Mitbegründer Meeks sieht Entwicklungsmodell von LibreOffice in Gefahr

Gefahr für LibreOffice

Der GNOME-Entwickler Michael Meeks war im September vor 10 Jahren einer der Initiatoren des Forks von OpenOffice zu LibreOffice und Mitbegründer der Stiftung The Document Foundation (TDF), unter deren Dach LibreOffice entwickelt wird.

Meeks trägt viele Hüte

Meeks, der für Ximian, Novell und SUSE gearbeitet hat und heute bei LibreOffice-Dienstleister Collabora angestellt ist, sieht das Entwicklungsmodell von LibreOffice (LO) in Gefahr, wie er auf der Mailingliste der Document Foundation ausführte.

Anlass war die aufgebrachte Reaktion der Community auf den Marketingplan der TDF für die nächsten fünf Jahre. Die Befürchtungen gingen in die Richtung, dass zwei Ausgaben von LO geplant seien, wovon eine gegen Bezahlung Funktionen erhält, die der »Personal Edition« vorenthalten werden.

Zunächst ausgesetzt

Die Entwickler konnten trotzt ihrer Beteuerungen, es werde keine Lizenzänderung geben und LO werde immer frei sein, die Situation nicht entschärfen und stellten das Inkrafttreten des Marketingplans mit der Veröffentlichung von LibreOffice 7.0 in wenigen Wochen zunächst einmal zurück.

Das Ökosystem LO

Meeks betont, seine Anmerkungen seien aus persönlicher und der Sicht seiner Position bei Collabora und nicht der bei der TDF zu verstehen, wo er im Vorstand sitzt. Er beschreibt die Frustration der Beitragenden des »Ökosystems LO«, wie es die TDF nennt. Dazu gehören Firmen wie Collabora, CIB, Red Hat, 1&1, die Stadt München mit LiMux, NISZ und einige andere.

LO-Code überwiegend bezahlt

Laut Meeks steuern diese Unternehmen rund 70 Prozent des Codes zu LO bei, während der Rest von Distributionen und einzelnen Entwicklern stammt. Allein Collabora stellt dabei 25 Entwickler für LibreOffice Online und weitere Produkte und Dienstleistungen ab, insgesamt arbeiten rund 40 Entwickler bezahlt an LO.

Bereits seit Längerem herrscht in diesem Umfeld Unzufriedenheit mit dem Marketing der TDF, die sich zu sehr in den Vordergrund spiele, wenn es darum geht, wer LO entwickle und damit verhindere, dass die beteiligten Unternehmen adäquate Umsätze mit LO generieren können, um ihr Engagement aufrechtzuerhalten.

Ungünstige Außendarstellung

Die beiden öffentlich bekannten Marken LibreOffice und The Document Foundation spiegeln, wie Meeks bereits in einem älteren Positionspapier darlegte, nicht die Community und das »Ökosystem LO« wider, das einen Großteil der Arbeit leiste.

Durch dieses Missverhältnis in der Außendarstellung komme es häufig vor, dass Unternehmen und Organisationen LibreOffice ohne langfristige Unterstützung ausrollen, wie etwa eine große europäische Regierungsabteilung mit 15.000 Installationen, zwar mit großem Enthusiasmus für freie Software aber ohne jeglichen konzeptionellen Rahmen.

Schaden für LO und freie Software

Das schade im Endeffekt der Marke LO und freier Software insgesamt. Es sei schwer, Unternehmen klarzumachen, dass LibreOffice in der Form, wie TDF es ausliefert, so nicht für diesen Einsatz geeignet sei, da es keinerlei Unterstützung beinhalte.

Innerhalb der TDF scheint es unterschiedliche Ansichten zu geben, was das laut Meeks destruktive Marketing angeht. Mit der Einblendung von »Personal Edition« sollte laut Meeks einerseits klargemacht werden, dass es auch kommerzielle Unterstützung gebe und ein Denkprozess angeregt werden, ob die kostenlose Version immer und in jeder Konstellation die richtige sei.

Keine proprietären Komponenten

Dabei lehnt es Meeks ab, proprietäre Anteile in einer Enterprise-Version zu verkaufen. Es gehe vielmehr darum, dass die Unternehmen, die wesentlich in LO investieren, dies auch weiterhin tun können und für LO eine nachhaltige Entwicklung gewährleistet werden kann. Dazu müsse sich die Außendarstellung ändern.

