Kategorie: Meinung

  • Urheberechtsreform abgenickt – was nun?

    Urheberrechtsreform
    By: Maik MeidCC BY-SA 2.0

    In einem Akt der Ignoranz und mit dem Wohlergehen der Verlags- und Urheberrechts-Lobbies im Blick haben sich die Abgeordneten des EU-Parlaments gestern über die Willensbekundungen von 5 Millionen Petitions-Unterzeichnern, Hunderttausenden Demonstranten, den gesunden Menschenverstand und den Rat von Akademikern, Technologen und Menschenrechtsexperten hinweggesetzt und die Vorlage zur Urheberrechtsreform beschlossen.

    Aus 13 wird 17

    Was bedeutet das? Um zunächst der Verwirrung vorzubeugen: aus organisatorischen Gründen wird der umstrittene Artikel 13 künftig als Artikel 17 firmieren, ebenso wird Artikel 11 zu 15. Es werden also in näherer Zukunft vermutlich beide Bezeichnungen kursieren. Gemeint sind Artikel 11 und 13, in denen es in 11 um Leistungsschutzrecht und um die in 13 so diffus umschriebenen Uploadfilter geht.

    Nationales Recht

    Zunächst hat die Entscheidung noch keine Auswirkungen, sie muss erst in nationales Recht der Mitgliedsstaaten gegossen werden. Dazu haben die Länder Zeit bis 2021. Dabei hätte Deutschland die Möglichkeit, das Paket zu entschärfen. Aber das ist nicht zu erwarten, da unsere Politiker, egal ob lokal oder in Brüssel, sich ja nicht um ihr Geschwätz von gestern und um Koalitionsvereinbarungen geschert haben, sondern mal wieder das große Ganze zu unser aller Wohl im Blick hatten. Wer im letzten Satz Ironie entdeckt, darf sie behalten.

    Letzte Chance

    Es ist theoretisch möglich, dass der endgültige Text auf der Tagung des Europäischen Rates Ende dieses Monats nicht die Zustimmung einer Mehrheit der Mitgliedstaaten finden wird, aber dazu müsste mindestens ein Schlüsselland seine Meinung ändern. In der Debatte und bei der Reaktion der Bevölkerung waren Deutschland und Polen die beiden Länder mit den allermeisten Protesten gegen die Reform. Das eines der beiden Länder hier kippt, ist nicht gerade wahrscheinlich.

    Der endgültige Text der Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (PDF) geheißenen Verfügung legt, wie bereits bekannt, in Artikel 17 fest, daß für Urheberrechtsverletzungen künftig nicht mehr der Verursacher, sondern der Provider haftet. Die müssen sich theoretisch vor dem Hochladen von geschützten Inhalten durch ihre Anwender beim Rechteinhaber eine Lizenz besorgen oder den Upload solcher Daten sperren.

    Nicht leistbar

    Praktisch ist Ersteres so gut wie unmöglich, Letzteres können nur große Unternehmen mit viel Geld oder großen Entwicklungsabteilungen leisten. Bisher werden solche Filter lediglich von Google und Facebook und eventuell ein oder zwei asiatischen Anbietern verwendet. Insgesamt sind die Formulierungen in Artikel 17 und der gesamten Verfügung im Gegensatz etwa zur DSGVO derart schwammig, dass Rechtsexperten nicht sehen, wie Gerichte mit Streitfällen umgehen können sollen. So sollen die Pflichten der Anbieter »im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit« beurteilt werden. Hier muss nationale Ausprägung Klarheit schaffen, worin auch eine kleine Chance für Verbesserung liegt.

    Freie Software ausgenommen

    Artikel 17 definiert untrer anderem Ausnahmen für Zitate, Kritik, Rezensionen, Karikaturen und Parodien. Wie allerdings technische Vorrichtungen wie Uploadfilter hier Nuancen erkennen sollen bleibt unklar. Ausgenommen von den Pflichten des Artikel 17 sind laut FSFE auch Projekte im Bereich Freie Software: »Die Ausnahme von Entwicklungsplattformen für quelloffene Software in dieser Richtlinie ist entscheidend, um die Entwicklung Freier Software in Europa gesund, stabil und lebendig zu halten.«

    FSFE fordert freie Uploadfilter

    Das betrifft auch Plattformen wie GitHub, GitLab und andere, wo es im Vorfeld Befürchtungen gab, die freie Softwareentwicklung werde durch die Reform behindert. Die FSFE fordert nun, dass Monopole bei den Anbietern solcher Uploadfilter verhindert werden, indem »die Verbreitung von Uploadfiltern unter freien Software Lizenzen zu fördern [sei], auch durch finanzielle Unterstützung, beispielsweise im Rahmen der Forschungsprogramme Horizon2020 und Horizon Europe.

    Standortnachteil

    Negative Auswirkungen erwarten einige Wirtschaftsexperten bei der Gründung von Start-Ups. Hier gibt es zwar eine Ausnahmeregelung für Unternehmen, die jünger als drei Jahre sind, weniger als zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaften und weniger als fünf Millionen Nutzer pro Monat haben. Die Befürchtungen gehen aber davon aus, dass das für viele Gründer als Sicherheit nicht ausreicht. Wenn dies zutrifft, hat Europa sich damit einen Wettbewerbs- und Standortnachteil gegenüber den Platzhirschen aus Überseedir direkt ins Gesetz geschrieben.

    Klarheit in weiter Ferne

    Weitere Klarheit werden hier erst die nationalen Auslegungen bringen, die aber noch Jahre auf sich warten lassen werden. Die EU legt ihre gesetzten Fristen erfahrungsgemäß eher lasch aus, sodass bis 2021 bei Weitem nicht alle Länder die Vorlage in Gesetzesform gegossen haben werden. Erwartet wird, dass Frankreich und Deutschland hier Vorreiter sein werden und andere sich an deren Auslegung ausrichten.

    Abwählen? Ja bitte!

    Den Gegnern der Reform bleibt nun neben weiter anhaltender Meinungsbekundung nur, bei der Europawahl im Mai den Abgeordneten und deren Parteien, die sich über die Bedenken aus der Bevölkerung hinweggesetzt haben, ihre Stimme zu verweigern. Edward Snowden zeigte sich vom Ergebnis enttäuscht und rief per Twitter dazu auf, nicht für die Parteien zu stimmen, die der Urheberrechtsreform zugestimmt haben. Konkret erwähnte er die CDU/CSU.

  • Librem 5 Linux-Smartphone – Erwartung und Realität

    Librem 5 Basis-Apps

    Seit weit über einem Jahr ist das Librem 5, Purisms Linux-Smartphone nun in der Entwicklung. Dem voraus ging das Crowdfunding mit über zwei Millionen US-Dollar für die Entwicklung des freiesten Smartphones bis dato.

    Falsche Prämissen

    Bereits in dieser Phase traten die Berufsunken auf den Plan und prophezeiten, das Crowdfunding werde scheitern, sei ja bei Canonical auch so gewesen. Auch jetzt höre ich von verschiedenster Stelle immer wieder, das Projekt sei zum Scheitern verurteilt, denn es könne sich ja niemals gegen Android und iOS durchsetzen. Immer wieder gerne genommen wird auch die These, ohne Android-Apps könne man den Massenmarkt gleich vergessen.

    Zeitgenossen, die diese Argumente im Munde führen, sind oft die gleichen, die generell Linux die Fähigkeit absprechen, Windows zu ersetzen. Und genau da liegt der Hund begraben. Den meisten Linux-Begeisterten ist es im Grunde völlig egal, ob Linux am Desktop 2 oder 20 Prozent Marktanteil hat. Schöner wären natürlich 20 oder mehr, aber man kann halt nicht alles haben. Und das gilt auch für das Librem 5.

