
Für viele Anwendungszwecke habe ich schon meine Softwareperlen gefunden. Meine E-Mails gehen ein und aus dank Thunderbird, meine Literaturrecherche (und mehr) mache ich mit Zotero, Firefox ist dank der Add-ons für mich ein Segen und Passwörter kann ich mit KeepassXC sicher verstauen. Und auch die meisten meiner Artikelentwürfe für die Zukunft für dieses Blog befassen sich mit Applikationen, die mein Leben reicher machen. Nur an einer Front bin ich bislang immer gescheitert: Notizen.
Das Problem kennt wahrscheinlich jeder: Hier Post-its, da mal eine App, hier noch eine zweite, analoges Notizbuch und Anmerkungen im Terminkalender. Weiteres in LibreOffice-Dokumenten oder gar in LaTeX-Code. Dazu mal was in OneNote, mal etwas in Evernote, ein bisschen Tagebuch mit Lifeograph – oder doch lieber Rednotebook?
Anfang des Jahres schrieb »muc« hier ausführlich einen tollen Artikel über Joplin und ZIM, zwei Open-Source-Lösungen zu dem Thema. Aber irgendwie konnten mich die beiden Lösungen nicht final überzeugen.
Das Ziel: Ein zweites Gehirn!?
Dafür bin ich immerhin meinen Vorstellungen für die mir passende Lösung weitergekommen. Die unter den Selbstoptimierern propagierte Lösung heißt meist Second Brain oder Zettelkasten. Für mehrere Tausend Euro kann man sich da auch gleich coachen lassen. Ich bin da ehrlicherweise etwas genügsamer und starte mit einigen Zielen:
- Ich möchte ein System, in dem alles rund um das Thema »Texte« von mir landen kann. Sei es mein Tagebuch, meine To-do-Liste, Artikelentwürfe oder ein Post-it, schlichtweg alles, wo ich nicht von Anfang an weiß, dass ich ein »Spezialprogramm« brauche.
- Auch die technische Grundlage soll ebenso universell sein. Es sollen Textdokumente sein, die in meinem Besitz bleiben und damit auch noch in zwanzig oder dreißig Jahren funktionieren.
- Neben dem Top-down will ich noch Bottom-up: Es soll noch ein bisschen mehr sein als ein ausgeklügeltes Ordnersystem mit den Textdateien. Verbindungen, die in meinem Kopf entstehen, sollen sich auch in meinen Notizen wiederfinden.
- Synchronisation. Meine Textdokumente möchte ich auch auf anderen Endgeräten nutzen können.
Auf meinem Weg hier die passende Lösung zu finden, habe ich viele Dienste gefunden, die sich in diesem Bereich zwischen »Knowledge Database« und »Second Brain« bewegen. Neben den oben Genannten las ich über Notion, Roam Research und Remnote, die dann doch meinen Ansprüchen nicht genügten. Zumal es auch alle die typischen, unfreien Abomodelle sind, die teilweise auf Linux nicht vertreten sind. Weitere Open Source Alternativen stelle ich am Ende vor.
Gefunden: Obsidian
Denn die Lösung, die ich für mich gefunden habe, passt eigentlich gar nicht zu diesem Blog. Denn Obsidian legt seinen Quellcode nicht offen. Das ist für viele Nutzer verständlicherweise ein Ausschlusskriterium.
Dennoch konnte ich Obsidian als Softwareperle für mich gewinnen, die ich unter Linux als Snap, AppImage oder über Flathub installieren kann.
Obsidian macht im Prinzip zwei Dinge: Zum einen erstellt es Markdown-Dokumente und zum anderen erstellt es ein Gewölbe („Vault“) rund um die Notizen. Während Ersteres banal ist, stellt Letzteres den Clou dar.
