Kategorie: Meinung

  • SFLC vs. SFC: Merkwürdiger Streit um Markenrecht

    SFLC vs. SFC
    Bild: „fight“ (Ausschnitt) von Jan Berckmans Lizenz: CC BY 2.0

     

    Auf der Webseite der Software Freedom Conservancy (SFC) erschien vor einer Woche eine verstörende Mitteilung: das Software Freedom Law Center (SFLC), dass die SFC 2006 mitgegründet hatte, stellt nun einen Antrag auf Löschung des Markenrechts für den Namen »Software Freedom Conservancy« beim US Patent and Trademark Office. Die Begründung lautet auf Verwechslungsgefahr. Ideologische Unstimmigkeiten zwischen beiden Parteien waren bereits länger spürbar.

    Wer ist wer in diesem Streit?

    An dieser Stelle ist vermutlich eine Klärung der Begrifflichkeiten angebracht. Das SFLC ist eine Organisation, die 2005 vom Rechtsprofessor Eben Moglen gegründet wurde und sich auf pro bono geleistete juristische Dienstleistungen für Entwickler von freier Software und Open Source konzentriert.

    Ein Jahr später wurde die SFC vom SFLC mitgegründet mit der Maßgabe, Projekten im Umfeld freier Software Schutz und ein Zuhause zu bieten. Die SFC hat ihren Wirkungskreis in den letzten Jahren aber auch auf finanzielle und logistische Unterstützung bei Patent- oder Lizenzstreitigkeiten vor Gericht erweitert. Daran scheint die SFLC die im Antrag angegebene Verwechslungsgefahr festzumachen. Derzeit vereint die SFC rund 40 Projekte unter ihrem Schirm.

    Die dritte Partei

    Beide Organisationen stehen dafür, die Freiheiten der Software, die wir täglich nutzen, zu bewahren und zu verteidigen. Beide haben dies in vielen Fällen getan. In dieser Posse gibt es aber noch eine dritte Partei, die Interessen zu wahren hat. Auch sie hat die Aufgabe, Linux zu schützen und zu fördern. Gemeint ist die Linux Foundation und deren Lichtgestalten Linus Torvalds und Greg Kroah-Hartman. Beide sind nicht auf einer Linie mit der für sie zu aggressiven Art, wie Bradley Kuhn und Karen Sandler von der SFC bei Verstößen gegen die GPL zu deren Durchsetzung mit Klagen vorgehen. Hartman setzt eher auf Diplomatie im persönlichen Gespräch mit Unternehmen um Unstimmigkeiten auszuräumen. Torvalds pflichtet ihm dabei auf seine unverblümte Art bei.

    Anwälte unter sich

    Offensichtlich ist dies ein Streit unter Rechtsanwälten. Menschen ohne diese Berufung hätten vermutlich sozialverträglichere Wege gefunden, das Problem aus der Welt zu schaffen. Es ist richtig, dass die SFC besonders mit der Unterstützung von Kernel-Entwickler Christoph Hellwig im GPL-Prozess gegen VMware in angestammte Gefilde eingedrungen ist. Zugegeben, dass der Prozess so schlecht vorbereitet war, dass er nur verloren gehen konnte. Trotzdem hätte das SFLC nicht die große Keule herausholen müssen. Wir wissen allerdings bisher nicht, ob es vorher Gespräche zur Klärung der Situation gegeben hat. Tatsache ist:  es ist jetzt fast egal, wer diesen Streit gewinnt; die freie Software, um die es eigentlich geht, wird verlieren.

     

  • LiMux – Ende eines Vorzeigeprojekts

    LiMux
    Logo by: ScotXW Lizenz: GPLv2.0+

    Wie zu erwarten war, hat der zuständige Verwaltungsausschuss im Stadtrat der bayrischen Landeshauptstadt München auf seiner Sitzung in dieser Woche das Ende von LiMux bestätigt. Der Antrag des Stadtrats (PDF) vom Februar 2017 unter Federführung von Oberbürgermeister Dieter Reiter  (SPD) und dessen Vize Josef Schmid (CSU) wurde beschlossen. Damit wird das einstige Vorzeigeprojekt abgewickelt und bis 2020 ein einheitlicher Windows-Client auf der Basis von Windows 10 erstellt, der künftig auf allen Rechnern der Verwaltung laufen soll. Dieser Client soll bis 2022 auf den Rechnern ausgerollt sein.