    Langfristige Entwicklung

    Hier kommen wir zur Erwartungshaltung. Wer glaubt, mit der Veröffentlichung des Librem 5 sei plötzlich alles gut und das bisher genutzte Phone könne in die Schublade, der wird enttäuscht sein. Das kann nicht funktionieren. Purism ist ein Unternehmen, dass auf die langfristige Entwicklung einer freien Hardwareplattform ausgerichtet ist, was man sehr schön bei den Fortschritten der Purism Laptops beobachten kann.

    Alles neu

    Das gleiche gilt für das Librem 5. Hier beobachten wir die Integration einer neuen Plattform mit Komponenten wie der CPU, die noch nie bei einem Smartphone zum Einsatz kam, einem bei mobilen Plattformen unüblichen Mainline-Kernel, eines für den Formfaktor neuen Betriebssystems sowie einer neuen Oberfläche.

    Das alles wird völlig offen und unter Einbeziehung diverser Communities realisiert. Damit wird der Grundstein gelegt für ein Ökosystem »Linux-Smartphone«, auf dem andere Unternehmen und Projekte aufsetzen können.

    Das Wissen um den Aufwand, der hier für Freiheit, Sicherheit und Schutz der Privatsphäre betrieben wird relativiert meiner Meinung nach auch das Argument, das Librem 5 sei mit derzeit 600 US-Dollar zu teuer.

    Brot und Butter

    Die rund 5.000 im Laufe des Jahres verschickten Einheiten konzentrieren sich in erster Linie auf das Brot- und Buttergeschäft eines Smartphones: Anrufe, E-Mail, Kontakte, Messaging und Webbrowser. Wenn Purism das einwandfrei funktionierend liefert, ist das schon sehr viel und ein großer Schritt vorwärts zur neuen Plattform.

    Es werden derzeit viele Apps für das Librem 5 geplant und realisiert, was allerdings davon bei Auslieferung bereits verfügbar sein wird, bleibt abzuwarten und sollte als das Tüpfelchen auf dem i gesehen werden.

    Das waren bei der Bestellung im Sommer 2017 meine Erwartungen und sind es noch heute. Wer anfänglich mehr erwartet, wird sich vermutlich enttäuscht abwenden. Und das wäre schade.

  • Red Hat unterstützt KDE nicht mehr

    Red Hat unterstützt KDE nicht mehr
    Bild: Red Hat Linux | Quelle: Leonid Mamchenkov | Lizenz: CC BY 2.0

     

    Ein wenig untergegangen in der Berichterstattung bezüglich der geplanten Übernahme von Red Hat durch IBM ist die Nachricht, dass Red Hat KDE als Desktop in seiner Distribution Red Hat Enterprise Linux (RHEL) künftig nicht mehr unterstützt. Die Plattformen, die die Nachricht brachten, haben sie aus meiner Sicht etwas zu hoch aufgehängt.

    Veralteter KDE-Desktop

    Und das aus mehreren Gründen: RHEL wird zum größten Teil als Server eingesetzt, der Anteil, den dabei Red Hat Desktop (RHD) einnimmt, ist überschaubar. Davon nutzen die allermeisten Anwender den von Red Hat bevorzugten GNOME-Desktop. Das ist verständlich, da das aktuelle RHEL 7.x größtenteils noch auf Fedora 19 und 20 von 2013 basiert und RHEL dementsprechend noch auf KDE 4 setzt.

    Historisch bedingt

    Der geringe Stellenwert von KDE bei Red Hat ist auch historisch bedingt, da Red Hat in seinen Anfangstagen KDE nicht unterstützt hat, weil Qt damals einer unfreien Lizenzen unterstand und somit KDE nicht als freie Software galt. Auch Debian weigerte sich damals, KDE auszuliefern. Das führte auch zum Beginn der GNOME-Entwicklung. Erst 2002 wurde die Linux-Version von Qt dual-lizensiert und unterlag fortan auch der GPL.

    Ferner liefen…

    Die Nachricht ging auch unter, da Red Hat sie in der Release-Ankündigung von RHEL 7.6 versteckt hat. Dort steht, in Kapitel 51, dass die eingestellten Funktionen enthält: [su_quote style=“modern-light“]KDE Plasma Workspaces (KDE), die als Alternative zur standardmäßigen GNOME-Desktopumgebung bereitgestellt werden, sind veraltet. Eine zukünftige Hauptversion von Red Hat Enterprise Linux wird die Verwendung von KDE anstelle der standardmäßigen GNOME-Desktopumgebung nicht mehr unterstützen. [/su_quote]

    Bis 2024 unterstützt

    KDE sowie alles, was in Kapitel 51 der »Red Hat Enterprise Linux 7.6 Versionshinweise« aufgeführt ist, wird während der gesamten Lebensdauer von Red Hat Enterprise Linux 7, die derzeit bis 2024 geplant ist, weiterhin unterstützt. Es besteht somit kein Grund zur Sorge für Anwender dieses KDE-4-Desktops, der, wenn das Support-Ende 2024 naht, immerhin bereits 11 Jahre auf dem Buckel hat. Ich finde es sehr verwunderlich, das Red Hat das ungeliebte KDE so lange mitgeschleppt hat.

    Kein Einfluss auf Fedora

    Für die KDE-Gemeinde sowie dessen Entwickler ist der Wegfall der Unterstützung kein Beinbruch, die dort verwendete Version wird bereits sehr lange nicht mehr vonseiten KDEs unterstützt. Auch bei Fedora spielt KDE nicht die erste Geige, zumindest gibt es aber einen Spin mit aktuellem Plasma-Desktop, der von Red Hats Entscheidung auch in keinster Weise betroffen ist.

  • Code of Conduct für alle

    Code of Conduct
    Bild: code | Quelle: Jakob Breivik Grimstveit | Lizenz: CC BY-SA 2.0

    Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Es scheint in diesen Tagen so, als gäbe es Verhaltensregeln für Open-Source-Projekte gerade irgendwo im Sonderangebot. Nicht nur für den Kernel, sondern auch für GNU, QT und SQlite sind CoCs in Arbeit oder bereits eingeführt.

    Klarstellung in Edinburgh

     »Nobody is entirely happy with it, but we can live with it.« Linus Torvalds zum CoC 

    Zunächst hat zum Wochenbeginn Linus Torvalds den selbst auferlegten Code of Conduct für die Kernel-Gemeinde im Rahmen des Open Source Summit in Edinburgh während des Maintainer Summits erklärt, verteidigt und dann dazu aufgerufen, zunächst keine weiteren Änderungen vorzunehmen, sondern zu reagieren wie es die jeweilige Sachlage erfordert.  Er habe den CoC in aller Eile und nur nach Absprache mit Freunden eingebracht, weil er vorab Kenntnis des Artikels im New Yorker erhalten habe, der gezielt auf seine verbalen Entgleisungen abstellt.

    Greg Kroah-Hartman erwähnte, der vorherige Code of Conflict bereits einige Jahre bestanden habe und lediglich drei eher substanzlose Beschwerden gezeitigt habe. Da fragt man sich doch, wozu der ganze Aufwand nun betrieben wurde? Wegen eines Zeitungsartikels, der ja nicht der erste seiner Art war?

    Die Kernel-Entwickler kommen aus allen Ecken der Welt und bringen ihr ethnisches Erbe mit. So können Japaner auf direkte Kritik mit einem starken Gefühl der Scham reagieren. Auch ein noch so guter CoC wird nie auf alle Ethnien eingehen können. Dem Japaner hilft es in dem Fall nicht, wenn die Kritik freundlich vorgetragen wird. Vielleicht fühlen sich potenzielle neue Mitglieder der Kernel-Gemeinde aber eher animiert, den Schritt zu wagen.

