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Allzu lange dauert es nicht mehr bis zur Bundestagswahl. Keine zwei Wochen mehr haben noch all jene, die nicht schon per Briefwahl gewählt haben, sich zu entscheiden. Auch über die Digitalisierung wird gestritten – sollte man meinen. Aber viel mehr als Buzzwords auf Wahlplakaten konnte man kaum entdecken. Aktuelle Sonntagsfragen scheinen wichtiger zu sein und auch im ersten »Triell« wurde keine Frage zur Digitalisierung gestellt.
Das soll hier auf Linuxnews nachgeholt werden. Dafür wurden zunächst alle großen Parteien angefragt, uns ein Interview rund um das Thema Digitalpolitik zu vermitteln. Herausgekommen sind schließlich zwei Interviews mit zwei jungen Gesichtern: Tim Klüssendorf von der SPD und Dennis Pucher von der FDP stellten sich unseren Fragen. Es ist schade, dass die anderen Parteien sich entweder nicht adäquat oder gar nicht meldeten.
Analyse der Stiftung Neue Verantwortung
Dafür soll nun ein Blick in eine Analyse der Wahlprogramme geworfen werden. Diese wurde im August von der Stiftung Neue Verantwortung veröffentlicht. Als Kernthemen in der Digitalpolitik dienen dabei die Verwaltungsdigitalisierung und die Breitbandinfrastruktur. Die Autoren haben aus den jeweils letzten beiden Wahlprogrammen der Parteien die digitalpolitschen Versprechen diesen Themen zugeordnet und dann nach auch deren Relevanz analysiert: Taucht das Thema gar nicht auf, wird lediglich in wenigen Sätzen auf das Thema eingegangen, umfangreich oder gar konkrete Umsetzungsmaßnahmen skizziert?
Dieser Methodik muss sich der Leser natürlich bewusst sein. Wahlprogramme zu lesen ist oftmals eine unbefriedigende Angelegenheit. Vieles wird meist ohnehin vage gehalten, damit das Programm noch lesbar bleibt, was am Ende Koalitionsverhandlungen (so man überhaupt regieren möchte) übersteht und dann auch noch umgesetzt wird, kann keiner absehen.
Alle wollen Open Source
Zumindest erfreulich ist es, dass alle Parteien das Thema »Open Source« für sich entdecken konnten. 2017 spielte das nur in den Papieren von SPD, Linkspartei und den Grünen eine Rolle, nun ziehen CDU und FDP sogar mit hoher Relevanz nach und selbst die AfD, der die Autoren sonst bescheinigen, dass »sich schlicht zu wenig Substanz zu den von uns untersuchten Themen [findet]«, spricht sich für mehr freie Software aus.
Diese Übereinstimmung in den Zielen ist im Übrigen nicht nur bei dem Thema »Open Source« so, sondern wird von den Autoren über nahezu alle Themen hinweg betrachtet. Allerdings bleiben die Formulierungen vage und konkrete Ziele fehlen zumeist. Ähnliches haben ja bereits einige Leser unter den Interviews festgestellt. Letztlich muss man konstatieren: Hilfreich für die Wahlentscheidung wird das, was in den Wahlprogrammen steht, kaum sein, wenn es um Digitalisierung und »Open Source Software, Open Standards« geht.
Und so fürchtet auch die Stiftung Neue Verantwortung, dass es trotz des parteiübergreifenden Konsens wieder mal bei der Umsetzung haken wird. Deswegen hat sie vor kurzem noch einen »Aufruf an alle Parteien und politischen Entscheidungsträger:innen« zu den zentralen Fragestellungen der Digitalpolitik verfasst.
Hess J, Heumann S. Das Fundament erfolgreicher Digitalpolitik. Stiftung Neue Verantwortung. 2021. Verfügbar unter: https://www.stiftung-nv.de/sites/default/files/snv_fundament-der-digitalpolitik.pdf (CC BY-SA 4.0)
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