    Die Kosten bleiben unter Verschluss

    Die geschätzten Kosten für die Migration bleiben zum jetzigen Zeitpunkt geheim. Dafür werden vergabetechnische Gründe angeführt. Lediglich die Erstellung des Windows-Clients wird mit rund 2.14 Millionen Euro beziffert. Darüber hinaus fallen unter anderem aber Kosten für die Migration selbst, für migrationsbedingte Arbeitsausfälle, für neue Hardware und jährliche Lizenzkosten für die Microsoft-Produkte an.

    Bereits seit seiner Wahl 2014 betreibt OB Reiter, ein ausgewiesener Microsoft-Freund, die Rückmigration weg von Linux und zurück zu Windows. Mit teils fadenscheinigen und oft weit entfernt von jeglichem Sachverstand angesiedelten Argumenten wurde LiMux systematisch madig gemacht. Dabei waren die Gründe für die Probleme meist in der Infrastruktur der IT-Landschaft der Stadt angesiedelt, in der drei Abteilungen Entscheidungen zur IT treffen.

    Ballmer abgeblitzt

    Begonnen hatte alles im Jahr 2000, als in vielen deutschen Verwaltungen klar wurde, dass Windows NT 4.0 2004 am Ende der offiziellen Unterstützung durch Microsoft ankommen würde. In München wurden Überlegungen angestellt, ob man nicht mit Linux in der Verwaltung eine Menge Geld sparen könnte. Schätzungen bezifferten die möglichen Einsparungen auf 20 Millionen Euro. Eine von Microsoft bei HP in Auftrag gegebene Studie kam dagegen zu dem Ergebnis, der Umstieg auf Linux würde 43 Millionen Euro Mehrkosten verursachen. Microsoft-CEO Steve Ballmer stattete dem Bürgermeister extra einen Besuch ab und versuchte, die Entscheidung für eine Open-Source-Lösung noch abzuwenden. Er bot einen Preisnachlass von 35 Prozent auf ein Paket mit einem Umfang von 36,6 Millionen US-Dollar. Vergebens. Das »Krebsgeschwür«, als das Ballmer Linux bezeichnete, war nicht aufzuhalten.

    Mehr Freiheit – weniger Kosten

    So beschloss im Juli 2004 der Stadtrat unter dem damaligen Bürgermeister Christian Ude die Migration der Arbeitsplatz-Rechner auf Open-Source-Software. Nicht nur sollte Geld gespart werden, auch die Herstellerunabhängigkeit spielte bei der Entscheidung eine Rolle. Nachdem Ballmer sein Pulver fruchtlos verschossen hatte, wurde die Patentkeule gezückt. Verunsicherung über das soeben geschlossene Projekt LiMux kam auf, als eine Studie des Unternehmens Open Risk Management rund 300 mögliche Patentverletzungen im Linux-Kernel gefunden haben wollte. Kaum verwunderlich ist, dass einige der angeblich verletzten Patente Microsoft gehörten.

    Ein in Auftrag gegebenes Gutachten eines Rechtsanwalts gab dann Entwarnung.  Das Gutachten schätzte die Gefahren, in einen Patentstreit verwickelt zu werden als gering ein. Daraufhin wurde 2005 die Entwicklung eines eigenen Linux-Client auf der Basis von Debian mit KDE als Desktop-Oberfläche angeschoben. Zusätzlich wurde für OpenOffice das Vorlagensystem Wollmux erarbeitet. In den folgenden zwei Jahren wurden über 10,000 Rechner mit OpenOffice ausgestattet, über tausend weitere Rechner erhielten gleich LiMux, wie der Linux-Client getauft wurde.