    Lob für RMS

    Den Beweis, dass es auch besser geht, trat dieser Tage Richard Stallman an und gab dem GNU-Projekt nun festgeschriebene Verhaltensregeln. Anders als Torvalds, der sich für seinen Code of Conduct das nicht unumstrittene Contributor Covenant zur Vorlage genommen hatte, schrieb Stallman dem GNU-Projekt die GNU Kind Communications Guidelines auf den Leib. Er setzt auf Verständnis und Einfühlungsvermögen anstatt auf Regeln und Sanktionen. Das brachte ihm in der Community und in der Presse großes Lob ein.

    Stallman stellte fest, dass sich neue Entwickler oft von der Teilnahme am GNU-Projekt ausgeschlossen fühlen, da ihnen die Kommunikation als unfreundlich, ablehnend oder rüde vorkommt. Daher sollen sich alle Mitwirkenden in den Diskussionen zum GNU-Projekt künftig bewusst darum bemühen, auf eine Weise zu kommunizieren, die dieses nicht wünschenswerte Ergebnis vermeidet.

    Qt entwirft noch

    Das Qt-Projekt ist noch nicht so weit, sondern steckt noch in der Entwurfsphase zu einem CoC. Dort heißt es unter anderem: »Wir möchten einen Weg aufzeigen, auf dem wir sicher konstruktive Kritik üben und Widerspruch einlegen können bei Ideen, mit denen wir nicht einverstanden sind, ohne respektlos gegenüber unseren Kollegen zu sein. Und wenn es Fälle gibt, in denen jemand aus diesem Bereich heraustritt, möchten wir einen Weg finden, das Problem friedlich zu lösen.« Auch Qt nimmt sich wie Torvalds das Contributor Covenant in Version 1.4 als Vorlage.

    Völlig am Ziel vorbei

    Was allerdings den Projektleiter von SQLite geritten hatte, als er seinem Projekt einen CoC mit reloigiösen Forderungen verpasste, fragen sich heute auf Twitter und anderswo viele Leser. Wenn andere Projekte in ihren Richtlinien Tugenden wie Freundlichkeit und Nächstenliebe einfordern, die durchaus Anleihen bei den 10 Geboten machen, orientieren sich die Regeln die D. Richard Hipp für das SQLite-Projekt aufgestellt hat, direkt an den fast 1.500 Jahre alten Regeln von St. Benedict von Nursia.

    Was in dem Regelwerk von Hipp unter Punkt 2 als »The Rule« in 72 Regeln festgelegt wird, hat in Richtlinien für Entwickler nichts zu suchen, denn sie grenzen beispielsweise durch ihre Formulierung Atheisten von der Teilnahme aus. Mittlerweile wurden die Regeln von Hipp aufgrund massiver Kritik in den Hintergrund gedrängt und die Mozilla Community Participation Guidelines als Coc für SQLite bestimmt.

    CoC von außen motiviert?

    Stellt sich noch die Frage, warum gerade jetzt so viele Projekte sich einen CoC geben wollen. Ich vermute mal, dass der Anstoß meist nicht aus den Projekten selbst kommt, sondern von außen von Unternehmen, die den Code des Projekts nutzen, herangetragen wird. Hier wünschen sich die Rechtsabteilungen einen festgeschriebenen Text, auf den sie sich berufen und dessen Umsetzung einfordern kann.

  • Copyright-Reform: Europa beugt sich den Konzernen

    Copyright-Reform
    Quelle: EFF | Lizenz: CC BY 3.0 US

     

    Die am 12. September 2018 erfolgte mehrheitliche Zustimmung des Europaparlaments zur Vorlage zur umstrittenen EU-Copyright-Reform beugt sich den Großkonzernen wie Google, Facebook und Verlagen wie Axel Springer. Der Lobbyismus trägt einen Sieg davon, die fast eine Million Unterschriften allein aus dem deutschsprachigen Raum gegen das Machwerk, dass den Namen Reform nicht verdient, blieben ohne Wirkung.

    Im Juli zunächst gescheitert

    Eine erste Abstimmung im Juli über die Position des Parlaments zu einem neuen »Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt« scheiterte, gestern wurde dann über die insgesamt 252 Änderungsanträge verschiedener Personen, Parteien und Koalitionen entschieden. Das Ergebnis der Entscheidung zum Vorschlag von Verhandlungsführer Axel Voss (CDU) am Mittwoch in Straßburg fiel mit 438 zu 226 Stimmen bei 39 Enthaltungen eindeutiger aus, als das nach der ersten fehlgeschlagenen Abstimmung zu erwarten war. In der Hauptsache geht es um die Artikel 11 und 13 der im Text noch nicht endgültigen Gesetzesvorlage.

    Leistungsschutzrecht

    Artikel 11 beschreibt ein neues Leistungsschutzrecht, dass die Verlage etwa an der digitalen Nutzung von sogenannten Snippets, Titeln und Anrissen von News und Artikeln von Informationsdiensten wie Google News und ähnlichen Aggregatoren finanziell beteiligen soll.  Dabei sollen die Inhalte der Verlage für 20 Jahre lang geschützt bleiben. In der vorliegenden Form würde dies klar die großen Verlage bevorzugen. Nach Recherchen von golem.de würde der Axel-Springer-Verlag bei uns derzeit fast 64 Prozent der Einnahmen erhalten, wogegen für kleine Verlage nur Krumen übrigbleiben würden.

    Die Nutzer von sozialen Medien sind von den Maßnahmen nicht betroffen, denn Privatpersonen dürfen weiterhin Inhalte verlinken. Wie das für Blogger aussieht, ist bisher nicht klar definiert. Die Kritik richtet sich hauptsächlich dagegen, dass die freie Verlinkung von Information im Netz infrage gestellt wird.

    Upload-Filter

    Artikel 13 behandelt die ebenfalls umstrittenen Upload-Filter. Dabei handelt es sich um softwaretechnische Maßnahmen, mit denen Online-Plattformen während des Hochladens von Nutzerinhalten prüfen, ob die Inhalte ein Urheberrecht verletzt. Das soll hauptsächlich große Anbieter betreffen. Ausnahmen soll es etwa für Wikipedia und Dienste wie Dropbox geben.

    Die Kritik an diesen Filtern bezieht sich hauptsächlich auf deren Unfähigkeit, zwischen rechtsverletzenden und legalen Werknutzungen zu unterscheiden. Dabei werden dann unter Umständen Inhalte rausgefiltert, die aufgrund des Zitatrechts legal sind. Zudem kann die Software beispielsweise Parodien, Satire oder Memes nicht erkennen.

    Gefahr von Überwachung und Zensur

    Tim Berners-Lee, der Erfinder des WWW sieht zudem die Gefahr, dass aus dem Internet durch Upload-Filter »ein Werkzeug für die automatisierte Überwachung und Kontrolle der Nutzer« werden könnte. Zudem steigt die Macht der großen Konzerne, die noch mehr als bisher bestimmen können, was die Filter passieren darf und was nicht.

    Noch ist nichts verloren

    Die Festlegung der Europaparlamentarier bedeutet noch nicht, dass die Vorlage Gesetzeskraft erhält. Der weitere Weg führt über die sogenannten Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission und Ministerrat, in dem die Mitgliedsländer vertreten sind. Die Verhandlungen müssen vor den nächsten EU-Wahlen am 23. Mai 2019 abgeschlossen sein.

    Sollten Upload-Filter nicht aus der endgültigen Entscheidung ausgenommen werden, so besteht die Möglichkeit, dass sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Thema befassen muss, da die Filter unter Umständen nicht mit dem Grundgesetz konform sind. Dazu muss aber zunächst die  endgültige Ausformulierung der Vorlage abgewartet werden.

