Linux 2017: Erfolge und Niederlagen

Linux 2017
Bild: „Penguin / Learning to fly“ von Milada Lizenz: CC BY-SA 2.0

 

Und wieder ist ein Jahr an Tux vorübergezogen. Linux erfreut sich auch weiterhin eines wachsenden Zuspruchs. Die Liste der 500 leistungsfähigsten Supercomputer zeigt, dass alle diese Rechner Linux nutzen, ohne Ausnahme. Linux ist in Ampeln, Supermarktkassen, an der Börse und im Weltraum anzutreffen. Open-Source und Busyness gehören mittlerweile untrennbar zusammen und fähige Open-Source-Entwickler sind stark nachgefragt. Nur am Desktop kann Linux immer noch nicht erfolgreich Fuß fassen. Auch 2017 war wieder nicht das Jahr des Linux-Desktops. Eigentlich sogar fast das Gegenteil.

Vom idealen Desktop geträumt

Kurz nach der Jahrtausendwende hatte der südafrikanische Entrepreneur Mark Shuttleworth einen Traum. Er glaubte zu wissen, welcher Zutaten es bedarf, um Linux erfolgreich am Desktop zu etablieren. Geld spielte erst mal keine Rolle, denn es war bis dahin allen klar, dass mit Linux am Desktop kein Geld zu verdienen war. Aber Geld hatte Shuttleworth erst einmal genug. So gründete er die Firma Canonical und kreierte die Distribution Ubuntu. Ziel war zunächst, so viele Anwender wie möglich für Ubuntu zu gewinnen.

Das gelang so gut, dass nach wenigen Jahren Ubuntu die am meisten verwendete Distribution war. Ubuntu war Einstiegspunkt für Millionen neuer Linux-User. Allerdings machte sich Shuttleworth bei der etablierten Linux-Community mit vielen Alleingängen und zweifelhaften Entscheidungen auch reichlich unbeliebt. Aber der Traum ging noch weiter. Ubuntu sollte nicht nur den Desktop beherrschen, sondern ihn mit der mobilen Welt konvergent verbinden.

Ausgeträumt

Der Traum endete jäh im April 2017, als Shuttleworth bekanntgab, Unity 8 werde ebenso eingestellt wie Ubuntu Touch und Mir. Damit starb auch der Konvergenzgedanke. Das Display-Protokoll Mir wird noch für das IoT weiterentwickelt, anstelle der Eigenentwicklung Unity krönt nun aber wieder, wie in den Anfangstagen, GNOME den Ubuntu-Desktop. Und jetzt wissen es alle: Mit Linux ist am Desktop kein Geld zu machen. Wenn das möglich wäre, hätte es Red Hat vermutlich schon getan. Und da Canonical an die Börse will, kann sich das Unternehmen, das mittlerweile über 100 Mio. US-Dollar Umsatz pro Jahr macht, keine Zuschussgeschäfte leisten.

Schmierentheater zu Lasten von Linux

Eine weitere Niederlage verschaffte uns München. Genau, es geht um LiMux. Wie dort die beiden Bürgermeister Dieter Reiter (SPD) und dessen Vize Josef Schmid (CSU) über mehrere Jahre das Projekt LiMux demontiert haben war schon ein bayrisches Schmierentheater übelster Sorte. Gezielt wurde das Projekt mit Scheinargumenten und Unwahrheiten schlachtreif geschossen, um nun für insgesamt 89 Mio Euro die verkorkste IT-Landschaft der Stadt umzumodeln und wieder mit Microsoft-Produkten auszustatten.

Damit hat OB Reiter, ein bekennender Microsoft-Spezl, der auch den Umzug der Microsoft-Niederlassung vom Stadtrand in die Stadt deichselte, Linux zum Buhmann gestempelt, obwohl eine fehlkonstruierte IT-Architektur für die meisten Probleme verantwortlich war und keineswegs LiMux. Auch der Bund der Steuerzahler tat sich in dieser Hinsicht mit Unkenntnis hervor und stieß ins verkehrte Horn. Angesichts der nun veranschlagten 89 Mio. Euro bei LiMux, das effektiv Geld einsparte, von Steuerverschwendung zu sprechen, ist der blanke Hohn, hatte doch LiMux bereits 2012 über 10 Mio. Euro eingespart.

Linux Notebooks boomen

Erfreuliche Nachrichten gibt es bei Linux-Notebooks zu vermelden. Es werden immer mehr und sie werden immer besser. Eines sind sie allerdings nicht gerade und das ist günstig. Wer zwischen 1.000 und 1.500 Euro auszugeben bereit ist, erhält in den Formfaktoren 13- und 15-Zoll eine gute Auswahl an auf Linux vorbereitete Arbeitspferde. Besonders positiv fiel 2017 dabei das US-Outfit Purism auf.  Die Firma konnte nicht nur vermelden, ihre Notebooks mit Coreboot auszuliefern sondern auch, diese mit deaktivierter Intel Management Engine auszuliefern. Letzteres vermeldete zuletzt auch der Hersteller System 76, der ebenfalls auf Linux-Notebooks spezialisiert ist.