    Vom TÜV zertifiziert

    Im Mai 2007 nahm die Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) für das IT-Projekt LiMux-Client vom TÜViT das Zertifikat »Gebrauchstauglicher Basisclient« entgegen. Damit war der LiMux-Client weltweit der erste auf Linux basierende Arbeitsplatz, dessen Benutzerfreundlichkeit durch die TÜV-Zertifizierung zur Gebrauchstauglicheit bestätigt wurde. Darin hieß es: »Entscheidend für diese Einschätzung war, dass mit der neu gestalteten und auf KDE 3 basierenden Oberfläche und den enthaltenen Zusatzprogrammen (u.a. OpenOffice.org, Firefox, Thunderbird, Oracle Calendar) eine effektive, effiziente und zufriedenstellende Arbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung möglich ist, wie in einer umfangreichen Prüfung nachgewiesen wurde

    Einsparungen in Millionenhöhe

    Bereits 2012 wies eine veröffentlichte Vergleichsrechnung eine Einsparung von mehr als 10 Mio. Euro gegenüber einer vergleichbaren Microsoft-Lösung aus. Im Dezember 2013 ging LiMux in den Regelbetrieb über. Insgesamt waren in 10 Jahren mehr als 12.000 Arbeitsplätze auf LiMux und OpenOffice umgestellt worden. Technisch wurde die automatisierte Installation auf multiplen Rechnern mit dem Softwareverteilungswerkzeug FAI des Debian-Entwicklers Thomas Lange umgesetzt während die Verwaltung dem webbasierten Administrationswerkzeug GoSa2 oblag.

  • Wann darf OpenOffice endlich in den Ruhestand?

     

    OpenOffice
    Logo: Chris Rottensteiner

    Die Apache Software Foundation  hat die Veröffentlichung von OpenOffice 4.1.4 bekanntgegeben. Liest man die Release Note, so wird hier mit keinem Wort erwähnt, dass das Release mit monatelanger Verzögerung erscheint. Was hier unter »Verbesserungen / Erweiterungen« aufgeführt ist, würden andere Projekte unter »ferner liefen« oder auch gar nicht erwähnen. Damit aber dort überhaupt etwas steht, wird unter anderem der Unterpunkt »aktualisierte Grafiken/Logos (neue Apache Feder)« erwähnt. Wirklich? Weitere Punkte betreffen Updates für Sprachwörterbücher, Übersetzungskorrekturen in der Benutzeroberfläche, Fehlerkorrekturen und Sicherheitsverbesserungen. Für die komplette Liste der Fehlerbereinigungen muss man nicht einmal scrollen.

    Patient nicht zu retten

    Eine neue Version ist natürlich immer besser als keine Veröffentlichung. Aber OpenOffice 4.1.4, ein Jahr nach Version 4.1.3, verlängert bestenfalls das bereits seit Jahren bekannte Überleben an der Herz-Lungen-Maschine. Und mit jeder Veröffentlichung frage ich mich: Wann zieht das Projekt endlich den Stecker? Denn: Klar ist, dass LibreOffice gewonnen hat. Klar ist auch, dass OpenOffice die Sicherheit der Anwendung mit so wenigen Entwicklern sogar nach eigener Aussage nicht garantieren kann. Die letzte Version, die überhaupt noch Neuerungen brachte, erschien als 4.1 im Jahr 2014.

    Offene Briefe an Totgesagte

    Johnathan Corbet von LWN hatte 2015 die Entwicklungstätigkeit von LibreOffice und OpenOffice analysiert. Demnach hatte OpenOffice zu dem Zeitpunkt 16 Entwickler, die innerhalb von 12 Monaten gerade einmal 381 Änderungen einbrachten. LibreOffice dagegen lieferte im gleichen Zeitraum 22.134 Änderungen von 268 Entwicklern. Bereits 2014 warf Bruce Byfield die Frage auf, ob OpenOffice am Ende sei. GNOME-Entwickler Christian Schaller veröffentlichte 2015 einen offenen Brief an die Apache Foundation und das Apache OpenOffice Team gerichtet mit der Bitte, Anwender, die die OpenOffice-Webseite besuchen, auf die Seite von LibreOffice umzuleiten.

