
Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Es scheint in diesen Tagen so, als gäbe es Verhaltensregeln für Open-Source-Projekte gerade irgendwo im Sonderangebot. Nicht nur für den Kernel, sondern auch für GNU, QT und SQlite sind CoCs in Arbeit oder bereits eingeführt.
Klarstellung in Edinburgh
»Nobody is entirely happy with it, but we can live with it.« Linus Torvalds zum CoC
Zunächst hat zum Wochenbeginn Linus Torvalds den selbst auferlegten Code of Conduct für die Kernel-Gemeinde im Rahmen des Open Source Summit in Edinburgh während des Maintainer Summits erklärt, verteidigt und dann dazu aufgerufen, zunächst keine weiteren Änderungen vorzunehmen, sondern zu reagieren wie es die jeweilige Sachlage erfordert. Er habe den CoC in aller Eile und nur nach Absprache mit Freunden eingebracht, weil er vorab Kenntnis des Artikels im New Yorker erhalten habe, der gezielt auf seine verbalen Entgleisungen abstellt.
Greg Kroah-Hartman erwähnte, der vorherige Code of Conflict bereits einige Jahre bestanden habe und lediglich drei eher substanzlose Beschwerden gezeitigt habe. Da fragt man sich doch, wozu der ganze Aufwand nun betrieben wurde? Wegen eines Zeitungsartikels, der ja nicht der erste seiner Art war?
Die Kernel-Entwickler kommen aus allen Ecken der Welt und bringen ihr ethnisches Erbe mit. So können Japaner auf direkte Kritik mit einem starken Gefühl der Scham reagieren. Auch ein noch so guter CoC wird nie auf alle Ethnien eingehen können. Dem Japaner hilft es in dem Fall nicht, wenn die Kritik freundlich vorgetragen wird. Vielleicht fühlen sich potenzielle neue Mitglieder der Kernel-Gemeinde aber eher animiert, den Schritt zu wagen.
Lob für RMS
Den Beweis, dass es auch besser geht, trat dieser Tage Richard Stallman an und gab dem GNU-Projekt nun festgeschriebene Verhaltensregeln. Anders als Torvalds, der sich für seinen Code of Conduct das nicht unumstrittene Contributor Covenant zur Vorlage genommen hatte, schrieb Stallman dem GNU-Projekt die GNU Kind Communications Guidelines auf den Leib. Er setzt auf Verständnis und Einfühlungsvermögen anstatt auf Regeln und Sanktionen. Das brachte ihm in der Community und in der Presse großes Lob ein.
Stallman stellte fest, dass sich neue Entwickler oft von der Teilnahme am GNU-Projekt ausgeschlossen fühlen, da ihnen die Kommunikation als unfreundlich, ablehnend oder rüde vorkommt. Daher sollen sich alle Mitwirkenden in den Diskussionen zum GNU-Projekt künftig bewusst darum bemühen, auf eine Weise zu kommunizieren, die dieses nicht wünschenswerte Ergebnis vermeidet.
Qt entwirft noch
Das Qt-Projekt ist noch nicht so weit, sondern steckt noch in der Entwurfsphase zu einem CoC. Dort heißt es unter anderem: »Wir möchten einen Weg aufzeigen, auf dem wir sicher konstruktive Kritik üben und Widerspruch einlegen können bei Ideen, mit denen wir nicht einverstanden sind, ohne respektlos gegenüber unseren Kollegen zu sein. Und wenn es Fälle gibt, in denen jemand aus diesem Bereich heraustritt, möchten wir einen Weg finden, das Problem friedlich zu lösen.« Auch Qt nimmt sich wie Torvalds das Contributor Covenant in Version 1.4 als Vorlage.
Völlig am Ziel vorbei
Was allerdings den Projektleiter von SQLite geritten hatte, als er seinem Projekt einen CoC mit reloigiösen Forderungen verpasste, fragen sich heute auf Twitter und anderswo viele Leser. Wenn andere Projekte in ihren Richtlinien Tugenden wie Freundlichkeit und Nächstenliebe einfordern, die durchaus Anleihen bei den 10 Geboten machen, orientieren sich die Regeln die D. Richard Hipp für das SQLite-Projekt aufgestellt hat, direkt an den fast 1.500 Jahre alten Regeln von St. Benedict von Nursia.
Was in dem Regelwerk von Hipp unter Punkt 2 als »The Rule« in 72 Regeln festgelegt wird, hat in Richtlinien für Entwickler nichts zu suchen, denn sie grenzen beispielsweise durch ihre Formulierung Atheisten von der Teilnahme aus. Mittlerweile wurden die Regeln von Hipp aufgrund massiver Kritik in den Hintergrund gedrängt und die Mozilla Community Participation Guidelines als Coc für SQLite bestimmt.
CoC von außen motiviert?
Stellt sich noch die Frage, warum gerade jetzt so viele Projekte sich einen CoC geben wollen. Ich vermute mal, dass der Anstoß meist nicht aus den Projekten selbst kommt, sondern von außen von Unternehmen, die den Code des Projekts nutzen, herangetragen wird. Hier wünschen sich die Rechtsabteilungen einen festgeschriebenen Text, auf den sie sich berufen und dessen Umsetzung einfordern kann.
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