    Unterschiedliche Einschätzung

    Die Einschätzung, ob die Vorlage nächstes Jahr verbindlich in Gesetzesform gegossen wird, sind unterschiedlich. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) und Mozilla sehen in ihren Stellungnahmen Chancen, den Kampf doch noch zu gewinnen. Viele Juristen sind dagegen der Meinung, das jetzige Abstimmungsergebnis sei zu eindeutig, um hier noch reelle Chancen auf eine Entscheidung gegen die beiden Artikel zu öffnen.

    Jetzt aufzugeben ist in jedem Fall verfrüht, die Zivilgesellschaft muss weiter sichtbar gegen diese Un-Reform bleiben. Das Internet ist bereits heute in einem beklagenswerten Zustand, weitere Zensur und noch mehr Einfluss der Großkonzerne sind nicht kampflos hinnehmbar.

     

  • Intel x86 – Sackgasse ohne Ausweg

    Intel x86 Bild: Hacker | Quelle: The Preiser Project | Lizenz: CC BY 2.0[/caption]

    Intels CPU-Sparte hat viele Probleme und es werden nicht weniger. Neben den Prozessorlücken Meltdown und Spectre, die tief im Silizium der Chips sitzen und fast im Wochentakt neue Angriffsvektoren offenbaren, entdecken Forscher auch immer wieder neue Sicherheitslücken in der Management Engine (ME) und der Active Management Technology (AMT). Aus Anwendersicht ist Intels x86-Schiene nichts weniger als eine Sackgasse.

    Volle Kontrolle

    Genauso wenig wie Meltdown und Spectre aus den derzeit verkauften Prozessorgenerationen entfernt werden kann, genauso wenig wird Intel jemals die Kontrolle über den ausgeführten Code in der ME aufgeben. Die Management Engine (ME), die beim Booten, zur Laufzeit und im Schlafmodus aktiv ist, wird über die permanente 5-V-Versorgung aus dem Netzteil gespeist und ist ein zusätzlicher Mikroprozessor, der in moderne Intel x86 CPUs eingebettet ist. Darin läuft ein Intel-signierter proprietärer Binär-Blob, der unter anderem über ein eigenes Betriebssystem und einen eigenen Webserver verfügt.Die ME hat direkten Zugriff auf das RAM, das Display, die Tastatur und das Netzwerk. Aufgrund der von der Hardware erzwungenen Code-Signing-Beschränkungen kann sie vom Benutzer nicht verändert oder ersetzt werden. AMD x86 CPUs haben übrigens einen ähnlichen Mikroprozessor, der auf den unverfänglichen Namen »Platform Security Processor«. Er ist auf genau die gleiche Weise abgeschottet.

    Löchriger Käse

    Die Sicherheitslücken in der ME sind ein Leckerbissen für jeden kriminellen Hacker, denn ein Eindringen in einen Rechner über die ME kann über lange Zeit unbemerkt bleiben. So wird zum Ausnutzen der aktuellen Lücke in der AMT nicht einmal mehr ein Admin-Account benötigt. Der Angriff kann nach Aussagen der Forscher von Positive Technologies ohne jede Autorisierung durchgeführt werden, wenn sich der Angreifer im gleichen Subnetz befindet.

    Besorgniserregende Technologie

    Als Anwender haben wir wenig bis keine Möglichkeiten, dem Bermudadreick Management Engine zu entkommen. Das hat die polnische Sicherheitsforscherin Joanna Rutkowska, die auch das Betriebssystem Qubes OS entwickelt, bereits 2015 in ihrem Essay Intel x86 considered harmful (PDF) als Fazit dargelegt.

    »Wir haben gesehen, dass Intel ME potenziell eine sehr besorgniserregende Technologie ist. Wir können nicht wissen, was alles wirklich in diesem Co-Prozessor ausgeführt wird, der immer eingeschaltet ist und der vollen Zugriff auf den Speicher unseres Hostsystems hat. Wir können ihn auch nicht deaktivieren. Wenn Du denkst, dass dies wie ein schlechter Witz klingt oder wie eine Szene, die von George Orwells Arbeit inspiriert ist, lieber Leser, dann bist Du nicht allein mit diesem Gedanken…« Joanna Rutkowska, Invisible Things Lab

    Ohne ME kein Booten

    In den letzten zwei Jahren haben einige Notebook-Hersteller wie Purism, System 76, Dell oder Tuxedo Computers daran gearbeitet, Intels ME zu neutralisieren und – einen Schritt weiter – zu deaktivieren.  Das ist ein sehr arbeit-intensives Unterfangen, an dem auch bei Google gearbeitet wird. Grundlegende Arbeit hat hier auch das Team von Positive Technologies geleistet. Die Entfernung gelingt bestenfalls zu rund 90 Prozent und Purism ist mit seinen Librem-Notebooks hier am weitesten fortgeschritten. Wird die ME völlig ausgeschaltet, hindert das den Rechner am Hochfahren. Also müssen einige Module der frühen Bootphase aktiv sein, um den Rechner überhaupt zu starten.

    Google gegen ME

    Google-Sicherheitsforscher Robert Minnich, der unter anderem auch an Linux Boot arbeitet,  geht davon aus, dass es viele Jahre dauern wird, bis die ME völlig unschädlich gemacht werden kann. Da man, ohne Aluhutträger zu sein, davon ausgehen kann, dass ME durch die NSA infiltriert ist, sind das keine rosigen Aussichten. Außerdem ist da noch das in Coreboot vorhandene Intel Firmware Support Package (FSP), das der Entschärfung bedarf.

    Träge Masse

    Dank der Trägheit der großen Masse der Computeranwender gibt es zu diesem Szenario wenig Alternativen. Genausowenig wie sich die Masse darum schert, welches Betriebssystem auf dem PC läuft, kümmert sie sich darum, wie sehr der Hersteller der CPU sie kontrollieren kann. AMD ist kein Ausweg und ist quasi durch Marktmacht gezwungen, diesen Weg mitzugehen.

    Kaum Alternativen zu Intel x86

    Alternative Plattformen wie ARM am Desktop existieren quasi nicht, Systeme, die dem Anwender die Kontrolle geben, sind in Preislagen angesiedelt, die sie für den Massenmarkt ungeeignet machen. Dazu gehören etwa Hersteller wie Raptor mit seinen Talos-Mainboards. Hier kommen Power9-CPUs zum Einsatz, die Preise für eine Workstation beginnen bei rund 3.000 Euro. Bleibt eigentlich nur, auf offene Plattformen wie RISC-V zu hoffen, die aber vom Erreichen des Massenmarkts noch viele Jahre entfernt sind. Keine rosigen Aussichten, oder?

  • Ubuntu und der Datenschutz

    Ubuntu und der Datenschutz
    Photo by Dayne Topkin on Unsplash

    Windows 10 ist, was den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre im Allgemeinen angeht, eine Katastrophe. Microsoft sah sich Monate nach der Veröffentlichung gezwungen, zurückzurudern. Aber der Ruf in dieser Hinsicht ist ruiniert und nur, wer wirklich nichts zu verbergen hat, nutzt guten Gewissens diese Auskunftei.

    Aber im Ernst: Auf der anderen Seite der Medaille stehen Linux-Distributionen wie Debian und viele andere, die in ihren Richtlinien die oben genannten Werte als unbedingt schützenswertes Gut ansehen. Irgendwo dazwischen steht Ubuntu, das ja formal auch eine Linux-Distribution ist.

    Ubuntu ist fast wie Linux

    Formal deshalb, weil es auf Debian aufbaut, sich aber ansonsten meist wenig um Gepflogenheiten der Linux-Community schert. Muss man ja auch nicht, muss aber dann mit der Reaktion der Anwender klarkommen. So erzürnt Mark Shuttleworth immer mal wieder die Gemüter der Gemeinde mit Entscheidungen, die so überhaupt nicht zu Linux und Open Source passen, sondern eher in die Windows-Welt.