    Wie wiederum LWN dann 2015 berichtete, hat Dennis Hamilton, der vor einem Jahr als Vorstand des Projektmanagement Komitee (PMC) von OpenOffice ausgeschieden war, die Einstellung von Apache OpenOffice (AOO) als eine Möglichkeit unter anderen dargestellt, mit der prekären Situation umzugehen. Das bezog sich unter anderem auf eine mittelschwere Sicherheitslücke CVE-2016-1513, die durch das Öffnen eines manipulierten Dokuments vom Typ »OpenDocument Presentation« (.odp) oder »Presentation Template« (.otp) ausgenutzt werden konnte. Die Sicherheitslücke bestand zu dem Zeitpunkt bereits seit 2,5 Jahren und wurde erst mit Version 4.1.2 behoben.

    Zu stur zum Aufgeben?

    All das erweckt den Eindruck, dass lediglich die verbliebenen Entwickler von OpenOffice irgendeine Zukunft für das Projekt sehen. Die Entwicklung findet nur noch bei LibreOffice statt. Die Gefahr, die von OpenOffice ausgeht, basiert auf seiner ruhmreichen Vergangenheit. Diese beschert der Office-Suite auch heute noch einen hohen Bekanntheitsgrad. Solange das Projekt fortgeführt wird, werden Anwender, die nicht in der Open-Source-Szene zu Hause sind, weiter OpenOffice herunterladen und somit eine Software installieren, die nach aller vernünftigen Einschätzung keine Zukunft hat.

    Es ist genug!

    OpenOffice hat viel bewirkt. Es war die erste freie und offene Alternative zu Microsoft Office und fand neben Linux viele Anwender auch bei Windows und macOS. Vor sieben Jahren haben viele Open-Office.org-Entwickler gemeinsam LibreOffice gegründet. Grund war 2010 ursprünglich die Übernahme von Sun durch Oracle. Der Rest ist Geschichte. LibreOffice liefert Innovationen, Apache OpenOffice pflegt einen Leichnam. Liebe Open-Office-Entwickler, OpenOffice hat den Ruhestand verdient, lasst es endlich gut sein!

  • Bund der Steuerzahler sieht LiMux als Steuerverschwendung

    LiMux
    By: ScotXW Lizenz: GPL 2.0+

    Zum Glück hatte ich noch nicht gegessen. Da bezeichnet doch der Bund der Steuerzahler in seinem neuesten Schwarzbuch das Münchner LiMux-Projekt, anscheinend ungetrübt von jeglicher Sachkenntnis, als Steuerverschwendung. So sieht es jedenfalls die Vize-Präsidentin des »Bunds der Steuerzahler Bayern e.V.«, Maria Ritch in Das Schwarzbuch – Die öffentliche Verschwendung 2017/2018. Der Bericht, der sich Aussagen der Stadt München, vertreten durch den Microsoft-Freund und ersten Bürgermeister Dieter Reiter (SPD) und dessen Vize Josef Schmid (CSU), ungefiltert zu eigen macht, gipfelt in folgendem Tenor:

    »Das rund 19 Millionen Euro teure „LiMux“-Betriebssystem hat sich offenbar als folgenschwere Fehlentscheidung erwiesen. Pinguin, adieu! Die nunmehr beabsichtigte Entwicklung eines neuen Windows-Basis-Clients für die Münchner Stadtverwaltung wird weitere Steuergelder in Millionenhöhe verschlingen.« 

    Die Einstufung als Fehlentscheidung entspringt Aussagen der Stadtverwaltung wie dieser:

