Interview: Christian Nähle, Geschäftsführer von Do-Foss

Vor rund zwei Wochen habe ich über das Bekenntnis der Stadt Dortmund zu Freier Software berichtet. Dabei spielte Do-Foss, eine Initiative für den Einsatz Freier und Quelloffener Software eine tragende Rolle. Deshalb habe ich Christian Nähle, dem Geschäftsführer von Do-FOSS einige Fragen gestellt. Hier sind seine Antworten.

Hallo Christian, kannst Du Dich den Lesern bitte kurz vorstellen. Was machst Du beruflich und in welche Open-Source-Projekte bist Du involviert?

Ich heiße Christian Nähle und ich organisiere die Geschäftsführung von Do-FOSS, der Dortmunder Initiative für Freie und Open-Source-Software (kurz FOSS). Erwerblich bin ich im Klimaschutz des Umweltamtes der Stadt Dortmund tätig. Hier begegnet mir täglich die Notwendigkeit für eine resiliente Gesellschaft und Infrastruktur.

Das Prinzip Open Source bietet diese Resilienz weit über unsere digitale Infrastruktur hinaus und hat auch noch viele weitere Vorteile. Vor allem passt Open Source deutlich besser zu unserem gesellschaftlichem Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis als proprietäre (herstellerspezifische) Software. Es ist das Anliegen von Do-FOSS die Digitale Souveränität unserer Infrastruktur zu fördern. Eine intakte Infrastruktur ist grundlegend für ein gutes Leben für uns alle.

Die Arbeit von Do-FOSS veröffentlichen wir für alle nachvollziehbar auf do-foss.de. Unsere Inhalte stehen unter der gemeinfreien Lizenz CC0, sodass sich alle die Teile nehmen können, die sich möchten ohne sich lizenzrechtliche Gedanken machen zu müssen.

Du bist, wie bereits erwähnt, Geschäftsführer von Do-FOSS in Dortmund. Welchen Aufgaben hat sich diese Bürgerinitiative verschrieben?

Wir halten die grundlegenden Vorteile von Freier und Quelloffener Software für die IT für unverzichtbar – besonders die einer öffentlichen Einrichtung. Als Dortmunderinnen wünschen wir uns diese Vorteile auch für unsere Stadt und kamen deswegen vor einigen Jahren zu dem Schluss: Dortmund braucht Freie Software! Den Weg dorthin haben wir durch eine offene Diskussion mit der Stadt, politischen Parteien und zivilen Einrichtungen sowie den Bürgerinnen gefunden. Wir sind im groben diese Schritte gegangen:

  • Bewusstsein für Probleme durch den Einsatz proprietärer Software geschaffen
  • Analyse der Probleme angeregt, die durch den Einsatz proprietärer Software entsteht
  • Bewertung der Möglichkeiten und Auswirkungen des Einsatzes Freier Software angestoßen
  • Berücksichtigung der Vorteile Freier Software bei Ausschreibungsverfahren angeregt
  • Aufbau von Kooperationsstrukturen zur (Weiter-)Entwicklung der verwendeten Freien Software zwischen der Stadt Dortmund und anderen Kommunen

Besonders interessant finde ich die Umkehr der Beweislast. Die Beschaffung proprietärer Software muss künftig im Einzelfall begründet werden. Wie will die Stadt sicherstellen, dass diese Beweislastumkehr nicht unterlaufen wird?

Die praktische Arbeit für Open-Source-Software kann jetzt erst so richtig beginnen, weil wir ein Fundament haben auf dem wir gemeinsam mit den Entscheidungträger*innen von Verwaltung und Politik stehen. Es wird viel noch Detailarbeit nötig sein und wir werden genau hinschauen und Öffentlichkeit herstellen, damit es keine Rückabwicklung gibt. Die Einsicht in die Notwendigkeit von Open Source ist bei den Führungsverantwortlichen der Stadtverwaltung nun aber vorhanden. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir es schaffen Freie Software konsequent gegenüber proprietärer Software zu priorisieren. Insgesamt hat die öffentliche Hand eine Gewährleistungsverantwortung für eine zugriffsfähige IT. Die Softwareverantwortung aus den Verwaltungsstrukturen auszulagern ist ein historischer Irrtum, den es nun zu korrigieren gilt.