    Zu nennen sind hier beispielsweise das Amazon-Affiliate-Programm, die inzwischen wieder abgeschafften Smart Scopes, zu deutsch Shopping-Linsen und aktuell mit dem gerade veröffentlichten Ubuntu 18.04 LTS das Abgreifen von Telemetriedaten. Verwerflich daran ist nicht der Wunsch nach Daten über Soft- und Hardware der Anwender, sondern die Tatsache dass der Anwender mit der grassierenden Seuche des Opt-out widersprechen muss, um dem zu entgehen.

    Datenschutz ade

    Bereits von 2012 bis 2016 hat Canonical grob gegen den Schutz der Privatsphäre verstoßen und damit, trotzt späterer Nachbesserung, das Vertrauen vieler Anwender verspielt. Suchbegriffe, die ab Ubuntu 12.10 in die Suchmaske der Unity-Dash eingegeben wurden, weil Anwender Informationen auf ihrem lokalen Gerät finden wollten, wurden ins Internet ausgeweitet und gerieten zur Produktsuche. Neben Amazon hatte Canonical rund 50 Partner, an die Suchbegriffe weitergegeben wurden, um die Systeme der Anwender zuspammen zu können. Suchte ein Anwender beispielsweise einen bestimmten Song auf seiner Festplatte, so erhielt er zusätzlich Links zu Amazon, die den Song oder andere Werke des Künstlers zum Kauf anboten.

    Zu Spyware verkommen

    Das ist so weit von Linux entfernt, wie es eben geht. Richard Stallman bezeichnete Ubuntu daraufhin als Spyware. Auch die Electronic Frontier Foundation (EFF) äußerte starke Bedenken gegen die Verwendung der Scopes, wobei wiederum nur der Opt-out die Privatsphäre zurückbrachte. Technisch wurde bei jeder Suchanfrage eine HTTPS-Verbindung zu productsearch.ubuntu.com aufgebaut und die Suchanfrage samt der IP übertragen. Die Antwort von Amazon oder anderen Partnern kam  ungesichert über HTTP zurück. Der Aufschrei der Community war nicht zu überhören. Das focht Shuttleworth aber zunächst nicht an, im Gegenteil. Seine Rechtfertigung war mehr als fadenscheinig:

    »…Du Vertraust du uns nicht? Ähm, wir haben Root. Du vertraust uns bereits Deine Daten an. Du vertraust darauf, dass wir Deine Maschine nicht bei jedem Update versauen. Du vertraust Debian und Du vertraust einem großen Teil der Open-Source-Community…«

    Perfider Vergleich

    Besonders der Vergleich mit Debian ist perfid. Debian hat einen Sozialvertrag und kümmert sich aktiv um den Schutz der Privatsphäre. Die einzigen Daten, die Debian gerne von den Anwendern hätte, finden sich in Debian Popularity Contest (Popcon). Damit will Debian feststellen, wie oft ein Paket bei den Anwendern instaliert ist. Debian fragt bei der Installation nach, ob das Paket aktiviert werden soll. Mit Ubuntu 18.04 wird neben dem Abgreifen der Telemetriedaten auch Popcon ungefragt installiert und liefert somit Daten an Canonical. Damit wird obige Einlassung von Shuttleworth aus dem Jahr 2013 endgültig zur Farce. Hier ergibt sich also klar eine Unterscheidung zwischen Ubuntu und Debian und den meisten anderen Distributionen, die nicht auf Ubuntu basieren.

    Unity 8 anyone?

    2014 wurde angekündigt, die Scopes würden als Opt-in gestaltet. Dazu hieß es, mit der kommenden Version 8 von Unity finde eine Desktop-Suche standardmäßig nur noch Daten auf dem heimischen PC. Erst nach der selektiv möglichen Aktivierung der Scopes könne auch bei diversen Anbietern gesucht werden.  Wie wir heute wissen, kam Unity 8 nie und die Umstellung auf Opt-in kam erst mit Ubuntu 16.04 LTS. Lediglich die Amazon-Linse wurde bereits mit 14.04 umgestellt. Wenn man also einrechnet, dass Ubuntu 14.04 LTS noch bis April 2019 unterstützt wird, so fungierte Ubuntu sieben Jahre lang als Spamschleuder für rund 50 Canonical-Partner, sofern sich der Anwender nicht aktiv dagegen entschied.

    Richtlinien nur auf Englisch

    Dieses Verhalten ist in den Richtlinien von Canonical festgelegt und somit rechtlich legitimiert. Die aktuell gültige Fassung dieser nur auf Englisch vorliegenden Privacy Policy stammt von 8. Februar 2016, also wenige Monate vor dem Erscheinen von Ubuntu 16.04. In der Einleitung heißt es:

    Deine Privatsphäre ist uns wichtig. Diese Richtlinien beschreiben die Informationen, die wir von Dir sammeln – und was wir damit machen.

    Für mich klingen die Richtlinen dann aber eher so, als seien unsere Daten wichtig für Canonical und nicht unsere Privatsphäre. Die Richtlinien, die ausdrücken sollen, wie ernst unsere Privatsphäre genommen wird, beginnen meist mit »Wir werden nicht…« und enden in »…außer es ist wirklich notwendig.« Da wissen wir doch gleich, woran wir sind.

    Etwas weiter unten wirds dann deutlicher:

    Canonical kann nicht personenbezogene Informationen sammeln, wie sie typischerweise von Webbrowsern und Servern zur Verfügung gestellt werden, wie z.B. Browsertyp, verweisende Seite, Datum und Uhrzeit der Anfrage eines jeden Besuchers. Unser Ziel bei der Erfassung nicht personenbezogener Daten ist es, besser zu verstehen, wie Besucher unsere Websites und Dienstleistungen nutzen.

    Das nennt man heutzutage Tracking. Jeder tut es – keiner will es. Das Werbemodell des Internets basiert immer stärker darauf und es ist zum Scheitern verurteilt. Entweder es werden neue Modelle umgesetzt oder das Internet, wie wir es wollen, stirbt, Canonical hält es aber für angemessen, an diesen Praktiken mitzuwirken. Fehlerreports werden versendet und erlauben die Identifikation des sendenden Rechners. Je mehr Daten generell gesammelt werden, desto eher lasssen sich Profile zusammensetzen. Das Senden der Fehlerreports lässt sich einfach in /etc/default/apport abstellen.

    Für die OnlineKonten innerhalb Ubuntus existiert eine eigene Richtlinie, die das Ablegen von authentifizierenden Cookies sanktioniert.

    Der Abschnitt über die Suche in der Dash birgt auch brisante Festlegungen. Zu Beginn wird auf die ab 16.04 abgeschaltete Ausweitung der Suche über den lokalen Rechner hinaus eingegangen. Sollte der Anwender sich aber mit der ausgeweiteten Suche einverstanden erklären, gilt folgendes:

    Mit der Suche in der Dash stimmst Du der Erfassung und Verwendung Deiner Suchbegriffe und Deiner IP-Adresse durch Canonical und ausgewählte Dritte zu.

    In Bezug auf diese Dritten heißt es dann:

    Informationen darüber, wie unsere ausgewählten Drittparteien Ihre Informationen verwenden können, finden Sie in deren Datenschutzrichtlinien.