    »Heute sind wir mit einer vornehmlich auf Linux ausgerichteten Clientlandschaft in vielen Fällen mit teilweise großen Schwierigkeiten und zusätzlichen Kosten konfrontiert, wenn es darum geht, professionelle Anwendungssoftware am Markt zu erwerben und zu betreiben. Wir sind bereits seit Jahren gezwungen, neben den Linux-Systemen auch Windowssysteme zu verwenden, da wir anderweitig unsere Geschäftsprozesse nicht geeignet unterstützen können. Auf Dauer führt dieser Zustand dazu, dass der Betrieb der nicht einheitlichen Clientlandschaft nicht mehr kosteneffizient gestaltet werden kann.«

    Armer Pinguin

    Der Pinguin ist also schuld. Wer sich etwas näher mit der Materie befasst, erkennt dass das Scheitern des auf Debian basierenden Projekts eher im Kompetenzstreitigkeiten dreier städtischer IT-Häuser begründet liegt. Anstatt einer Behörde die Zuständigkeit über die IT der Stadt München zu übertragen wird nun ein Projekt abgewickelt, das über 15 Jahre bereits Millionen an Steuergeldern eingespart hat. Die Münchner Grünen forderten so auch im Januar 2016 in einer Pressemitteilung, »die Zuständigkeit für die städtische IT in einer Stelle zusammenzufassen – bei einer Art CIO (Chief Information Officer) – anstatt sie auf drei „Häuser“ aufzusplittern.«

    Die von der Stadt erwähnten noch benötigten Windows-Systeme belaufen sich in ihrer Gesamtheit auf rund 1.000 Stück. Dem gegenüber stehen 17.000  Linux-Clients. Die verbliebenen Windows-Rechner dienen vor allem zur Durchführung von Fachverfahren, für die es unter Linux noch keine adäquate Entsprechung gibt. Anstatt hier entsprechende Software zu beauftragen wird lieber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

    Das Kind mit dem Bade ausschütten

    Immer wieder wurde in den letzten Jahren klar, dass LiMux hier den Sündenbock darstellen soll für die Fehler einer IT ohne wirkliche Kontrolle und Entscheidungshoheit. Münchens IT-Beauftragter Kotulek bestätigte bei aller diplomatischen Zurückhaltung in einem von c’t geführten Interview vor drei Jahren diesen Eindruck, dass nicht wirklich LiMux das Problem ist.

    Beschwerden über die IT wird es in großen Behörden und Unternehmen immer geben. Davon abgesehen waren die Punkte, die die beiden Bürgermeister ins Feld führten wenig stichhaltig und zeigten Unkenntnis der zugrundeliegenden Techniken und deren Umsetzung in einem sicherheitsrelevanten Umfeld. Die von den Bürgermeistern vorgebrachten Probleme haben laut Kotulek »ursächlich nichts mit der Frage LiMux oder Microsoft zu tun«.

    Extern, aber auch unabhängig?

    Letztes Jahr wurde beschlossen, ein externes Gutachten solle klären, ob Münchens IT mit LiMux für die Zukunft gut aufgestellt sei. Extern ist gut, dann aber bitte auch unabhängig. Beim beauftragten Unternehmen  Accenture ist die gebotene Neutralität jedoch nicht vorhanden, betreibt doch Accenture zusammen mit Microsoft das Unternehmen Avanade, dessen Geschäftsmodell es ist, Microsoft-Produkte in Unternehmen und Verwaltungen zu etablieren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

    Entsprechend mundgerecht fiel dann auch das Gutachten (PDF) aus. Mundgerecht für einen Bürgermeister Reiter, der sich selbst als Microsoft-Fan bezeichnet und damit brüstet, die Microsoft-Zentrale vom Umland in die Stadtmitte geholt zu haben. Obwohl die Analysten im Gutachten ebenso zu dem Schluss kommen, dass eher organisatorische als technische Gründe zu der beobachteten Unzufriedenheit führten – lediglich 50 – 60 Prozent der Mitarbeiter waren mit der IT zufrieden – führte dies jedoch nicht zu dem Schluss, LiMux weiter zu verbessern, während zeitgleich die organisatorischen Probleme angegangen werden. Nein, es soll ein neuer Windows-10-Client her.