Wo siehst Du persönlich den Nutzen für die Verwaltung und die Stadt und wo liegen die Vorteile für die Bürger*innen von Dortmund?

Die Stadtverwaltung und die Bürgerinnen haben ein gemeinsames Interesse an ihrer Infrastruktur. Die Herstellerabhängigkeit z.B. zu Microsoft erzeugt Schmerzpunkte für die Verwaltung, denn sie kann ihre eigene »immaterielle Infrastruktur« nicht flexibel gestalten oder skalieren. Dies ist in der gegenwärtigen Pandemie besonders eklatant zutage getreten. Wir haben einen Mangel an digitaler Resilienz und damit eine verzögerte Reaktionsfähigkeit des gesamten öffentlichen Dienstes. Aus Sicht der Bürgerinnen geht es gegen ihre Mündigkeit, wenn die Verwaltung interne Abhängigkeiten an sie weitergibt, z.B. indem bestimmte herstellerspezifische Produkte zur Kontaktaufnahme mit der Verwaltung vorausgesetzt werden. Ich denke hier u.a. an Schülerinnen die zu Produkten der Firma Apple gezwungen werden. Der Grundsatz „Public Money? Public Code!“ braucht Vorrang. Dies ist für die Verwaltung, wie für Bürgerinnen sinnvoll.

Was mir persönlich bei der Recherche zu Projekten zu Open Source im öffentlichen Dienst immer wieder auffällt, ist das Fehlen einer übergreifenden Vernetzung von Projekten untereinander, um Erfahrungen und selbst erstellte Software für Nachahmer verfügbar zu machen. Hat Do-FOSS Pläne in diese Richtung?

Die Stadt Dortmund und Do-FOSS arbeiten gemeinsam an einem „Ort für öffentlichen Code“ [1]. Wir brauchen ein Open-Source-Repository für den öffentlichen Dienst. Das Land NRW hat diese Initiative kürzlich aufgenommen [2]. Die Arbeit an und für öffentliche Infrastruktur benötigt einen langen Atem. Den bringen wir mit und werden weiterhin beharrlich im Bemühen und bescheiden in den Erfolgserwartungen sein. Darüber hinaus arbeiten wir gemeinsam mit dem Deutschen Städtetag und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle an einem Sonderbericht zu Open Source.

Der Bericht wird in zwei Teilen erscheinen. Einem Grundlagenteil und einem Governanceteil. Im zweiten Teil erarbeiten wir die Grundlagen für eine Open-Source-Vernetzung der Kommunen. Wir werden Vorschläge für Open-Source-Schulungen und Open-Source-Netzwerke speziell für den öffentlichen Dienst machen. Um die Vorteile von Freier Software für den öffentlichen Dienst tatsächlich zu nutzen werden wir auch höherwertige Organisationsmodelle entwickeln müssen, weil wir nicht einfach nur Software von der Stange einkaufen wollen. Die Synergieeffekte und neue Möglichkeiten interkommunaler Zusammenarbeit sind diese Mühe wert. Ich würde mich freuen, hierzu weiter im Austausch zu sein.

Christian, vielen Dank für Deine Zeit und viel Erfolg bei den weiteren Bemühungen um Freie Software in der Verwaltung.

[1]: https://blog.do-foss.de/pressemitteilung/stadt-dortmund-unterstuetzt-aufbau-eines-freien-software-repositorys-fuer-den-oeffentlichen-dienst/

[2]: https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/land-startet-pilotprojekt-fuer-open-source-software

Kommentare

13 Antworten zu „Interview: Christian Nähle, Geschäftsführer von Do-Foss“

  1. Avatar von tuxnix
    tuxnix

    Das ist doch eine sehr erfreuliche Entwicklung. Interessieren würde mich, ob denn jetzt schon freie Software von der Stadtverwaltung Dortmund eingesetzt wird und ob es auch konkrete Pläne gibt wo bzw. auf welchen Einsatzgebieten man mit einer Transformation zu FOSS beginnen möchte.