Markdown
Es ergibt Sinn, auf Markdown zu setzen für Textdokumente. Denn tatsächlich ist es ein ganz einfaches Dateiformat, das technikaffine Anwender schon seit langer Zeit schätzen. Die entstehenden Dateien sind klein und lassen sich mit einer Vielzahl von Programmen öffnen und editieren. Auch Bilder lassen sich beispielsweise einbinden. Diverse andere Programme bieten dann auch einen Import oder Umwandlung von Markdown-Dateien an. Und so ist es auch die erste Komponente von Obsidian: Man kann schnell und leicht Markdown-Dokumente erstellen und lokal in Ordnern hierarchisch speichern (Top-down). Nun können das auch viele andere Programme.
Vaults dank Backlinking
Das Entwickeln des „Vaults“ hingegen ist die große Stärke von Obsidian. Denn zwischen den einzelnen Notizen können Verbindungen angelegt werden. Während es für unser menschliches Gehirn vollkommen normal ist, Verbindungen zu knüpfen und darüber neue Ideen zu entwickeln, erscheint es mir das zu sein, was ich am meisten an meinen bisherigen Versuchen, die Notizen zu ordnen, vermisste. Das funktioniert mit dem sogenannten »Backlinking«. Mit dem Setzen von zwei eckigen Klammern kann auf andere Notizen verlinkt werden. Das kann man sich dann schließlich auch grafisch darstellen. Dabei werden die Einzelnotizen als Punkte ebenso visualisiert wie die Verbindungen zwischen ihnen.
Plug-ins
Noch viel mehr Funktionen werden über Plug-ins gelöst. Die gibt es angefangen bei einem Audiorekorder über Kalender, Kanban-Boards bis hin zu einem Publish-Service. Viele der Plugins sind Open Source und von einer aktiven Community gepflegt.
Geschäftsmodell
Für Obsidian muss man weder Geld noch mit seinen Daten zahlen, das Versprechen gilt »für immer«. Das Geschäftsmodell basiert mehr auf Freiwilligkeit. Nur wer Obsidian kommerziell nutzt, muss pro Nutzer pro Jahr 50 Dollar zahlen. Allerdings darf man Katalysator werden und so Geld zahlen, im Tausch für Early Access und Badges. Auch gibt es zwei Add-ons, die Geld kosten. Der Synchronisierungsdienst kostet monatlich 4 $ (das kann man aber auch mit eigenen Diensten oder git umsetzen), wer seinen Vault online stellen möchte, muss dafür 8 $ im Monat zahlen.
Tatsächlich stellt sich die Frage, ob man so ein Geschäftsmodell nicht auch als Open Source Projekt hätte mit mindestens dem gleichen Erfolg haben können. Denn letztlich muss der Nutzer für gar keine Funktion zahlen. Auch dort, wo kostenpflichtige Add-ons angeboten werden, werden andere Alternativen in der Dokumentation vorgestellt. Auch ein umfangreicher Thread im Forum versucht die Macher des Projekts davon zu überzeugen, dass es sinnvoll wäre, auf Open Source umzusatteln. Stand jetzt erfolglos, denn die Macher fürchten, dass andere sich allzu großzügig an der eigenen Arbeit bedienen. Seit kurzer Zeit gibt es jetzt auch für Android und iOS Apps.
Die Alternativen
Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal auf den Artikel von »muc« verweisen. Denn zu den freien Alternativen gehören Joplin und ZIM ganz sicher. Auch TiddlyWiki ist eine Alternative. Hier landet alles in einer HTML-Datei. Foam bietet so wie Obsidian auch die grafische Ansicht an und orientiert und positioniert sich ganz klar als freie Alternative zu Roam Research. Umgesetzt wird es mit Visual Studio Code. Emacs-Enthusiasten werden dank »Org-roam« über meinen Artikel wahrscheinlich nur müde lächeln und VIM-Experten dank vim-Wiki ebenso. Zettlr und Trilium Notes sind ebenso eine Erwähnung wert.
Schreibe einen Kommentar