    Teure Rückmigration

    Die Kosten hierfür sind bisher unklar. Im November soll die Lage im Stadtrat erneut erörtert werden. Klar sind jedoch die Lizenzkosten, die bei einer vollständigen Umstellung auf Windows 10 anfallen. Diese belaufen sich laut Gutachten auf rund sechs Millionen Euro für die Erstausstattung plus mehr als eine Million Euro jährlich. Das schließt noch nicht die Kosten für die nötige neue Hardware ein, auf der Windows 10 lauffähig ist. Bisherige Schätzungen nennen dafür einen zweistelligen Millionenbetrag.

    Wer verschwendet hier wirklich Steuergelder?

    Ich bin weder Wirtschaftsprüfer noch habe ich BWL studiert. Ich kann mich jedoch bei vernünftiger Betrachtung der Fakten des Eindrucks nicht erwehren, dass das jetzt vorliegende Schwarzbuch des Bunds der Steuerzahler die Steuerverschwendung an der völlig falschen Stelle sieht. Der schwarze Peter gehört hier eher in die Hände der Stadtverwaltung, die ein Open-Source-Projekt, das Sicherheit und Transparenz bietet und weltweit Beachtung und Nachahmer fand, abschaffen will um es mit einer proprietären Lösung zu ersetzen, die den Obersten in der Stadtverwaltung und in der Microsoft-Zentrale genehm ist.

  • Datensammelwut bei Mozilla Firefox

    Privatsphäre
    By: Aaron DavisCC BY-SA 2.0

    Im vergangenen Jahr hatte sich Mozilla an der Münchner Cliqz GmbH des Medien-Unternehmens Burda beteiligt. Neben einem eigenen Browser gleichen Namens entwickelte die Firma auch ein Firefox-Addon namens »Cliqz für Firefox«. Diese Erweiterung soll die Suchergebnisse des Browsers verbessern, indem eine Suche damit unmittelbar Website-Vorschläge in einem Dropdown-Menü anzeigt.

    Zudem sollen mehr an das Thema angrenzende Informationen vermittelt werden. Damit soll einer von Mozilla diagnostizierten Zentralisierung der Websuche entgegen gewirkt werden. Die Suchmaschine arbeitet dazu mit einem eigenständigen Web-Index, der unabhängig von herkömmlichen Suchmaschinen arbeitet. Um hier zu möglichst guten Ergebnissen zu gelangen und den Webindex weiter auszubauen, werden statistische Daten zur Relevanz von Webseiten verschlüsselt und auf die Server des Unternehmens übertragen, wo sie laut Mozilla anonymisiert werden. 

    Cliqz-Test mit Opt-out

    Ab nächster Woche wird Mozilla bei Firefox den bisher wichtigsten Cliqz-Test starten. Weniger als ein Prozent der Nutzer in Deutschland, die Firefox von der Mozilla-Webseite  aus installieren, erhalten eine Version des Browsers mit bereits aktivierten Cliqz-Empfehlungen. Dieses Experiment beinhaltet auch das Datenerfassungs-Tool, mit dem Cliqz seine Empfehlungsmaschine erstellt. Benutzer, die eine Version von Firefox mit Cliqz erhalten, werden ihre Surf-Aktivitäten an Cliqz-Server senden lassen, einschließlich der URLs der von ihnen besuchten Seiten. Anwender, die einen Browser mit aktiviertem Cliqz erhalten, können dessen Verwendung widersprechen oder das Addon gänzlich entfernen.

