Das dezentralisierte Internet

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Das Internet ist krank, das wird keiner bestreiten, der schon etwas länger im Netz unterwegs ist und die frühen Jahre erinnern kann. Das sieht auch Sir Tim Berners-Lee, Erfinder des WWW mit großem Bedauern so. Großkonzerne haben zunehmend die Kontrolle über Inhalte und Provider wollen bestimmen, wer welche Bandbreite erhält.

Die Europäische Union schüttet das Kind mit dem Bade aus, indem den Großen unter dem Deckmäntelchen einer Urheberrechtsreform noch mehr Kontrolle zugeschanzt wird. Staaten tragen ihre Animositäten im Internet aus, Fake News verunsichern die Menschen. Und es besteht wenig Aussicht auf Besserung.

Das Internet berührt alle Bereiche des Lebens

Um hier neue Ideen zur Dezentralisierung zu entwickeln, traf sich im vergangenen Sommer in San Francisco eine illustre Schar von Unzufriedenen zum Decentralized Web Summit. Unter den Teilnehmern waren die Web-Mitbegründer Sir Tim Berners-Lee und Vint Cerf, Internet-Archivar Brewster Kahle sowie neben Autoren wie Cory Doctorow  und Mike Judge auch Jennifer Stisa Granick und Emili Jacobi.

Aus der Crypto-Currency-Szene waren neben Blockchain-Entwicklern Pioniere wie Zooko Wilcox zugegen. Vertreter von  Microsoft, Google und Mozilla wollten sich die neuen Ideen für ein  dezentralisiertes Netz ebenfalls nicht entgehen lassen. Die Konferenz zählte über 800 Besucher, die an 165 Sitzungen teilnehmen konnten.

Was ist das dezentralisierte Web?

Derzeit bedeutet die Abhängigkeit des Internets von zentralisierten Hubs, von Servern und Rechenzentren, dass je mehr Server jemand kontrolliert, desto mehr Macht kumuliert sich dort, mit all den negativen Konsequenzen wie etwa der schleichenden Entmündigung der digitalen Habenichtse. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen, müssen die Daten aus den Silos befreit werden und die Kontrolle an die Benutzer zurückgegeben werden. Die Frage ist, wie das unter Beibehaltung der Benutzerfreundlichkeit des aktuellen Webs erreicht werden kann.

Internet als Ort  für Kreativität

Neben dem zu erwartenden Widerstand der Großkonzerne, die derzeit über das Web bestimmen sind auch technische Probleme zu überwinden. Eine der Aufgaben muss sein, die Daten von den Anwendungen zu trennen, die sie verwenden. Die Menschen müssen auf einfache Art befähigt werden, ihre persönlichen Daten dort speichern, wo sie möchten, und den Zugang zu den Anwendungen nach Belieben zu gewähren oder einzuschränken. Tim Berners-Lee arbeitet hierzu beispielsweise an dem Framework Solid, das allen Benutzern die Möglichkeit bietet, mehrere »Pods« für ihre Daten zu verwenden, die eine fein abgestufte Kontrolle der Berechtigungen erlauben.

»Jeder bei der Veranstaltung war eindeutig in einem gemeinsamen Ziel vereint, das Internet privater und sicherer zu machen, aber das Wichtigste ist, wie wir den Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Projekten fördern.« – Nick Lambert, COO von MaidSafe

Blockchain als Infrastruktur

Eine wichtige Rolle spielt die Finanzierung dieses Unterfangens. Blockchain und digitale Währungen entsprechen in ihrer Zielsetzung dem Wunsch nach Dezentralisierung.  Auch hier gibt es Bedenken, dass die Staaten eine strenge Regulierung durchsetzen könnten. Zudem befindet sich das Crypto-Currency-Ökosystem noch in einer relativ frühen Entwicklungsphase und der kürzliche Goldrausch mit dem anschließenden Absturz kann nicht verschleiern, dass diese neuen Techniken noch in einer sehr frühen Phase der Entwicklung sind.

Peer-to-Peer

Einen Ansatz, diese zukunftsträchtigen neuen Techniken mit dem bewährten Prinzip der Peer-to-Peer-Netze zu vermählen, treibt das US-Unternehmen Substratum voran. Es will die zentralisierten Knotenpunkte, die heute das Rückgrat des Internets sind, mit einer Peer-to-Peer-Struktur ersetzen, die jeder Nutzer des Internets mittragen kann.