  2. Avatar von Sebastian
    Sebastian

    Wenn wir folgende Worte aus dem Text nehmen, fällt dieser in sich zusammen 😉

    • könnte
    • sollte
    • müsste
    • würde
    • wird
    • werden

    Gibt es eigentlich noch Mitteilungen, welche sich auf die Gegenwart beziehen und nicht den Konjunktiv nutzen? (meine empfundene Kleingeistigkeit, dass fast jeder nur noch von SOLL-, und keiner mehr von IST-Zuständen redet)

    Diesbezüglich bleibe ich bei meiner Kritik: wann fangen die endlich an mit FOSS, statt immer nur drüber zu reden? Wollen tue ich es auch, bin sehr dafür dass die Ämter endlich mal so miteinander kommunizieren, dass jeder Zugriff auf die Daten hat und diese austauschbar sind, aber hey: fangt einfach mal mit einer Kleinigkeit an und diskutiert nicht zum drölfzigsten Mal darüber, was alles könnte, würde und müsste für alles auf einmal 😉

    Gruß vom grimmigen Montagsmuffler

    1. Avatar von tuxnix
      tuxnix

      Das ist momentan die einzige Rettung für den Rechtsstaat, dass die Behörden nicht ganz so können wie sie am liebsten wollen und von politischer Seite auch wohl sollen.

      In einem Land in dem die Daten und die Geheimnisse der Behörden besser geschützt sind als die Freiheit seiner Bürger käme es, schon rein aus Gründen des Gesundheitsschutz verfahrensbedingt, höhere Effizienz vorausgesetzt, täglich zu behördlich durchgeführten Mord und Totschlag.

      Dein Urteil ist ungerecht, du verwechselt den engagierten Aktivist auf deiner Seite mit den Häuptlingen Dortmunds.

      1. Avatar von Dominic
        Dominic

        „In einem Land in dem die Daten und die Geheimnisse der Behörden besser geschützt sind als die Freiheit seiner Bürger“
        Das ist ein wesentlicher Eindruck unserer Scheingesellschaft. Wir verlagern – egal ob privatwirtschaftlich (auch im Mittelstand) oder auf Behördenebene – alle möglichen Daten in amerikanische Clouds von gewinnorientierten, patriotischen US-Unternehmen. Natürlich bestens verschlüsselt, auch wenn es keiner prüft oder gar gegen eine Backdoor prüfen kann. Und dann wird behauptet der deutsche Datenschutz sei der Beste. In keinem Audit dürften solche Lösungen bestehen, wenn es ernst gemeint wäre. Das Opfer ist die Privatperson, die überall alles mögliche durchlesen und unterschreiben soll.

        1. Avatar von tuxnix
          tuxnix

          Mal an Hand der Corona App betrachtet.
          Google und Apple bekommen die Kontaktdaten aller Menschen die BT eingeschaltet haben frei Haus sobald der BT-Chip funkt. Ein Leichtes die Daten abzugreifen bevor sie von der App verschlüsselt werden. Der Minister der die App einführt, sorgt damit lediglich dafür, dass die Menschen wenn sie mal unterwegs sind, dies dann auch mit eingeschalteten BT zu tun. Gleichzeitig findet eine Debatte darüber statt, dass der Datenschutz zu streng sei, weil die dumme App nichts bewirken konnte.
          Allein schon dieses Wort Datenschutz. Im Verhältnis von Staat und Bürger, ging es doch schon immer lediglich darum, dass der einzelne Mensch gegenüber dem Saat und seinen Institutionen einen Schutz erfährt.
          Menschenrechte sind für nichts anderes geschaffen worden dem einzelnen Menschen gegenüber dem Staat, Grund Rechte zum Erhalt seiner Existenz geben.