    Daten werden an Dritte übermittelt

    Cliqz verwendet laut Mozilla verschiedene Techniken, um zu versuchen, sensible Informationen von diesen Browsing-Daten zu entfernen, bevor sie von Firefox gesendet werden. Cliqz erstellt nach deren Aussage keine Browsing-Profile für einzelne Benutzer und verwirft die IP-Adresse des Benutzers, nachdem die Daten gesammelt wurden. Der Code von Cliqz ist auf GitHub einsehbar, das Verfahren erläutert

    Es ist verständlich, dass Mozilla Daten zur Verwendung des Browsers sammeln will um diesen weiter zu verbessern. Telemetriedaten werden in Firefox schon lange gesammelt. Dem muss der Anwender aber per Opt-in zustimmen. Erst im August erntete Mozilla negative Kritik mit der Ankündigung, mehr Daten ohne Zustimmung der Anwender sammeln zu wollen. Dabei betont Mozilla immer wieder, die Daten seien anonymisiert und würden transparent verwendet. 

    Viel Kritik an Datensammlung

    In Deutschland halten sich die Marktanteile von Googles Chrome und Firefox mit jeweils über 30 Prozenz noch die Waage. Allerdings sind deutsche Anwender auch besonders sensibel, wenn es um den Schutz der Privatsphäre geht. Da macht sich eine Meldung wie im Februar über die automatisch eingeschaltete Datensammlung bei Firefox Klar, einem Mobil-Browser, der eigentlich die Privatsphäre schützen soll, nicht sehr vorteilhaft. Vor allem dann nicht wenn die Daten an Dritte gehen, wie im Fall Firefox Klar an die Adjust GmbH. Mittlerweile ist die Sammelfunktion bei Firefox Klar allerdings standardmäßig ausgeschaltet. 

    Zurückgewonnenes Territorium nicht verspielen

    Mozilla verliert seit Jahren Marktanteile an Google Chrome. Derzeit läuft sehr erfolgreich mit dem Umbau des Browsers die technische Aufholjagd. Sie soll im November in Firefox 57 vorerst ihren Höhepunkt finden. Hier besteht die Chance, Anwender zurückzugewinnen. Diese Chance sollte nicht durch Datensammelwut gefährdet werden. Seht ihr das ähnlich?

  • Fallstricke eines freien mobilen Betriebssystems

    Linux Mobile
    By: Quinn DombrowskiCC BY-SA 2.0

     

    Der Markt der mobilen Betriebssysteme wird dominiert von Android und iOS. Daran etwas zu ändern wird schwierig bis unmöglich werden. Das hat nicht einmal Zuspätkommer Microsoft mit all seiner Marktmacht geschafft. Das heißt nicht, dass nicht immer wieder versucht werden sollte, ein weiteres, bevorzugt freies mobiles Betriebssystem auf möglichst freier Hardware in den Markt zu drücken. Ungeachtet der Misserfolge von MeeGo, Tizen oder Ubuntu Touch startet das US-Unternehmen Purism derzeit einen neuen Versuch mit den besten Vorsätzen. Freie Software auf freier Hardware soll es werden. Die geplante Hardware ist von der Leistung her durchaus akzeptabel. Android-Apps werden nicht unterstützt, Linux-Distributionen schon. Der Preis von 600 US-Dollar ist meiner Meinung nach noch vertretbar. So weit, so gut.

    Zuerst Fakten, dann Kampagne

    Ich bin allerdings der Meinung, das Purism das Pferd von hinten aufgezäumt hat. Eine Schwarmfinanzierung läuft seit rund drei Wochen und steht derzeit bei $363.511 oder 24,23 Prozent der angestrebten $1,5 Mio. Das ist zu wenig. Zu Beginn der Kampagne war in der Beschreibung zu lesen, das Betriebssystem für das Librem 5 solle mit dem GTK-Framework und GNOME erstellt werden. Daran gab es von Anfang an Zweifel, denn GNOME verfügt bisher über keine Grundlagen für ein mobiles OS und der Bedarf an GNOME-Entwicklern und Designern wurde aus berufenem Munde über den Verlauf mindestens eines Jahres auf mehr als ein Dutzend eingeschätzt. Ob die Erwartung von Purism, das stemmen zu können realistisch war, ist zumindest zweifelhaft. 