    Wie bei Facebook

    Darauf folgt die Liste der über 50 Partner. Aha, ich soll also die Richtlinien von über 50 Unternehmen studieren. Danke, aber verdammt nochmal, nein danke. Das erinnert doch alles fatal an Facebook und Cambridge Analytics. Wir verkaufen mal eben eure Daten, was Dritte dann damit tun, interessiert uns doch nicht. Im Abschnitt »Access« geht es dann darum, wer Zugriff auf vom Anwender zur Verfügung gestellter Daten oder solcher, die Canonical über ihn gesammelt hat, erhält:

    Die Informationen, die Du uns zur Verfügung stellst, werden auf Computern gespeichert und können von unseren Mitarbeitern innerhalb und außerhalb Großbritanniens und an Dritte, einschließlich Auftragnehmer und Unternehmen innerhalb der Canonical-Gruppe, für die in dieser Datenschutzrichtlinie dargelegten Zwecke, d.h. um Dir Produkte oder Dienstleistungen bereitzustellen, oder wie anderweitig mit Dir vereinbart, abgerufen oder weitergegeben werden. Du erkennst an, dass es notwendig sein kann, dass Deine Daten von diesen Parteien verarbeitet werden und dass sie an jemanden weitergegeben werden können, der uns in einem anderen Land, auch außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums, eine Dienstleistung erbringt, und Du stimmst einer solchen Verarbeitung und Übermittlung zu. Wenn es notwendig ist, Deine persönlichen Daten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums zu übermitteln, werden wir alles daran setzen, dass die Person, an die wir die persönlichen Daten weitergeben, diese mit dem gleichen Schutzniveau behandelt wie wir.

    Deine Daten werden übereignet

    Zu guter Letzt dann noch das i-Tüpfelchen: Sollte Canonical verkauft werden oder mit einem anderen Unternehmen zusammengehen, so gehen die Daten an den neuen Besitzer oder Partner über. Erinnert sich noch jemand an das immer mal wieder geschürte Gerücht, Microsoft wolle Canonical übernehmen? Und bestimmt könnte es noch schlimmer kommen.

    Gegen Telemetriedaten ist grundsätzlich nichts zu sagen, sie können Entwicklern helfen, Produkte im Sinne der Anwender zu verbessern. Aber es sollte -und das nicht nur unter Linux – klar sein, dass das immer per Opt-in zu geschehen hat und nicht umgekehrt. Klar erhält Canonical so weniger Daten. Aber der Schutz der Privatsphäre hat dabei immer das höchste Gut zu sein, nicht der Wunsch nach Daten.

    Ubuntu Community-Edition?

    Auch andere große Unternehmen, die mit Linux arbeiten haben ähnliche  Richtlinien, die sie gesetzlich absichern. Dazu gehören beispielsweise Red Hat und SUSE. Doch hier gibt es einen entscheidenden Unterschied: Besagte Unternehmen trennen ihre kommerziellen Angebote und die dem privaten User zugewandten kostenfreien Angebote wie etwa Fedora oder openSUSE ab und übergeben sie der Community zur Entwicklung. Dann kann man auf solch rigide Richtlinien verzichten. Vielleicht ist das auch der Weg, den Canonical gehen sollte, um aus der Schusslinie zu kommen. Realistisch betrachtet ist Ubuntu doch sowieso völlig aus dem Fokus geraten, seit Canonical nennenswerte Umsätze in den Bereichen Server und Cloud macht. Oder wie seht ihr das?

  • 23.000 TLS-Zertifikate zwangsweise widerrufen

    23.000 Zertifikate widerrufen
    Quelle: Tim Evans auf Unsplash

     

    Es ist hinlänglich bekannt, dass das Ausstellen von TLS-Zertifikaten für die Certificate Authorities (CA) eine Lizenz zum Gelddrucken ist. Zudem ist auch hinlänglich belegt, dass die CAs, die eigentlich besonders vertrauenswürdig sein sollten, nicht immer nach den Regeln spielen. Gerade erst verlor Symantec als CA das Vertrauen von Google, da sich die CA nicht an fundamentale Regeln des Kontrollgremiums CA/Browser Forum  gehalten hatte. Symantec verkaufte die Zertifikatssparte daraufhin an DigiCert, eine der ganz großen CAs.

    Befremdliche Anfrage

    Was jetzt allerdings im Nachgang der Symantec-Affäre über Zertifikats-Wiederverkäufer Trustico bekannt wurde, lässt die Haare zu Berge stehen. Der Geschäftsführer hat laut einem Bericht von DigiCert vor einigen Tagen den Widerruf von rund 50.000 Zertifikaten von Symantec, GeoTrust, Thawte and RapidSSL eines bestimmten Zeitraums beantragt, die Trustico als Reseller ausgestellt hatte, da diese kompromittiert seien. Man wolle diese Zertifikate an die CA Comodo übertragen.

    Tatbestand erfüllt

    DigiCert teilte daraufhin mit, ein solcher Massenwiderruf sei nur möglich, wenn die Zertifikate kompromittiert seien. Daraufhin übersandte der Trustico-Geschäftsführer über 23.000 private Schlüssel per E-Mail an DigiCert, womit der Tatbestand der Kompromittierung klar erfüllt war. Das Schlüsselwort hier ist natürlich »privat«, aber dazu kommen wir noch. Ob hier Vorsatz oder einfach nur Unfähigkeit am Werk war ist unklar.

    Schaden beim Kunden

    Dadurch war DigiCert nun gezwungen, die Zertifikate, zu denen diese Schlüssel gehörten, innerhalb von 24 Stunden zu widerrufen. So verlangen es die Regeln des  CA/Browser Forums. Später gab der Trustico-CEO an, die Kompromittierung sei bereits infolge der Tatsache gegeben, dass Google den ehemals von Symantec ausgestellten Zertifikaten mit der im März erwarteten Veröffentlichung vom Googles Browser Chrome 66 nicht mehr vertraue. DigiCert stellt klar, das sei nicht der Fall. Als Nachfolger von Symantecs CA stelle man allen betroffenen Kunden kostenfrei Ersatz-Zertifikate zur Verfügung. Sowohl eine Stellungnahme von Trustico als auch deren Webseite zum Erstellen von Zertifikaten sind derzeit wegen Server-Überlastung nicht zu erreichen.

    Laientheater

    Was ist hier nun schiefgelaufen, außer das ein offensichtlich von den Anforderungen an seinen Job völlig überforderter Geschäftsführer massenweise private Schlüssel per Mail versendet? Schiefgelaufen ist, dass er diese privaten Schlüssel gar nicht erst hätte haben dürfen. Private Schlüssel sollten den Rechner, auf dem sie erstellt wurden, nicht verlassen, denn sonst sind sie nicht mehr privat. Deshalb wird immer ein Schlüsselpaar erstellt, das neben dem privaten auch einen öffentlichen Schlüssel enthält.

    Schlimmer gehts nimmer

    Das Geschäftsmodell von Trustico sieht allerdings vor, die Schlüssel im Browser auf der Webseite der CA zu erstellen bevor die Anfrage nach Ausstellung eines Zertifikats getätigt wird. Die dabei erzeugten privaten Schlüssel hat Trustico offensichtlich abgegriffen und (nach eigenen Aussagen) auf einem nicht mit dem Netz verbundenen Rechner gespeichert, um einen späteren eventuellen Widerruf zu vereinfachen. Schlimmer gehts nimmer. Wer so fundamental Regeln mißachtet, sollte nicht als CA tätig sein dürfen.

    Edit: 2. März 12:45

    Es geht doch noch schlimmer. Wie Golem heute berichtet, fand sich auf der Webseite von Trustico eine Möglichkeit für eine Script-Injection-Attacke, mit der man Code mit Root-Rechten ausführen konnte. Auf Twitter wurden Fotos von solchen Angriffen gepostet, die über das Eingabefeld zur Domain-Verifizierung ausgeführt wurden. Entgegen der Aussage im Bericht von Golem ist die Webseite wieder online.