Das Problem werde noch verschärft durch Firmen, die preisgünstig Unterstützung für LO verkaufen, diesen Support aber kaum leisten können und bei Problemen Tickets bei LO einstellen und darauf vertrauen, sie würden kostenlos beseitigt.

Der Marketingplan wird nun zunächst weiter diskutiert und sollte der Community besser vermittelt werden, bevor er mit einer kommenden Version von LO in Kraft tritt.

Kommentare

13 Antworten zu „Mitbegründer Meeks sieht Entwicklungsmodell von LibreOffice in Gefahr“

  1. Avatar von beccon
    beccon

    Der Weg ist ja prinzipiell richtig so und funktioniert auch z.B. bei Nextcloud recht gut. Das ist allerdings eine Organisation und hat somit kein Abstimmungsproblem. Herr Meeks hat Recht mit dem was er sagt. Allerdings sitzt sein Arbeitgeber Collabora an zentraler Stelle in der TDF und hat da auch entsprechenden Einfluß. Vielleicht sollte man eine begleitende Kampagne jetzt starten ohne erst einmal die Bezeichnung der Software zu ändern. Und „community supported“ würde besser als „personal“ klingen. 🙂

    1. Avatar von Felix

      Und Collabora ist auch nicht nur „sein Arbeitgeber“ er hat dort als „VP Productivity“ auch eine führende Rolle…

  2. Avatar von tuxnix
    tuxnix

    Wenn „Organisationen LibreOffice ohne langfristige Unterstützung ausrollen, wie etwa eine große europäische Regierungsabteilung mit 15.000 Installationen“ dann sollte Collabora sein eigenes Marketing für den Support verbessern.
    Vorstellbar wäre auch, eine Art Gebühr zu schaffen. Die Gesellschaft sollte Entwicklern etwas zurückgeben. Wenn öffentliche Stellen in grossem Rahmen freie Software benutzen, sollte eine gewisser Betrag fällig werden, der die weitere Entwicklung der Projekte sichert. Man sollte damit beginnen für ein derartiges Modell zu werben. LibreOffice wäre für ein solches Modell der beste Vorreiter.

    Es wäre auch vorstellbar für die weitere Entwicklung von LibreOffice bei den professionellen Benutzern gezielte Aufträge einzuwerben.

    Was aber nicht geht, ist das, was Meeks hier vorschlägt.
    Man kann nicht ein und das selbe Produkt in zwei verschiedene Schachteln packen und meinen, das man die eine Schachtel teuer verkaufen kann wenn die andere Schachtel kostenfrei zu haben ist.
    Sinn macht das doch nur, wenn es dann auch einen unterschiedlichen Inhalt gibt.
    Das Misstrauen ist deshalb mehr als berechtigt.

    Das Modell Freie Software funktioniert nur, wenn der Source Code eines Projekts eins bleibt und sich für alle Beteiligten (gerade auch für kommerzielle Unternehmen) sich dadurch ein Vorteil ergibt beizutragen anstatt mit einem eigenen Produkt von vorne anzufangen.

    Sollte es einmal zwei unterschiedliche Produkte geben, ist ein freies LibreOffice tot.

    1. Avatar von Ferdinand

      Rad Hat kommt doch dann auch in »2 Schachteln«. Du kannst es runterladen und benutzen oder dir Support dazubestellen. Die Software ist die gleiche. Ich glaube nicht, dass TDF so blöd ist zwei Versionen mit unterschiedlicher Funktionalität anzubieten.

      1. Avatar von tuxnix
        tuxnix

        Der Lang Zeit Support der Software Pakete ist -wie ich mal denke- bei Red Hat doch nicht kostenlos. Insofern ist bei Red Hat ein unterschiedlicher Inhalt in den Schachteln.

        Und genau dies ist der Anlass des Misstrauens. Zwei unterschiedliche Produkte sollten auch vom Inhalt unterschiedlich sein und nicht nur von der Verpackung.

        1. Avatar von Ferdinand

          Wenn du das so siehst, dann ist das bei Collabora ja auch so, da sie Support für LO verkaufen

          1. Avatar von tuxnix
            tuxnix

            Vor allem sollten sie den Support auf die Bedürfnisse der Kundschaft zuschneiden, dann fällt es vielleicht auch einfacher ihn zu verkaufen.
            Was nicht geht, ist ein freies Projekt in seinen Besitz zu nehmen nur weil man sich sehr viel dafür engagiert hat, um es dann für sein Markteinkonzept zu missbrauchen, nur weil sich der Support Service unter dem Namen „Collabora Office“ nicht so verkauft wie man es sich gewünscht hat.