    KDE und GNOME gegen Android und iOS

    Vor einigen Tagen dann das Einlenken. Ab sofort wird auch KDE mit Plasma Mobile in die Entwicklung eingebunden. Plasma Mobile lässt sich bereits auf mehreren käuflichen Smartphones installieren, auch wenn es noch nicht zum täglichen produktiven Einsatz taugt. Aber immerhin, es läuft, und die Zusammenarbeit mit Purism bei der Anpassung an das Librem 5, so es denn zustande kommt, könnte der Entwicklung zusätzliche Entwickler und entscheidende Anstöße bringen

    Nun bin ich sowieso schon immer bei Qt und KDE zu Hause, aber auch wenn das nicht der Fall wäre, so spräche für mich die Logik für Plasma Mobile als den geeigneteren Ansatz. Aber Purism, die mit ihren Linux-Notebooks Librem 13 mit Coreboot und Librem 15 vor allem in den USA erfolgreich sind, legen sich jetzt noch nicht fest. Erst rund einen Monat nach dem Ende der Kampagne soll entschieden werden, welcher Ansatz sich auf dem Librem 5 als Betriebssystem wiederfindet.

    Best of both Worlds

    Der best-of-both-worlds-Ansatz scheint auf den ersten Blick attraktiv, lässt aber meines Erachtens den potenziellen Käufer außen vor. Eigentlich geht es ja ideologisch um das große Ganze, also ein erfolgreiches freies Smartphone, das neue Strukturen entstehen lässt und Linux endlich auf mobilen Plattformen verankert. Dem steht aber die menschliche Natur entgegen, die gerne ihre Vorlieben bedient sieht. Zudem möchte man wissen. wofür man $600 ausgibt. Ich kann es ja an mir selbst beobachten. Für ein Librem 5 mit Plasma Mobile hääte ich längst die Kreditkarte gezückt, bei der derzeit unklaren Lage habe ich bis heute morgen gezögert. Und das wird nicht nur mir so gehen. 

    Mehr Fakten – weniger Geschwafel

    Hatte sich Purism mit der Ankündigung von KDE als zusätzlichem Partner einen Schub bei der Kampagne erhofft, so ist dieser zumindest noch nicht eingetreten. Der Stand lag vor der Ankündigung bei rund 20 Prozent, jetzt sind es 24. Ein Weg, mehr Käufer zu gewinnen wäre vermutlich gewesen, zusätzliche Informationen zu Apps, Update-Verfahren und ähnlichem zu veröffentlichen anstatt Marketing-Gewäsch abzusondern wie etwa die Aussage von Purism-CEO Todd Weaver, der Plasma Mobile zutraut, das duale System von Android unbd iOS zu knacken. Solche Aussagen sind nicht hilfreich. 

    „Plasma Mobile will become a serious contender that may break the current duopoly.“ Todd Weaver, Purism CEO

    Lydia Pintscher als Präsidentin des KDE e.V. bleibt dagegen auf dem Boden und verspricht sich den Start ins reele Leben für Plasma Mobile:

    „Partnering with Purism will allow us to ready Plasma Mobile for the real world and integrate it seamlessly with a commercial device for the first time. The Librem 5 will make Plasma Mobile shine the way it deserves.“

    Die Chance auf ein Gelingen dieses Unterfangens erscheint mir trotzt der offensichtlichen Fehler bei der Planung persönlich als realistisch gegeben. Ich werde mein Teil dazu tun, meine Vorliebe für KDE überwinden und dem amerikanischen Spruch folgen: Put your money where your mouth is. Ich bitte jeden, der von sich glaubt, später mal ein Librem 5 erwerben zu wollen, es mir jetzt gleichzutun, um diese Chance für Linux auf mobilen Plattformen nicht vorüberziehen zu lassen. Es wäre schade drum. Das ist meine Meinung zum Librem 5, lasst mich eure in den Kommentaren wissen.