Purism konnte auch an anderer Stelle glänzen. Die Schwarmfinanzierung für das Linux-Smartphone Librem 5 konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Unter anderem arbeiten sowohl GNOME als auch KDE an der Umsetzung des Betriebssystems mit. Das Smartphone soll Anfang 2019 erscheinen und auch den Konvergenzgedanken am Leben erhalten.

Weitere Projekte versuchen sich darin, am Thron von Android und iOS zu sägen. Neben dem von der Community übernommenen Ubuntu Touch kämpfen an dieser Front auch der Neueinstieg eelo sowie LineageOS mit und ohne Google-Dienste als Nachfolger von CyanogenMod. Demnächst soll laut Samsung Linux auch mittels der App Linux on Galaxy und einem Dock namens DeX auf den Smartphones Galaxy Note 8, S8 und S8+ laufen.

Gut verpackt

2017 konnte man keinen Stein werfen, ohne einen Container zu treffen. War diese neue Gattung bereits in den Jahren zuvor in aller Munde, so fand der Siegeszug in diesem Jahr statt. Nicht mehr so sehr in aller Munde, aber in sehr vielen Entwicklungsumgebungen werden Anwendungen in Containern, sei es auf der Basis von Docker, CoreOS oder LXC/LXD, erstellt und verteilt. Zur Orchestrierung großer Mengen von Containern hat sich das ursprünglich von Google entwickelte Kubernetes durchgesetzt, das mittlerweile unter dem Schirm der Cloud Native Computing Foundation steht. Diese neuen Techniken wären ohne Kernel-Funktionen wie Cgroups und Namespaces zur Isolation nicht denkbar.

Neue Paketsysteme

Mit Fedoras Flatpak und Snaps von Ubuntu wurden 2017 zwei neue Paketsysteme kontrovers diskutiert. Beiden gemeinsam ist, dass sie distro-agnostisch sind und ihre Abhängigkeiten größtenteils mitbringen, sofern diese nicht bereits in einer vorinstallierten Runtime-Umgebung vorhanden sind. Ist Flatpak eher für den Desktop gedacht so geht das Konzept von Snap darüber hinaus und soll für Canonical den weiteren Siegeszug im Internet der Dinge ebnen. Der Ubuntu-Sponsor will zudem möglichst bald eine Version von Ubuntu veröffentlichen, die nur aus Snaps besteht. Ob sich die neuen Formate durchsetzen werden oder nicht ist noch unklar. Klar ist, dass keines der beiden Systeme in absehbarer Zeit die herkömmlichen Paketformate DEB und RPM ersetzen wird.

Der Kernel und sein Gebieter

Die Kernel-Entwicklung verlief 2017 gewohnt gradlinig. Das Jahr wurde mit Kernel 4.9 begonnen und endet mit Kernel 4.14, dem im Januar 4.15 folgen wird. Für den Sommer ist abzusehen, dass Linus Torvalds die Reihe 4.x einstellen und zu 5.x übergehen wird. Der Meister der Kernel hat sich auch im ausgehenden Jahr wieder des Öfteren wortgewaltig geäußert. Im Fokus schien 2017 die Sicherheit und ihre Lücken zu stehen. Das auf Sicherheit beim Kernel fokussierte Projekt Grsecurity bezeichnete Torvalds als Müll und die Entwickler als Clowns.

Auch für den bei Google angestellten Kernel-Sicherheitsforscher Kees Cook und sein Projekt Kernel Self-Protection Project (KSPP) fand Torvalds nur harsche Worte. Ein Pull Request von Cook vom November brachte den Linux-Overlord auf die Palme. Er stellte klar, dass für ihn Sicherheitslücken im Kernel auch nur Bugs sind und als solche behandelt werden. Dafür neue Regeln einzuführen, die bei Verletzung eine Kernel-Panik auslösen sei absolut unakzeptabel und »pure and utter bullshit«. Und die Sicherheits-Experten, die über seine Aussage bezüglich der Einordnung von Sicherheitsproblemen im Kernel spotten würden, seien »f*cking morons«. Gewohnt markige Worte halt.

Vom Rest das Wichtigste

AMD ging auch 2017 den vor zwei Jahren eingeschlagenen Weg der Öffnung seiner Grafiktreiber weiter. Im Jahr 2015 hatte das Unternehmen den neuen Open-Source-Grafikstack AMDGPU veröffentlicht, auf dem nun auch der proprietäre Catalyst-Treiber aufsetzt. Erst vor wenigen Tagen hat AMD den Linux-Vulkan-Treiber AMDVLK als Open-Source veröffentlicht.

