LaTeX – die eierlegende Wollmilchsau

LaTeX: Sieht kompliziert aus, ist aber eine eierlegende Wollmilchsau

Für die Erstellung eines Dokumentes gibt es viele Möglichkeiten. Meist wird zu einem Produkt aus dem Hause Microsoft, LibreOffice, Adobe oder Apple gegriffen. In den meisten Fällen verspricht allerdings ein ganz anderes System die höchste Qualität: LaTeX.

Was ist LaTeX?

Der Versuch, LaTeX zu erklären, fällt nicht ganz leicht. LaTeX hat nichts mit Naturkautschuk zu tun und wird Latech ausgesprochen. Heutzutage ist man Programme, die nach dem WYSIWYG-System arbeiten und eine Echtzeitdarstellung ermöglichen gewohnt. Bei einem System wie LaTeX nimmt der Ersteller des Dokuments hingegen eher die Rolle eines Programmierers ein. Das ist so ähnlich wie bei HTML & CSS. Nur am Ende kommt eine Quelldatei heraus, aus der LaTeX (in den meisten Fällen) ein wunderschönes PDF erzeugt.

Die Bezeichnung von LaTeX als eierlegende Wollmilchsau kenne ich übrigens von meinem einstigen Mathelehrer. Und in der Tat ist es so, dass LaTeX eine ganze Reihe an Vorteilen hat.

Freie Software

Bei LaTeX handelt es sich um eine der ersten freien Software, die es bereits länger gibt als den Begriff Open Source: TeX wurde 1978 von Donald E. Knuth erstmalig veröffentlicht, Leslie Lamport legte 1984 mit LaTeX nach und vereinfachte mithilfe von Makros die Nutzung des Textsatzsystems. Beide stehen unter eigenen Lizenzen, denn die heute bekannten Lizenzen für freie Software gab es damals schlicht noch nicht. Und so handelt es sich um die ersten Paradebeispiele für freie Software, denn sie haben nun schon seit über 42 Jahren Relevanz.

Dauerhaft und stabil

Das leitet auch schon zum zweiten Vorteil über. LaTeX ist dauerhaft und stabil. Es ist vollkommen egal, auf welchem System der Quelltext geschrieben wird. Es kommt bei jeder Kompilierung das gleiche Ergebnis heraus. Wer schon einmal auf einem anderen Rechner ein etwas komplexeres Word-Dokument fortführen wollte, weiß, dass das bei Word nicht gegeben ist. Und auch wenn mittlerweile Word und LibreOffice an Stabilität zugelegt haben, so sind doch die Stabilität und Robustheit von LaTeX bei Dokumenten mit mehreren Hundert Seiten, Grafiken und Literaturverzeichnissen unerreicht. Auch nach etlichen Jahren kann man neu kompilieren mit dem gleichen Ergebnis.

Weniger »Faktor Mensch«

Der »Faktor Mensch« wird bei LaTeX reduziert. Die allermeisten Menschen sind keine Typographen oder Designer. Sie treffen schlechte Entscheidungen, die konventionelle Textverarbeitungsprogramme leicht machen. Will man die Bedeutung eines Wortes hervorheben, so hat man die Wahl fett, kursiv, unterstrichen, rot oder markiert zu schreiben. Oder alles gleichzeitig. Bei einem System wie LaTeX hingegen nimmt einem die Software die Entscheidung ab. Mit der Verwendung eines Makros wird abhängig von der Dokumentenklasse die typographisch angemessene und beste Entscheidung getroffen, beispielsweise nach DIN-Standards. Das spart das manuelle Formatieren und sorgt trotzdem für bessere Ergebnisse.

Form follows function

Was für die Architektur aus dem Bauhaus gilt, stimmt auch für Dokumente. Aufgabe für den Ersteller ist es, den Inhalt zu schaffen. Und in die Struktur zu gießen. Jeder kennt wohl unzählige Dokumente und Präsentationen, bei denen dies ziemlich daneben ging. Ohne Struktur wird durch bunte Folien gezappt. Das passiert bei LaTeX kaum. Denn in dem System spielt Struktur eine große Rolle. Das hilft nicht nur bei der Erstellung der Inhalte, sondern auch bei der Gestaltung.

Technische Überlegenheit

Kann eine Software, die 42 Jahre alt ist, tatsächlich technisch überlegen sein? Zumindest in großen Teilen und was die Typographie anbelangt, ja. So werden bei Word und LibreOffice zumeist nur die Zeilen umgebrochen, bei LaTeX ganze Absätze. Ein kleiner Faktor, der zu großen Ergebnissen führt. Die Abstände zwischen den Wörtern sind so angenehm gleich. Und auch an die Mikrotypographie von LaTeX kommt keine aktuelle Software heran. Mit optischem Randausgleich, Wort- und Zeichendehnung werden Dokumente lesbarer und ästhetischer.

