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Die Briefwahl für die Bundestagswahl hat begonnen. Ein nicht ganz unwichtiges Thema stellt dieses Jahr die Digitalisierung dar. Nach unserem ersten Interview freuen wir uns mit Dennis Pucher von der FDP einen zweiten Kandidaten, der frisch und mit Ideen zu dem Thema Digitalisierung in den Bundestag möchte, für ein Interview zu gewinnen.
Dennis Pucher, stelle Dich gerne einmal kurz vor.
Mein Name ist Dennis Pucher, bin 41 Jahre alt, verheiratet und wohnhaft im wunderschönen Lich im Herzen von Mittelhessen, wo ich als FDP-Spitzenkandidat zur bevorstehenden Bundestagswahl antrete. Von Beruf bin ich seit mittlerweile über 10 Jahren unternehmerisch in den Bereichen Digitalisierung und Fördermittel tätig. Im Rahmen meiner Arbeit begleite ich tagtäglich Unternehmen, aber auch Kommunen, Landkreise und Ministerien rund um das Thema Digitalisierung, mit einem Schwerpunkt auf digitalen Infrastrukturen.
Eines Deiner zentralen politischen und auch beruflichen Themen ist die Digitalisierung, was heißt das für Dich?
Eine ganze Menge: Arbeits- und Lebensweisen werden neu gedacht, Prozesse verändern sich, Strukturen werden angepasst und die Wege, wie wir kommunizieren, uns kennenlernen oder auch informieren werden revolutioniert. Es gibt praktisch keinen Bereich, der nicht durch die Digitalisierung berührt wird. Kurzum: Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch über kurz oder lang digitalisiert. Das alles erfolgt in atemberaubender Geschwindigkeit und wir müssen aufpassen, nicht den Anschluss, aber auch nicht die Kontrolle zu verlieren. Entscheidend ist dabei, dass wir ein breites Verständnis für die digitale Revolution als eine der größten Chancen und Herausforderungen unserer Zeit wecken. Und da muss die Politik ran! Wir brauchen mehr Verständnis, mehr Koordination, mehr Expertise, mehr Impulse und mehr Tempo.
Dabei müssen wir uns aber auch immer wieder in Erinnerung rufen, dass die Technik dem Menschen dient und nicht umgekehrt. Wir brauchen Kontrollinstanzen, die auf die Wahrung der unverhandelbaren und grundlegenden Bürgerrechte achten. Ebenso bin ich sicher, dass wir in naher Zukunft auch eine breite gesellschaftliche Debatte über die ethisch-moralischen Grenzen der Digitalisierung, beispielsweise in der Pflege, führen werden.
Was haben die Freien Demokraten zu den Themen freie Software und digitale Souveränität im Programm?
Digitale Souveränität ist ein sehr komplexer Begriff und berührt eine Vielzahl an Themen aus dem digitalen Spektrum, die sowohl für Einzelpersonen, aber auch den Staat als Ganzes von Relevanz sind – gerade in puncto der Gewährleistung von Sicherheit im Netz. Die Handlungsfelder sind dabei recht eindeutig: Neben der generellen Awareness und dem Kompetenzgewinn brauchen wir Technik- und Datensouveränität, ergänzt durch geeignete staatliche Rahmenbedingungen. Hier ist die Politik in der Pflicht.
Fakt ist, dass Deutsche und Europäer in ihrer täglichen Digitalroutine in der Mehrzahl Produkte asiatischer oder nordamerikanischer Anbieter nutzen. Dort werden unsere Standards an Persönlichkeitsrechten, Selbstbestimmung und Datensicherheit häufig wenig bis gar nicht geachtet. Wir haben es noch nicht geschafft, eine überzeugende europäische Antwort zu liefern. Wenn wir Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte in einer zunehmend digitalisierten Welt verteidigen wollen, müssen wir uns eben bewusst machen, dass nicht alle Länder unsere Werte teilen. Im Gegenteil: Manche Technologie wurde sogar bewusst mit dem Ziel entwickelt, die eigene Bevölkerung zu überwachen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir dieser Technologie vertrauen können und dadurch diese Systeme unterstützen wollen oder ob wir nicht besser in eigene Konzepte und Lösungen investieren. Beispielsweise hätte Gaia-X durchaus das Potential, eine universelle europäische Dienste-Plattform werden zu können. Unter anderem deshalb fordern wir in unserem Programm auch eine konsistente Cybersicherheitsstrategie, die das Recht auf Verschlüsselung beinhaltet und die Einführung des „Deutschlandportals“ als einheitlich geregelte Plattform, die den Menschen Einblick in alle sie betreffenden, personenbezogenen Daten gewährt. Über einen externen Kontroll-Server werden alle Zugriffe auf die Daten geloggt und jeder Zugriff einer Behörde löst eine Benachrichtigung aus. Die Bürgerinnen und Bürger haben auf Nachfrage ein Recht, den Grund für den Datenzugriff zu erfahren.