     

     

  • Linux 2017: Erfolge und Niederlagen

    Linux 2017
    Bild: „Penguin / Learning to fly“ von Milada Lizenz: CC BY-SA 2.0

     

    Und wieder ist ein Jahr an Tux vorübergezogen. Linux erfreut sich auch weiterhin eines wachsenden Zuspruchs. Die Liste der 500 leistungsfähigsten Supercomputer zeigt, dass alle diese Rechner Linux nutzen, ohne Ausnahme. Linux ist in Ampeln, Supermarktkassen, an der Börse und im Weltraum anzutreffen. Open-Source und Busyness gehören mittlerweile untrennbar zusammen und fähige Open-Source-Entwickler sind stark nachgefragt. Nur am Desktop kann Linux immer noch nicht erfolgreich Fuß fassen. Auch 2017 war wieder nicht das Jahr des Linux-Desktops. Eigentlich sogar fast das Gegenteil.

    Vom idealen Desktop geträumt

    Kurz nach der Jahrtausendwende hatte der südafrikanische Entrepreneur Mark Shuttleworth einen Traum. Er glaubte zu wissen, welcher Zutaten es bedarf, um Linux erfolgreich am Desktop zu etablieren. Geld spielte erst mal keine Rolle, denn es war bis dahin allen klar, dass mit Linux am Desktop kein Geld zu verdienen war. Aber Geld hatte Shuttleworth erst einmal genug. So gründete er die Firma Canonical und kreierte die Distribution Ubuntu. Ziel war zunächst, so viele Anwender wie möglich für Ubuntu zu gewinnen.

    Das gelang so gut, dass nach wenigen Jahren Ubuntu die am meisten verwendete Distribution war. Ubuntu war Einstiegspunkt für Millionen neuer Linux-User. Allerdings machte sich Shuttleworth bei der etablierten Linux-Community mit vielen Alleingängen und zweifelhaften Entscheidungen auch reichlich unbeliebt. Aber der Traum ging noch weiter. Ubuntu sollte nicht nur den Desktop beherrschen, sondern ihn mit der mobilen Welt konvergent verbinden.

    Ausgeträumt

    Der Traum endete jäh im April 2017, als Shuttleworth bekanntgab, Unity 8 werde ebenso eingestellt wie Ubuntu Touch und Mir. Damit starb auch der Konvergenzgedanke. Das Display-Protokoll Mir wird noch für das IoT weiterentwickelt, anstelle der Eigenentwicklung Unity krönt nun aber wieder, wie in den Anfangstagen, GNOME den Ubuntu-Desktop. Und jetzt wissen es alle: Mit Linux ist am Desktop kein Geld zu machen. Wenn das möglich wäre, hätte es Red Hat vermutlich schon getan. Und da Canonical an die Börse will, kann sich das Unternehmen, das mittlerweile über 100 Mio. US-Dollar Umsatz pro Jahr macht, keine Zuschussgeschäfte leisten.

    Schmierentheater zu Lasten von Linux

    Eine weitere Niederlage verschaffte uns München. Genau, es geht um LiMux. Wie dort die beiden Bürgermeister Dieter Reiter (SPD) und dessen Vize Josef Schmid (CSU) über mehrere Jahre das Projekt LiMux demontiert haben war schon ein bayrisches Schmierentheater übelster Sorte. Gezielt wurde das Projekt mit Scheinargumenten und Unwahrheiten schlachtreif geschossen, um nun für insgesamt 89 Mio Euro die verkorkste IT-Landschaft der Stadt umzumodeln und wieder mit Microsoft-Produkten auszustatten.

    Damit hat OB Reiter, ein bekennender Microsoft-Spezl, der auch den Umzug der Microsoft-Niederlassung vom Stadtrand in die Stadt deichselte, Linux zum Buhmann gestempelt, obwohl eine fehlkonstruierte IT-Architektur für die meisten Probleme verantwortlich war und keineswegs LiMux. Auch der Bund der Steuerzahler tat sich in dieser Hinsicht mit Unkenntnis hervor und stieß ins verkehrte Horn. Angesichts der nun veranschlagten 89 Mio. Euro bei LiMux, das effektiv Geld einsparte, von Steuerverschwendung zu sprechen, ist der blanke Hohn, hatte doch LiMux bereits 2012 über 10 Mio. Euro eingespart.

    Linux Notebooks boomen

    Erfreuliche Nachrichten gibt es bei Linux-Notebooks zu vermelden. Es werden immer mehr und sie werden immer besser. Eines sind sie allerdings nicht gerade und das ist günstig. Wer zwischen 1.000 und 1.500 Euro auszugeben bereit ist, erhält in den Formfaktoren 13- und 15-Zoll eine gute Auswahl an auf Linux vorbereitete Arbeitspferde. Besonders positiv fiel 2017 dabei das US-Outfit Purism auf.  Die Firma konnte nicht nur vermelden, ihre Notebooks mit Coreboot auszuliefern sondern auch, diese mit deaktivierter Intel Management Engine auszuliefern. Letzteres vermeldete zuletzt auch der Hersteller System 76, der ebenfalls auf Linux-Notebooks spezialisiert ist.

    Purism konnte auch an anderer Stelle glänzen. Die Schwarmfinanzierung für das Linux-Smartphone Librem 5 konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Unter anderem arbeiten sowohl GNOME als auch KDE an der Umsetzung des Betriebssystems mit. Das Smartphone soll Anfang 2019 erscheinen und auch den Konvergenzgedanken am Leben erhalten.

    Weitere Projekte versuchen sich darin, am Thron von Android und iOS zu sägen. Neben dem von der Community übernommenen Ubuntu Touch kämpfen an dieser Front auch der Neueinstieg eelo sowie LineageOS mit und ohne Google-Dienste als Nachfolger von CyanogenMod. Demnächst soll laut Samsung Linux auch mittels der App Linux on Galaxy und einem Dock namens DeX auf den Smartphones Galaxy Note 8, S8 und S8+ laufen.

    Gut verpackt

    2017 konnte man keinen Stein werfen, ohne einen Container zu treffen. War diese neue Gattung bereits in den Jahren zuvor in aller Munde, so fand der Siegeszug in diesem Jahr statt. Nicht mehr so sehr in aller Munde, aber in sehr vielen Entwicklungsumgebungen werden Anwendungen in Containern, sei es auf der Basis von Docker, CoreOS oder LXC/LXD, erstellt und verteilt. Zur Orchestrierung großer Mengen von Containern hat sich das ursprünglich von Google entwickelte Kubernetes durchgesetzt, das mittlerweile unter dem Schirm der Cloud Native Computing Foundation steht. Diese neuen Techniken wären ohne Kernel-Funktionen wie Cgroups und Namespaces zur Isolation nicht denkbar.

    Neue Paketsysteme

    Mit Fedoras Flatpak und Snaps von Ubuntu wurden 2017 zwei neue Paketsysteme kontrovers diskutiert. Beiden gemeinsam ist, dass sie distro-agnostisch sind und ihre Abhängigkeiten größtenteils mitbringen, sofern diese nicht bereits in einer vorinstallierten Runtime-Umgebung vorhanden sind. Ist Flatpak eher für den Desktop gedacht so geht das Konzept von Snap darüber hinaus und soll für Canonical den weiteren Siegeszug im Internet der Dinge ebnen. Der Ubuntu-Sponsor will zudem möglichst bald eine Version von Ubuntu veröffentlichen, die nur aus Snaps besteht. Ob sich die neuen Formate durchsetzen werden oder nicht ist noch unklar. Klar ist, dass keines der beiden Systeme in absehbarer Zeit die herkömmlichen Paketformate DEB und RPM ersetzen wird.

    Der Kernel und sein Gebieter

    Die Kernel-Entwicklung verlief 2017 gewohnt gradlinig. Das Jahr wurde mit Kernel 4.9 begonnen und endet mit Kernel 4.14, dem im Januar 4.15 folgen wird. Für den Sommer ist abzusehen, dass Linus Torvalds die Reihe 4.x einstellen und zu 5.x übergehen wird. Der Meister der Kernel hat sich auch im ausgehenden Jahr wieder des Öfteren wortgewaltig geäußert. Im Fokus schien 2017 die Sicherheit und ihre Lücken zu stehen. Das auf Sicherheit beim Kernel fokussierte Projekt Grsecurity bezeichnete Torvalds als Müll und die Entwickler als Clowns.