Unbegrenzte Möglichkeiten

Als letzten wesentlichen Vorteil von LaTeX möchte ich die unbegrenzte Anzahl an Möglichkeiten vorstellen. Weithin bekannt ist der Mathematikmodus, der auch hochkomplexe Formeln setzt und etwaigen Formelprogrammen aus LibreOffice und Word nicht nur typographisch, sondern auch in der Erstellung überlegen sind. Natürlich eignet sich LaTeX auch für das Schreiben von Texten. Insbesondere für wissenschaftliche Texte ist LaTeX beliebt, auch aufgrund der guten Bibliographie. Aber auch Briefe können mit LaTeX gut erstellt werden. Auch Musiknoten können mit LaTeX gesetzt werden. Die besten Präsentationen werden nicht mit Powerpoint, sondern mit einer LaTeX-Klasse gesetzt statt geklickt. Und sogar Zeichnen kann man mit LaTeX.

Kommentare

17 Antworten zu „LaTeX – die eierlegende Wollmilchsau“

  1. Avatar von tux.

    Ich empfehle groff. Alle Vorteile von LaTeX ohne die mehreren hundert Megabyte Runtime.

    1. Avatar von tux.

      Ich spiele ja immer wieder mit dem Gedanken, hier mal mit einem anderen Nicknamen zu kommentieren. Dann beschäftigen sich die Leute auch mal mit dem Inhalt und däumchenruntern nicht gleich.

      1. Avatar von tuxnix
        tuxnix

        Ein anderer Nick würde dir wohl auch nicht weiter helfen. 🙂
        Zum Inhalt:
        „GNU ‚troff‘ is the only used incarnation of ‚troff‘.
        Exception: ‚groff‘ is never replaced by ‚roff‘.“

  2. Avatar von tuxnix
    tuxnix

    Ich tendiere immer mehr zu LaTeX. Das Ergebnis ist einfach schöner. Was den Notendruck angeht sollte Lillypond erwähnt werden.

  3. Avatar von UbIx
    UbIx

    Da ich häufig Batchelor/Master Thesis betreue und somit die Dokumente Lesen muss, kann ich obige Aussage zur lesbakeit und vor alle zur Bibliografie (Glossar, Bilder-, Tabellen-, Inhalts-, Literatur-Verzeichnisse) bestätigen, die Ausganen als PDF mit Links zu den Kapiteln, PDF-Inhaltsverzeichnissen und vielen mehr, sind nicht zu toppen. Leider gibt es nur noch wenige Fachbereiche / Universitäten die LaTeX templates Anbieten bzw. die Dokumente in LaTeX Anfordern bzw. zumindest erlauben.

  4. Avatar von kamome
    kamome

    Für (relativ) einfache Sachen (Rechnungen) sind für mich HTML+CSS+JS und „Druck“ in PDF die erste Wahl – größere Vertrautheit als mit LaTeX mit dennoch sauberem Ergebnis (die Tabellenformatierung in einem Textdokument hatte sich bei Libreoffice immer wieder zerschossen).

    1. Avatar von Stefan

      Wie gehst du da so vor?

  5. Avatar von NordishBen
    NordishBen

    Meines Erachtens ist LaTeX nicht die „die eierlegende Wollmilchsau“, da es für etliche Projekte schlicht zu komplex ist. Erklär mal einfachen Leuten, die mit IT nicht viel am Hut haben, wie sie die Runtime installieren usw.. Für die ist Scribus z.B. häufig eine gute OpenSource-Alternative. Ich war es in meinem Informatik-Studium vor über 10 Jahren gewohnt LaTeX zu nutzen, weil wir in etlichen Modulen für unsere Abgabe-Dokumente von vorn herein LaTeX-Vorlagen bekamen und auch kontrolliert wurde ob wir diese nutzen und trotzdem haben wir im Studien-Projekt DocBook genutzt, weil wir die Notation wesentlich einfacher zu schreiben empfanden. Und heute werden von Entwicklern immer häufiger Jupyter Notebooks verwendet. Es ist wie auch beim Programmieren: Für verschiedene Projekte sind verschiedene Tools besser geeignet.

    1. Avatar von no one
      no one

      Zustimmung. Und für die ganz simplen Anwendungen hat sich dann auch Markdown durchgesetzt.

    2. Avatar von Stefan

      Der Begriff der »eierlegenden Wollmilchsau« stammt, wie im Artikel geschrieben ja auch nicht von mir – ich fand ihn nur so schön, dass ich ihn anwenden wollte, wenngleich gerade in der IT wohl nichts diesem Begriff gerecht werden kann. Die Lösungen DocBook / Jupyter Notebooks sind mit Sicherheit tolle Software und besitzen ihre Daseinsberechtigung. Ich möchte gar keine andere Lösung als schlechter bezeichnen, gerade je kleiner die Nische, desto überlegender können die Lösungen sein.
      Einen Punkt sehe ich dennoch in Teilen anders: Die Menschen, die mit IT nichts am Hut haben, können LaTeX entweder automatisch aus ihren Paketquellen beziehen, ebenso wie Scribus oder auf eine Cloud-Lösung wie Overleaf setzen.
      In die Bedienung muss sich in beiden Fällen eingearbeitet werden. Die meisten sind das Klicken gewohnt und finden deswegen Scribus intuitiver. Blendet man diesen »Gewohnheitseffekt« aus, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Insbesondere, wenn man beispielsweise einen Brief nach DIN-Normen setzen möchte, erscheint mir LaTeX deutlich weniger frustran.
      Ob das alltagsrelevant ist? Wohl eher nein. Ob LaTeX trotzdem einen Blick und ein wenig Einarbeitungszeit wert ist? Ja, weil es letztlich auch ein sehr einfacher Einstieg in die Welt der Quelltexte ist.

