente für eine Rückkehr zu Xorg dienen ihm zwei Fehler im ansonsten für ihn zufriedenstellenden Testablauf sowie die Befürchtung, Debian verliere zum jetzigen Zeitpunkt mit Wayland etwas von seiner Vielseitigkeit.

Verlust der Vielseitigkeit befürchtet

Ein Merkmal von Debian sei, dass man den GNOME-Desktop mit Anwendungen aus allen möglichen Ecken des Linux-Ökosystems paaren und so einen angepassten Workflow etablieren könne, Dowlands Befürchtung geht dahin, dass mit Wayland etwas davon verloren gehen wird. In dem Zusammenhang kritisiert er auch das automatische Entfernen von Paketen, die mit Wayland nicht kompatibel sind, wie im Fall des grafischen Paketmanagers Synaptic geschehen. Grund war in dem Fall, dass Synaptic generell als Root läuft, was den Prinzipien von Wayland zuwiderläuft

Zu viele Fehler in Wayland!?

Die Fehler, die Dowland anführt, sind keineswegs esoterisch und können im Alltag jederzeit auftreten. So stirbt etwa der gesamte Desktop samt Session-Manager, wenn die Root-Partition vollläuft. Das lässt sich auch nicht mit Werkzeugen wie systemctl beheben. Es passiert zwar auch unter Xorg, aber die Session bleibt dort laut Dowland zumindest erhalten.

Der zweite Fehler, den Dowland erwähnt tritt beim Drag&Drop von Firefox in den Dateimanager Nautilus auf. Danach werden laut Bugreport alle laufenden X-Applikationen daran gehindert, auf Maus- oder Tastatureingaben zu reagieren. Firefox lässt sich dann nicht mehr normal beenden und muss abgeschossen werden. Obwohl beide Bugreports bereits vom 26. April stammen, gibt es bisher keinerlei Reaktion darauf.

Die Diskussion auf der Mailingliste geht derweil weiter. Die Frage von Dowland, welche Kriterien das GNOME-Team zur Entscheidung für Wayland als Standard genutzt hat, bleibt bisher unbeantwortet.

Den Durchschnittsanwender im Auge behalten

Wer Debian kennt, wird sich vermutlich wundern, dass eine noch relativ unerprobte Technologie, die noch nicht fehlerfrei läuft, von der konservativen und auf absolute Stabilität ausgelegten Distribution relativ früh aufgegriffen wird. Dem durchschnittlichen Anwender ist es egal, was im Hintergrund läuft, solange alles funktioniert. Dieser Anwender wird sich bei der Installation deshalb meist nicht bewusst sein, dass Xorg als erprobte Alternative vielleicht die bessere Wahl ist.

Wayland oder Xorg?

Wenn Red Hat seinen Unternehmenskunden GNOME mit Wayland ausliefert, ist das nicht ein Beweis, dass Wayland bereit für den Mainstream ist? Sollte Debian bei Wayland als Standard bleiben und sich damit wie bei der Entscheidung für Systemd als zukunftsorientierte Distribution verhalten oder lieber Xorg den Vorzug geben, während Wayland die Alternative bleibt?

Kommentare

6 Antworten zu „Debian 10 »Buster« und Wayland“

  1. Avatar von Uwe
    Uwe

    Warum splittet man das nicht ?
    Debian mit xorg wie bisher und debian mit wayland testing. So haben die Prgrammierer die Chanse sich intensiv damit zu beschäftigen, es anzupassen und Fehler auszumerzen.
    Nur so ein Gedanke.

  2. Avatar von tuxnix
    tuxnix

    Es wäre schade, wenn Debian 10 mit diesen Fehlern ausgeliefert würde. Eine Entscheidung den Standard bei Xorg zu belassen ist auch kein Schritt zurück, sondern garantiert, dass diese „Fehler“ endlich angegangen werden.
    Debian wird allein diese Fehler nicht auf die Schnelle beheben können. Wayland schirmt Anwendungen von einander ab und erhöht dadurch die Sicherheit. Diese Sicherheit ist aber dahin, wenn es GUI-Anwendungen erlaubt wird mit Rootrechten zu laufen. Hier sind die Entwickler von Synaptic gefragt, das Tool so um zu stricken, dass lediglich die Aktionen die nötigen Rechte erhalten und nicht die gesamte Anwendung damit läuft. Siehe: https://blog.martin-graesslin.com/blog/2017/02/editing-files-as-root. Nun könnte man auf Synaptic noch schweren Herzens verzichten. Wenn es aber bei der Benutzung von Firefox regelmäßig passiert, dass der Normalanwender nichts anderes tun kann als das System neu zu booten weil weder Maus noch Tastatur reagieren ist das ein echter showstopper.
    Wenn Debian den Auslieferungsstandard noch bei Xorg belässt ist im Grunde nichts verloren.
    Wayland könnte mit ausgeliefert werden. Die Entscheidung wann auf Wayland umzuschalten ist, kann dann der Anwender jederzeit selbst treffen.