    Auch für den bei Google angestellten Kernel-Sicherheitsforscher Kees Cook und sein Projekt Kernel Self-Protection Project (KSPP) fand Torvalds nur harsche Worte. Ein Pull Request von Cook vom November brachte den Linux-Overlord auf die Palme. Er stellte klar, dass für ihn Sicherheitslücken im Kernel auch nur Bugs sind und als solche behandelt werden. Dafür neue Regeln einzuführen, die bei Verletzung eine Kernel-Panik auslösen sei absolut unakzeptabel und »pure and utter bullshit«. Und die Sicherheits-Experten, die über seine Aussage bezüglich der Einordnung von Sicherheitsproblemen im Kernel spotten würden, seien »f*cking morons«. Gewohnt markige Worte halt.

    Vom Rest das Wichtigste

    AMD ging auch 2017 den vor zwei Jahren eingeschlagenen Weg der Öffnung seiner Grafiktreiber weiter. Im Jahr 2015 hatte das Unternehmen den neuen Open-Source-Grafikstack AMDGPU veröffentlicht, auf dem nun auch der proprietäre Catalyst-Treiber aufsetzt. Erst vor wenigen Tagen hat AMD den Linux-Vulkan-Treiber AMDVLK als Open-Source veröffentlicht.

    Die 32-Bit-Architektur hat ihre besten Tage hinter sich. Das war auch 2017 verstärkt zu bemerken. Die Distributionen siduction, Tails, Manjaro, Arch Linux, Ubuntu und Openmandriva stellten ihre 32-Bit-Unterstützung ein. Vor wenigen Tagen gab auch Nvidia bekannt, bald keine Treiber für diese Architektur mehr bereitstellen zu wollen.

    Wayland setzte auch 2017 seinen Weg fort, künftig den herkömmlichen X-Server zu ersetzen. Mit Unterstützung durch Xwayland setzte Fedora seit Ausgabe 25 vom November 2016 als erste Distribution standardmäßig auf Wayland. Ubuntu folgte im Oktober 2017. GNOME ist klar vorne, was Wayland-Unterstützung für Desktop-Umgebungen angeht, aber auch der Support für KWin als Compositor in KDE ist relativ weit gediehen.

    Auch für Nextcloud war 2017 ein erfolgreiches Jahr. Schaut man sich die Anfragen bei Google nach Nextcloud und ownCloud an, so stehen derzeit beide gleichauf, Nextcloud allerdings mit einem anhaltenden Aufwärtstrend. 2017 gehörte Nextcloud 12 und brachte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, einen neuen Android Client in Version 2 sowie einer neuen Architektur zum besseren Skalieren. Nextcloud 13 steht bereits für erste Tests zur Verfügung.

    So geht Linux 2017 mit Erfolgen und Niederlagen zu Ende. Das Jahr des Linux-Desktops wird dann bestimmt 2018. Falls das überhaupt wichtig ist. Das muss jeder Leser für sich entscheiden. Für den schreibenden Kollegen Swapnil Bhartiya ist es wichtig. Er hat ein Video erstellt indem er seine Gedanken äußert, wie Linux am Desktop ein Erfolg werden kann. Seine Stichworte sind: keine Fragmentierung, Zusammenarbeit, praktisches Denken und ein Sinn für Realitäten. Dem werden viele Linux-Nutzer und -Entwickler zustimmen.

     

     

     

     

     

     

     

  • Mozilla und Mr. Robot

    Mozilla und Mr. Robot
    Bild: Wikimedia Lizenz: CC0 1.0

     

    Ich mag Mozilla. Ich mag Mozilla sogar sehr. Es fühlt sich einfach besser an, Software zu nutzen, die von Leuten stammt, deren Ideologie ich unterstützen kann. Mozilla setzt sich für Datenschutz, Privatsphäre und die Freiheit des Internet ein und ich kauf ihnen das ab. Das ist es, was sie bewegt. Dahinter stehen keine Anteilseigner, die den Kurs mitbestimmen, es ist eine gemeinnützige Stiftung.

    Aber liebe Mozillianer: Warum schießt ihr euch mit schöner Regelmäßigkeit selbst in den Fuß und führt euer eigenes Credo ad absurdum? Das tut doch weh! Das tut vor allem den Anwendern weh, die mit solchen Aktionen verunsichert werden und deren Privatsphäre verletzt wird. Wie gerade wieder mit Mozillas letzter unüberlegter Aktion.

    Automatisch installiert

    Vor wenigen Tagen entdeckten Firefox-Nutzer eine Erweiterung auf ihren Rechnern, die sie nicht installiert hatten. Es handelte sich um die Erweiterung Looking Glass, die ein Spiel bewirbt, dass auf der Hacker-Serie Mr. Robot basiert, die mittlerweile in der dritten Staffel ausgestrahlt wird. Mozilla hatte die Erweiterung ohne Nachfrage auf Anwendersystemen im deaktivierten Modus installiert und hielt es für eine gute Idee, Mozilla mit dem Hackerethos in Mr. Robot zu assoziieren. Dort geht es darum, einen weltumspannenden Konzern zu Fall zu bringen, der die Menschen unter seiner Kontrolle hat.

    Bitte fragt uns!

    Gut und schön, kann man machen, aber wer bitte hatte denn die Wahnsinnsidee, die Anwender damit zu überraschen ohne sie zu fragen? Damit macht man genau das, wogegen sich Mr. Robot ausspricht. Dramatischer Effekt hin oder her, gibt es denn bei Mozilla niemand, der die Nutzer von Firefox kennt und voraussehen würde, dass ein Sturm der Entrüstung folgen würde? Hätte man mich gefragt…

    Mittlerweile hat Mozilla zurückgerudert, gerade so, als sei man überrascht über die Welle an Kritik, die die Aktion auslöste. Mozilla war gerade dabei, durch die Veröffentlichung von Firefox 57 »Quantum« Boden gutzumachen und Anwender vom »bösen Imperium« zurückzugewinnen. Die Aktion mit Mr. Robot hat einiges von diesem wiedergewonnenen Vertrauen wieder zerstört, wenn man den Kommentaren auf Reddit und anderswo Glauben schenkt.

    Unnötiger Schaden

    Der Schaden für Mozilla betrifft dabei auch das Werkzeug, mit dem die Erweiterung eingespielt wurde. Es handelt sich um das im September vorgestellte Projekt Shield Studies, das, sowieso schon umstritten, Mozilla dazu dient, Anwender-Rückmeldungen in Form von Telemetriedaten zu sammeln und experimentelle Funktionen auszuliefern. Die Kritik machte sich vor allem daran fest, dass die Erweiterung bei Anwendern automatsich installiert werdern sollte und nur per Opt-out zu deaktivieren sein sollte.

    Mit seiner letzten Aktion beschädigte Mozilla also gleichzeitig das Vehikel, das benötigt wird um Entwickler und Entscheider bei Mozilla mit Nutzerdaten zu versorgen. Somit war Zurückrudern angesagt. Der bei Mozilla für das Marketing zuständige Jascha Kaykas-Wolff tat das dann auch nach Leibeskräften, nachdem die Aktion gestoppt war und die Erweiterung im Mozilla Store landete, wo jeder, der mag, sie installieren kann:

    Es ist an der Zeit, zu sagen dass wir in den letzten 24 Stunden sehr viel gelernt haben…. Obwohl wir immer die besten Absichten haben, funktioniert nicht alles, was wir versuchen, so, wie wir es wollen.

    Das mit den Absichten glaube ich ja, aber bitte, Mozilla, wer immer diese Entscheidung getroffen hat, lasst ihn nichts mehr entscheiden. Danke.