  6. Avatar von D.R.
    D.R.

    Ich habe in der Firma sämtliche Manuals unserer Produkte auf LaTeX umgestellt.
    Seitdem werden dies auch korrekt erstellt, die Verweise und Verlinkungen zu Kapiteln, Bilder und Tabellen sind nun korrekt.
    Interessant wäre noch, wie man Dokumente in andere Sprachen übersetzen und das noch irgendwie gescheit verwalte kann.

    1. Avatar von Stefan

      Mir persönlich kommen da nur die beiden folgenden Ansätze in den Sinn: https://texwelt.de/fragen/16759/dokumentversionen-in-verschiedenen-sprachen
      Je nachdem, wie man da übersetzt, ist das natürlich auch nicht super.

    2. Avatar von nobody
      nobody

      Lyx bietet ein paar Sprachoptionen und ggf. Lösungsmöglichkeiten.

  7. Avatar von bjawebos

    Mir fehlt noch ein Hinweis auf die Weiterentwicklungen von LaTeX, wie z.B. ConTeXt oder LuaTeX.

    1. Avatar von Stefan

      Es ist gut vorstellbar, dass dies nicht der einzige Artikel zu einem TeX-Thema bleiben wird 😉 Allerdings werde ich mich da erst mal selbst in die Relevanz und Vorteile der anderen Systeme einarbeiten müssen.

      1. Avatar von bjawebos

        Oh, weitere TeX-Artikel. Das wäre eine coole Sache. 🙂

        Relevanz ist eine gute Frage. Vorallem in welchen Nutzerkreisen.

  8. Avatar von Oelauge
    Oelauge

    Ein kleiner Hinweis.

    LaTeX erfordert eine Einarbeitung. Bis ich – als LaTeX-Anfänger – meinen Text final in der Form vorliegen hatte, wie ich es mir vorgestellt hatte, hatte es (viel*) Zeit benötigt.

    *Viel ist jetzt relativ. Ich bin jetzt nicht mehr der Jüngste und brauchte entsprechend etwas mehr Zeit, um das Verständnis und den Effekt der einzelnen LaTeX-Steuerelemente zu verstehen.

    Typische Situationen waren, dass Bilder nicht auf der gleichen oder Folge-Seite platziert wurden. Sondern auf irgend welchen Seiten am Ende des Kapitels. Das mag vielleicht bestimmten Setz-Regeln entsprechen, aber nicht meinem didaktischen Empfinden. Wenn ich im Text auf Bilder Hinweise, die etwas plakativ beschreiben, der Leser aber dann die Bilder im Dokument erst suchen muss. Zum Glück war ich nicht der Erste mit meinem Problem und konnte die entsprechenden LaTeX-Steuer-Befehle finden und einsetzen, um dies zu unterbinden.

    Diese und einige bis viele andere Steuerbefehle werden in der sogenannten Präambel, der Steuerkopf eines jeden LaTeX-Dokumentes, platziert. Sie steuern als Beispiel, ob wir von einer DIN-A4-Seite sprechen, ein Layout den besonderen Platz in der Mitte durch die Buchpfalz berücksichtigen möchten, alle Seitenränder und deren Platzbedarf richtig kalkulieren und und und.

    Das Stichwort Markdown ist hier gefallen, und in diesem Zusammenhang möchte ich auf das Schweizer Messer der Konvertierungs-Werkzeuge mit dem Namen Pandoc <https://pandoc.org> hinweisen.

    Pandoc versteht etliche Dokument-Formate als Quelle und konvertiert diese auch in etliche Ziel-Formate. Wenn als Zielformat PDF angegeben wird, erfolgt ein Zwischenschritt in LaTeX mit Hilfe einer sehr universellen Präambel im Hintergrund, bevor ich final mein PDF-Dokument habe.

    Pandoc ist ein Terminal-Programm ohne einer GUI. Die Steuerung erfolgt über die Angabe von Parametern. Das macht es zu einem sehr flexiblen Werkzeug. Warum?

    Heute schreibe ich meinen Text in Markdown, als alleinige Quelle, der auch noch in verschiedenen Sprachen übersetzt wird, zudem hervorragend mit Git verwaltet werden kann. Mit Hilfe von Pandoc und einem Shell-Skript erstelle ich in Sekunden: Meine LaTeX-Quelldatei, meine fertige(n) HTML-Seite(n) und mein eBook im EPUB-Format. Die LaTeX-Datei wird danach ebenfalls automatisiert dann in eine PDF-Datei im A4-Format für das Web und eine A5-Variante für den Druck gebracht.

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