          Genauso ist auch im Umgang mit Daten, der Bürger das eigentlich schützenswerte Objekt und nicht die Daten selbst.
          Die Corona App hätte prächtig funktioniert und fast alle hätten sogar mit gemacht, wenn der Staat ein Gesetz erlassen hätte, diese Daten ausschließlich zur Bekämpfung der Pandemie zu nutzen, Strafverfolgung und Finanzamt auszuschließen und die Daten nach kurzer Frist wieder zu vernichten. Aber der Staat fordert statt dessen immer weiter Befugnisse und nutzt sogar den Mist den staatliche Stellen verzapft haben dazu, den Schutz des Bürgers vor staatlichen Übergriffen immer weiter einzuschränken.

          1. Avatar von Gerrit

            Google und Apple bekommen die Kontaktdaten aller Menschen die BT eingeschaltet haben frei Haus sobald der BT-Chip funkt. Ein Leichtes die Daten abzugreifen bevor sie von der App verschlüsselt werden

            Ohne Beweise oder zumindest konkrete Hinweise sind das nur Verschwörungserzählungen.

          2. Avatar von tuxnix
            tuxnix

            Kauf dir einen Raspberry PI, wenn du nicht weißt wie Daten von Sensoren ausgelesen werden. Das ist keine Verschwörungstheorie das ist Computerwissen für 10 Jährige.

          3. Avatar von Gerrit

            Das ist keine Antwort.

            Du behauptest Google und Apple bekommen die Kontaktdaten aller Menschen ab, die BT aktiviert haben und greifen diese ab bevor sie verschlüsselt werden.

            Ich bitte also um Belege oder zumindest fundierte Hinweise. Es geht nicht darum was theoretisch technisch möglich wäre. Technisch möglich ist theoretisch nämlich ganz viel.

          4. Avatar von tuxnnix
            tuxnnix

            Wenn es hier um so etwas wie Sicherheit geht, dann zählt das faktisch Mögliche. Zumal für diese Möglichkeiten keinerlei technische Finessen nötig sind und der verschlüsselte Stream auf den Apple und Google Server eine Überprüfung durch Dritte unmöglich macht. Wer, wann und mit wem, was ist jedenfalls nicht nur für diese Konzerne vom höchsten Interesse. Ich glaube nicht, dass man auf diese Informationen verzichten möchte zumal eine Überprüfung nicht möglich ist bzw. von der US Regierung auch gar nicht gewollt ist.

            Es sollte aber hier in diesem Kontext nur ein Beispiel dafür sein, wie sehr in der Diskussion um „Daten-Sicherheit“ z.B. bei der Corona App an den Tatsachen vorbei diskutiert wird. Die Sicherheit der App ist ein marginales Thema solange diese recht einnfachen Möglichkeiten nicht ausgeschlossen sind. Viel wichtiger aber wäre zu klären wer was mit Daten exakt machen darf und wer exakt etwas mit diesen Daten nicht machen darf.
            Bisher ist aber bei dieser Frage große Fehlanzeige. Und solange dies nicht geklärt ist leben wir in einem Dateneldorado.

      2. Avatar von Gerrit

        Dein Urteil ist ungerecht, du verwechselt den engagierten Aktivist auf deiner Seite mit den Häuptlingen Dortmunds.

        Gute Berichterstattung (natürlich jetzt nicht in einem Interview, sondern in begleitenden artikeln) würde das aber in Fakten und Perspektiven trennen. Hier wird teilweise ziemlich unkritisch die Do-FOSS-Position übernommen. Vermutlich weil man sie sympathisch findet.

        Der Hinweis oben im Kommentar war also mehr als Berechtigt.

  3. Avatar von tux
    tux

    Bin ja gespannt, wann Microsoft eine Zweigstelle in Dortmund eroeffnen wird.

  4. Avatar von Hans Dieter Schmidt
    Hans Dieter Schmidt

    Artikel durch den/die/das Autor*in sehr geschlechtsneutral geschrieben.

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