Teilhabe möglich

Die Open-Source-Software des Unternehmens erlaubt es, einen Teil der zur Verfügung stehenden Rechenpower und Speicherkapazität dem dezentralen Netz zur Verfügung zu stellen. Der Anwender bestimmt selbst, wie viel er an Ressourcen bereitstellen möchte. Dafür wird er mit der neuen Kryptowährug Sub entlohnt.

Anreiz Krypto-Währung

Ein ähnliches Konzept verfolgt das schon seit 2006 am dezentralen Internet arbeitende Unternehmen MaidSafe. Beiden Unternehmen ist gemeinsam, dass sie durch Verschlüsselung die Nutzung des Netzes sicher machen. Die Peers und ihre Verbindungen werden in der Blockchain verwaltet. Vor allem aber kann ein solches Netz niemand kontrollieren oder abschalten.

Mit weiteren Ansätzen für ein dezentralisiertes Internet beschäftigt sich ein Artikel auf The New Stack. Wer noch tiefer in das Thema einsteigen möchte, dem seien die Videos der Vorträge und Gespräche vom  Decentralized Web Summit empfohlen.

Kommentare

5 Antworten zu „Das dezentralisierte Internet“

  1. Avatar von Uwe
    Uwe

    Dazu, als Ergänzung:

    Partner-News: azultec startet ICO

    azultec treibt den Marktstart der eigenen, Blockchain-basierten und damit dezentralisierten Cloud-Computing-Plattform weiter voran. Mit dem heutigen Beginn des Initial Coin Offerings (ICO) soll ersten Investoren und Interessenten ein vergünstigter Einstieg in das digitale Ökosystem ermöglicht werden. Bis zum 14. März läuft der PreSale, bevor dieser dann durch einen Crowdsale abgelöst wird.

    Da gehts weiter
    Quelle:

    https://www.tomshw.de/2019/03/05/partner-news-azultec-startet-ico/

  2. Avatar von Marcus
    Marcus

    Super Artikel, vielen Dank. Ich habe seit wenigen Wochen mein Handy krakenfrei mit /e/, vormals eelo. Das stiess bei meinen Kontakten auf überraschend viel Zustimmung und Interssse. Das Thema wächst wohl gerade….

    Eine Frage habe ich aber noCh: Ist es wirklich möglich, den Datenverkehr so zu anonymisieren und zu reinigen, während man rein technisch den Internet-Anschluss der Telekom nutzt, und die webhosting Services von Amazon?
    Möglicherweise ist die Frage blöd, ich bin halt kein Hacker….

    -Marcus

    1. Avatar von Ferdinand

      Die Frage ist nicht blöd und das Thema auf jeden Fall komplexer als man es in einem Artikel darstellen kann. Aber im Endeffekt wird ja hauptsächlich die Transportmethode geändert. Das Anonymisieren gelingt ja bereits jetzt mit Tor ganz gut, wobei der Weg der verschlüsselten Daten auf dem herkömmlichen Transportweg lediglich verschleiert wird.

  3. Avatar von Marcus
    Marcus

    Mal sehen, vielleicht schaff ich es nich bis zu einer blöden Frage 😊:
    Wenn die Substraten mich für des Betreiben eines Knotens bezahlen, wo ensteht dieses Geld/ dieser Wert? Wenn es irgendwo Ausgaben gibt, muss es auch Einnahmen geben, selbst im Internet. Oder habe ich etwss nicht verstanden?
    Nur fürs Protokoll: ich will das nicht schlechtreden, ich glaube auch, dsss wir dringend handeln müssen. Ich würde es nur gerne verstehen….

    VG

    Marcus

    1. Avatar von Sergej

      Substratum unterscheidet zwischen drei Arten von Teilnehmern:

      1. Einfacher Anwender
      2. Hoster von Webdiensten
      3. Die Knoten zwischen Anwender und Hoster

      Der Hoster hat ein Interesse an Traffic, weil er mit seinem Angebot Geld verdienen kann. Er bezahlt die Knoten pro Request/Response.

      Verinfacht gesagt: Je mehr Traffic meine Seite erhält, desto mehr muss ich dafür zahlen. So zahlen die Hosts für die Aufrechterhaltung des Netzwerks.

      Gruß
      Sergej

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