Hier kommt auch Open Source Software in Spiel. Häufig scheiden sich an ihr die Geister. Die Befürworter sehen ein Mehr an Sicherheit durch Schwarmintelligenz, die Gegner ein weniger an Sicherheit durch Transparenz. Vorweg sei gesagt: Sowohl Open Source als auch Closed Source Software haben ihre Berechtigung. Es ist immer eine Frage, welche Lösung für welchen Zweck gesucht wird und ob ausreichend Vertrauen in die Software vorhanden ist. Dazu müssen beispielsweise die Schwachstellen identifiziert werden, die Datenströme analysiert, die Komponenten bekannt und auf dem neuesten Stand sein.
Gerade in der öffentlichen Verwaltung arbeiten jedoch enorm viele Nutzerinnen und Nutzer mit einer Vielzahl unterschiedlicher Software. Häufig werden sogar individuell entwickelte Programme eingesetzt, um die einzelnen Prozesse möglichst passgenau abzubilden. Es kommt dabei nicht selten vor, dass Steuergeld mehrfach für die Lösung einer identischen Aufgabe eingesetzt wird. Schlicht aus Unkenntnis einer bereits bestehenden Solution an anderer Stelle. Auf Länderebene fordern wir daher schon länger, dass Software, die in öffentlichem Auftrag entwickelt wird, auch als Open Source bereitgestellt sowie unter entsprechenden Lizenzen veröffentlicht werden. Wir wollen schrittweise den Einsatz von Open Source Software zum Regelfall machen und deren Einsatz in jedem entsprechenden Vergabeverfahren geprüft wissen.
Bist Du der Meinung, dass digitale Souveränität auch mit proprietärer Software möglich ist?
Digitale Souveränität ist ja ein strategisches Ziel, während die Art der eingesetzten Software eher ein – wenn auch wesentliches – Modul der Umsetzung darstellt. Beispielsweise zeigt der Blick auf die in öffentlichen Verwaltungen eingesetzten Arten von proprietärer Software, dass dort eine Abhängigkeit von einzelnen Anbietern bereits heute deutlich erkennbar ist. Das ist nicht nur auch aus Sicherheitsaspekten heraus problematisch. Der Einsatz von Open Source kann hier deutliche Abhilfe schaffen. Völlig verbannen wird sich Closed Source allerdings nicht lassen.
Entscheidend für eine umfassende digitale Souveränität ist aus meiner Sicht eher, dass das Bewusstsein für die eingesetzte Lösung vorhanden ist. Ich kann mich auch ganz gezielt in eine Abhängigkeit begeben, wenn ich mir denn dessen bewusst bin und in der Risikoabwägung positiv beschieden habe. Grundsätzlich werden wir jedoch ein Mehr an freier Software und Community brauchen, um einen Schritt zu mehr Souveränität zu gehen.
Wie planen Sie nach der Bundestagswahl diese Punkte umzusetzen?
Machen wir uns nichts vor: Das sind dicke Bretter und ein riesiges Betätigungsfeld. Daher fordern wir als Kernelement unserer Umsetzungsstrategie ein Ministerium für digitale Transformation. Um Synergieeffekte zu nutzen und eine schlankere und effizientere Regierung zu gestalten, wollen wir Kompetenzen in einem Ministerium bündeln und es eng mit den anderen Regierungsressorts verknüpfen. Hier spielt auch der IT-Planungsrat eine wichtige Rolle. Nur ein Beispiel: Für den verstärkten Einsatz von Open Source müssen Vergabevorschriften angepasst und Expertise aufgebaut werden. Wir brauchen kompetente Ansprechpartner für die Verwaltungen, die die Chancen und Risiken einer Software-Lösung auch tatsächlich beurteilen können. In den Leistungsbeschreibungen zur Vergabe eines Auftrags wollen wir weg vom reinen Preiswettbewerb und ein stärkeres Gewicht auf Kriterien wie Effizienz und Qualität legen.
Du bist schon länger kommunalpolitisch aktiv. Stand da freie Software schon mal auf der Tagesordnung?
Ehrlicherweise so gut wie gar nicht. Ich lebe in Hessen und bin seit 2012 Kreistagsabgeordneter und seit sechs Jahren Stadtverordneter. Einzelne Beschaffungsvorgänge sind in der Regel keine Angelegenheit des Parlaments, sondern werden entweder unmittelbar durch die Verwaltung oder durch die leitenden Verwaltungsorgane: Kreisausschuss, Magistrat oder Gemeindevorstand bearbeitet. Das Parlament gibt üblicherweise finanzielle Ressourcen frei, auf deren Grundlage die Verwaltungsleitung mit der Umsetzung effizienter und digitaler Maßnahmen beauftragt wird. Die Gemeinde- bzw. Landkreisordnung ist da in den verschiedenen Bundesländern durchaus mit deutlichen Unterschieden ausgestaltet. Hinzu kommt, dass die hessischen Kommunen häufig auf das Angebot des kommunalen IT-Dienstleistungsunternehmens ekom21 zurückgreifen, vielfach sogar mit durchaus brauchbaren Open Source Anwendungen und -Ansätzen.
Wir bedanken uns bei Dennis Pucher für das Interview.
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