          2. Avatar von tuxnix
            tuxnix

            Ja, jetzt hab ich kapiert was du meinst.

            Den Support für LO als „Collabora Office“ anzubieten ist halt auch schon der 2 Schachtel-Trick und der funktioniert halt nicht.

            Dieser 2 Schachteln-Trick wird auch nicht funktionieren, wenn man ihn mit LO- personal und LO-professionell wiederholt.

            Und das berechtigte Misstrauen der Community ergibt sich auch daraus, da viele sich sagen: „Wenn die heute LO in zwei unterschiedliche Schachten packen, werden sie morgen auch den Inhalt ändern wollen. Sonst kann das ja nicht klappen und es macht auch keinen Sinn.

            Desshalb wäre es mMn. gut wenn Collabora seine Strategie überdenkt.

            Man kann Support für LO auch als Support für LO anbieten!

        2. Avatar von 0byte
          0byte

          CentOS ist eine binäre Kopie von RHEL. Sank GPL muss der Quellcode veröffentlicht werden. Libreoffice steht doch auch unter GPL? Dann darf man doch den Funktionsumfang nicht einschränken und nur gegen Bezahlung anbieten? Es wurde ja immer wieder betont, dass alles bleibt wie es ist, kostenlos. „Personal Edition“ lässt Einschränkungen vermuten. Warum lässt man es nicht so und nennt die Enterprise Version einfach Libreoffice Enterprise?

          1. Avatar von tuxnix
            tuxnix

            Ist das nicht das Gleiche? Es bleibt ein Verpackungstrick, der bei Software und professionellen Kunden nicht funktionieren kann.

          2. Avatar von Kaja
            Kaja

            Meiner Meinung nach sollte es funktionieren. Bei einer Enterprise Version gibt’s professionellen Support und langjährige Unterstützung, bei der „normalen“ Version halt nicht. Genau so funktioniert ja auch RedHats Geschäftsmodell.

          3. Avatar von Kaja
            Kaja

            Warum lässt man es nicht so und nennt die Enterprise Version einfach Libreoffice Enterprise?

            Das wäre meiner Meinung nach die beste Lösung. Der Begriff „Enterprise“ ist z.B. schon von RedHat und SLES bekannt. Da wissen die Kunden dann was sie erwarten können.

    2. Avatar von benQ
      benQ

      Na ja, gibt es die „unterschiedlichen Produkte“ denn nicht ohnehin schon? Da ist einmal LO „fresh“ mit den neusten Features und dann einmal die besser abgehangene Vorversion (für konservative Anwender aka Produktivumgebungen). Derzeit kann man sich den Support wo auch immer besorgen, also entweder gar nicht, oder von Collabora, oder von ???

      Letztlich bekäme man bei LO dann zwei Schachteln, die 1) die selbe Office Suite enthalten, die man auch jetzt schon bekommt und 2) professionellen Support oder eben keinen solchen.

      Möchte man die nachhaltige Entwicklung von LO sicherstellen, die auf jenen Entwicklerresourcen beruht, die eben den professionellen Support bereitstellen, dann ist ein „Support-Produkt“ unter dem „offiziellen“ Label LO/TDF dem sicherlich förderlicher, als wenn Collabora etc. unabhängig davon und getrennt von LO/TDF Marketing für ihren Support machen. Denn Collabora etc. sind ja nicht unabhängig von LO/TDF (und umgekehrt). Wieso sollte also Collabora also nicht auf die Marketing-Resourcen von LO/TDF zurückgreifen, sondern eigene Resourcen dafür aufbauen/verschwenden?

      Wichtig ist allerdings, und darüber wird ja auch diskutiert, WIE man ein solches „Produkt“ kommuniziert. Wenn das transparent passiert (z.B. LO Enterprise Edition (enthält LO Version 7.0.1 und 1 Jahr professionellen Support* (*: hotline, roll-out assistance, deplyoment adaptation (LGPL) …) dann weiß jeder was er (nicht) bekommt. Und: solange die Lizenz so liberal bleibt, wie sie ist, was soll da passieren?

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