  3. Avatar von Klaus Meier
    Klaus Meier

    Ich verstehe diesen Quatsch einfach nicht. Es ist doch beides vorhanden und der Anwender kann doch beim Start im gdm auswählen, was er gerne hätte. Ist doch kein Wunder, dass die nichts auf die Reihe bekommen, wenn sie ihre Zeit mit solchen Diskussionen verplempern.

    Sind die Anwender schon so verblödet, dass sie nicht mehr in der Lage sind, beim Systemstart eine Entscheidung zu treffen?

  4. Avatar von tuxnix
    tuxnix

    @Klaus Meier
    Auch wenn ich die Sichtweise vertrete, dass Debian ruhig noch einmal bei Xorg als Stadard für die Auslieferung von Buster bleiben kann, falls die Fehler noch nicht ausgemerzt werden können, halte ich die Diskussion darum keineswegs für einen Quatsch.
    Distributionen haben unterschiedliche Kulturen sind unterschiedlich organisiert und haben unterschiedliche Ziele und Aufgaben.
    Red Hat trifft hier eine Entscheidung im Hinblick auf einen 10 Jahre langen Support für seine Kundschaft.
    Auch wenn Wayland noch nicht perfekt ist, möchte man den fehlerfreien Betrieb von Xorg nicht mehr so lange seinen Kunden garantieren müssen.
    Arch Linux trifft gar keine Entscheidung. Man liefert den neusten Stand aus. Das bietet Entwicklern ein schnelles feedback durch eine große Zahl von Anwendern. Ob Xorg oder Wayland ist hier gar keine Frage. Der Arch User stellt sich sein System ohnehin selbst zusammen und entscheidet darüber selbst.
    Debian Stable macht alle 2 Jahre ein Freese um das System auf neue Paketversionen anzuheben.
    Hier widmet man sich dem bereinigen von Fehlern. Oft genug sind das Dinge die anderswo noch nicht gelöst wurden. Auf Organisationsebene ist dieses Freeze nichts anderes als ein gruppendynamischer Prozess der den Zeitrahmen bietet, Dinge zu lösen. Und natürlich muss dann auch über das Was und Wie miteinander reden.
    Anders als bei systemd dürfte es über die Zukunft von Wayland auch bei Debian keinen Zweifel geben. Deshalb gab es auch keine Diskussionen darüber. Hauptziel dürfte es aber weiterhin bleiben ein stabiles Debian 10 herauszugeben. Warten wir mal ab wie das Freeze genutzt wird. Die neue Debian Version ist erst dann fertig wenn sie stabil läuft.

  5. Avatar von Uwe
    Uwe

    OT
    Fundstück:

    Microsoft: Linux ist die Zukunft des Windows-Herstellers

    Eigenes Betriebssystem spielt strategisch eine immer unwichtigere Rolle – Unternehmen setzt verstärkt auf Open Source

    Die Verwandlung, die Microsoft in den vergangenen Jahren hingelegt hat, ist wahrlich beeindruckend. Vom Linux-Hasser ist das Unternehmen zu einem der weltweit aktivsten Entwickler von Open-Source-Software geworden. Längst vergessen sind die Zeiten, in denen der damalige Microsoft-Boss Steve Ballmer das freie Betriebssystem wahlweise als „Krebsgeschwür“ oder „kommunistisch“ abkanzelte. Spätestens unter der Leitung von Satya Nadella hat das Unternehmen die Vorzüge freier Software zu schätzen gelernt.

    Kommt das Microsoft Linux?

    Ein Umstand, der zu durchaus interessanten Gedankenexperimenten anregt.
    Könnte Microsoft künftig selbst zum Desktop-Linux-Anbieter werden? Eine Frage, die zunächst absurd klingen mag, die aber durchaus eine gewisse Berechtigung hat, wenn man sich die Entwicklungen der vergangenen Jahre ansieht.

    kurzer Textauszug

    Quelle:

    https://derstandard.at/2000094356636/Microsoft-Linux-ist-die-Zukunft-des-Windows-Herstellers?ref=rss

    1. Avatar von Ferdinand

      Das klingt schon lange nicht mehr absurd und ist gar nicht so abwegig. Mit Azure Sphere gibt es ja schon länger eine Linux-Distribution von Microsoft, wenn auch nicht für den Desktop. Auch die Gerüchte über eine mögliche Übernahme von Canonical waren zu einem früheren Zeitpunkt mal realistisch. Das einzige, was wirklich nervt ist das ständige Winseln, wie sehr Microsoft Linux doch liebt. Ansonsten: Who cares?

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