Die 32-Bit-Architektur hat ihre besten Tage hinter sich. Das war auch 2017 verstärkt zu bemerken. Die Distributionen siduction, Tails, Manjaro, Arch Linux, Ubuntu und Openmandriva stellten ihre 32-Bit-Unterstützung ein. Vor wenigen Tagen gab auch Nvidia bekannt, bald keine Treiber für diese Architektur mehr bereitstellen zu wollen.

Wayland setzte auch 2017 seinen Weg fort, künftig den herkömmlichen X-Server zu ersetzen. Mit Unterstützung durch Xwayland setzte Fedora seit Ausgabe 25 vom November 2016 als erste Distribution standardmäßig auf Wayland. Ubuntu folgte im Oktober 2017. GNOME ist klar vorne, was Wayland-Unterstützung für Desktop-Umgebungen angeht, aber auch der Support für KWin als Compositor in KDE ist relativ weit gediehen.

Auch für Nextcloud war 2017 ein erfolgreiches Jahr. Schaut man sich die Anfragen bei Google nach Nextcloud und ownCloud an, so stehen derzeit beide gleichauf, Nextcloud allerdings mit einem anhaltenden Aufwärtstrend. 2017 gehörte Nextcloud 12 und brachte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, einen neuen Android Client in Version 2 sowie einer neuen Architektur zum besseren Skalieren. Nextcloud 13 steht bereits für erste Tests zur Verfügung.

So geht Linux 2017 mit Erfolgen und Niederlagen zu Ende. Das Jahr des Linux-Desktops wird dann bestimmt 2018. Falls das überhaupt wichtig ist. Das muss jeder Leser für sich entscheiden. Für den schreibenden Kollegen Swapnil Bhartiya ist es wichtig. Er hat ein Video erstellt indem er seine Gedanken äußert, wie Linux am Desktop ein Erfolg werden kann. Seine Stichworte sind: keine Fragmentierung, Zusammenarbeit, praktisches Denken und ein Sinn für Realitäten. Dem werden viele Linux-Nutzer und -Entwickler zustimmen.

 

 

 

 

 

 

 

Kommentare

5 Antworten zu „Linux 2017: Erfolge und Niederlagen“

  1. Avatar von thoys

    Hei,

    danke dir für den guten Artikel mit einer Menge Infos, die einem einen Überblick geben.
    Besonders weh tut es einem natürlich um Limux, wenn es da nicht die typischen „Ich boykottiere alles und sage dann ‚habs ja gewusst’“ Menschen gegeben hätte, wäre das ein großer Schritt in Richtung einer von großen Firmen unabhängigen Regierung und Demokratie gewesen. Das jetzt ist natürlich – leider – auch ein Zeichen für Berlin.

    Schöne Grüße und einen guten Rutsch

    Thoys

  2. Avatar von Jonatan Hatakeyama Zeidler
    Jonatan Hatakeyama Zeidler

    Danke für die Zusammenfassung. Eine Korrektur muss ich anmerken: Fedora ist nicht die einzige Distro, die auf Wayland setzt. Seit 17.10 ist in Ubuntu Wayland Standard. Außerdem finde ich die Sicht auf Ubuntu Touch zu negativ. Klar hat Canonical das Projekt aufgegeben. Mit UBports nimmt das Ganze aber gerade richtig Fahrt auf. Zu Weihnachten wurde die erste Vorschau für Android-Apps-Unterstützung präsentiert. Für mich ist Ubuntu Touch keine Niederlage, sondern ein Hoffnungsträger.

    1. Avatar von Ferdinand

      Mit Ubuntu und Wayland hast du natürlich recht, das hab ich völlig verdrängt. Ich würde mir nur zu gerne deine Sicht auf Ubuntu Touch zueigen machen, allein mir fehlt der Glaube, dass das Projekt genügend Traktion aufnehmen kann.

  3. Avatar von Jonatan Hatakeyama Zeidler
    Jonatan Hatakeyama Zeidler

    Und noch einen Erfolg möchte ich ergänzen. Mit dem Projekt Halium ist der Grundstein gelegt worden für eine größere Vielfalt von Linux-Systemen auf mobilen (Android-basierten) Geräten. Sowohl Ubuntu Touch, als auch KDE Mobile beteiligen sich daran. Weitere werden sicherlich folgen.

  4. Avatar von Bernd Volkmann
    Bernd Volkmann

    Danke für den Artikel und die gelungene Übersicht für 2017. Ja, leider gibt es auch immer wieder downs für
    Linux- Benutzer.
    Dass die Entwicklung mit LiMux zum Himmel stink war klar wie der Umzug von Mircrosoft bekannt wurde.

    Ich wünsche Dir ein erfolgreiches Jahr 2018!

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